Regeln für Abwicklung maroder Banken
Mit der europäischen Bankenunion sollen Sparer und Steuerzahler in Europa besser vor den Folgen der Finanzkrise geschützt werden. Die EU-Finanzminister einigten sich in der Nacht auf Donnerstag nach monatelangem Streit auf politische Grundlinien für den Umgang mit maroden Geldhäusern.
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Damit steht nach der gemeinsamen Aufsicht durch die Europäische Zentralbank (EZB) die zweite Säule der Bankenunion. Allerdings muss den Abwicklungsplänen noch das EU-Parlament zustimmen, und da formiert sich Widerstand.
Ziel der Bankenunion ist es, Europas Steuerzahler künftig besser vor teuren Rettungsaktionen für Geldhäuser zu schützen. Große Bankenpleiten sollen nicht mehr ganze Staaten in den Abgrund reißen können. Als Folge der Finanzkrise 2008 hatten die Staaten gefährdete Kreditinstitute mit rund 1,6 Billionen Euro an Garantien und Kapitalhilfen gestützt. Künftig sollen stattdessen vorrangig Eigentümer, Gläubiger, große Sparer und die Branche zur Kasse gebeten werden.
Die europäische Bankenaufsicht
Die Rolle des Ermittlers und Wächters bei heraufziehenden Bankenschieflagen spielt künftig die EZB. Sie soll Probleme bei Kreditinstituten frühzeitig erkennen und entsprechend reagieren. Vor Beginn der Aufsicht Ende 2014 werden die Institute in „Stresstests“ geprüft. Die EZB hat zwar in erster Linie die rund 130 Geldhäuser im Blick, die bei Krisen das gesamte Finanzsystem gefährden können, doch kann sie bei Bedarf auf jede der 6.000 Banken in der Euro-Zone zugreifen. Sieht die EZB die Notwendigkeit einer grundlegenden Sanierung oder Abwicklung, kommen weitere neue Mechanismen ins Spiel.
Beteiligung von Banken und Gläubigern
Muss ein Institut umstrukturiert oder geschlossen werden, so ist zuallererst die Bank selbst gefragt. Sie muss auf dem Markt versuchen, sich die benötigten Mittel zu besorgen. Reicht das nicht, müssen die Eigentümer, Gläubiger und großen Sparer zittern. Dann werden sie zur Kasse gebeten - zum „Bail-in“. Ihr Beitrag erstreckt sich auf mindestens acht Prozent der Verbindlichkeiten einer Bank, was im Einzelfall hohe Milliardensummen sein können.
Danach kommt ein geplanter europäischer Abwicklungsfonds ins Spiel, der sich aus Beiträgen der Institute speist. Hierfür könnte in einzelnen EU-Ländern etwa die Bankenabgabe steigen. Erst wenn das alles nicht mehr reicht, müssen am Ende die Heimatstaaten und damit die Steuerzahler in die Tasche greifen.
Der neue Abwicklungsmechanismus
Die EU-Finanzminister vereinbarten einen neuen Mechanismus zum konkreten Abwicklungsprozess (SRM). Die Entscheidung darüber soll ein neues Gremium (Board) treffen, in dem nationale Aufseher und Vertreter der EU-Kommission sitzen. Aufgeteilt ist das Board in einen Exekutivarm und ein Plenum.
Letzteres muss dann befragt werden, wenn für eine Abwicklung mehr als 20 Prozent des eingezahlten Kapitals in dem geplanten EU-Fonds gebraucht oder in einem Jahr mehr als fünf Milliarden Euro aus diesem Topf für Rettungsaktionen bezahlt werden müssen. Das Plenum entscheidet mit einfacher Mehrheit und kann Beschlüsse des kleineren Exekutivarms anfechten. Erhebt die EU-Kommission Bedenken gegen eine Entscheidung, liegt das letzte Wort bei den EU-Finanzministern. Über diese Frage wurde lange gestritten.
Der Abwicklungsmechanismus soll nach dem Willen der EU-Staaten formal für rund 130 Großbanken gelten wie die neue einheitliche EU-Bankenaufsicht. Auch der SRM kann bei Bedarf aber jedes der etwa 6.000 Institute unter seine Fittiche nehmen. Das EU-Parlament will hingegen von vornherein alle Banken unter das Regime des SRM stellen, das Board soll sich aber auf die systemrelevanten Häuser konzentrieren.
Der Abwicklungsfonds
Sollten bei einer Bankenabwicklung die Mittel von Eigentümern und Gläubigern nicht ausreichen, muss die Bankenbranche insgesamt mitzahlen. Das Geld soll aus einem neuen europäischen Abwicklungsfonds (SRF) stammen, der binnen zehn Jahren nach und nach aus nationalen Rettungsfonds gebildet werden soll. Kommission und Parlament sind dafür, dass der Fonds auf EU-Ebene sofort voll startklar ist.
Am Ende sollen bis zu 55 Mrd. Euro zur Verfügung stehen, die die Banken mit ihren Beiträgen zusammenbringen müssen. Nach dem Willen der EU-Finanzminister soll der Fonds in der Übergangszeit nach Ländern unterteilte Kammern besitzen. Geld für pleitebedrohte Banken aus dem Euro-Rettungsfonds ESM soll es nicht geben. Wie bisher soll der Weg zum ESM nur Staaten möglich sein, die im Gegenzug für Hilfen bestimmte Auflagen erfüllen müssen.
Die Einlagensicherung
Das Vorhaben einer gemeinsamen Einlagensicherung hat die EU inzwischen aufgegeben. Allerdings haben sich EU-Kommission, EU-Staaten und Europäisches Parlament auf gemeinsame Regeln geeinigt, mit denen der Schutz der Sparvermögen harmonisiert wird. Künftig sollen überall in Europa Einlagen bei Banken bis zu 100.000 Euro garantiert sein. Zudem sollen Sparer bei Pleiten von Banken leichter und schneller an ihr Geld kommen.
Die letzte Hürde
Allerdings ist die Bankenunion noch nicht perfekt. Die gerade vereinbarten Regeln zur Bankenabwicklung müssen zunächst noch in Verträge gegossen werden. Zudem steht die Einigung mit dem Europäischen Parlament noch aus - und aus dem kommen bereits kritische Stimmen. Zwist gibt es unter anderem noch bei der Frage, auf welcher rechtlichen Grundlage die Regeln zum Fonds stehen sollen. Ziel ist es, das Thema Abwicklung bis Ende der laufenden Legislaturperiode des Europaparlaments im Mai endgültig abzuschließen. Dann stünde die Bankenunion als Ganzes.
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