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Swoboda sieht Chance für Kompromiss

Die Vereinbarungen der EU-Finanzminister zur Abwicklung maroder Banken werden bei den Beratungen mit dem Europäischen Parlament vermutlich noch in wesentlichen Punkten geändert. Der grüne Europaabgeordneten Sven Giegold sagte am Donnerstag zu Reuters, dafür spreche eine klare Beschlusslage im Wirtschafts- und Währungsausschusses.

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„Eine ganz große Koalition im Europaparlament geht auf Konfrontationskurs“, sagte er voraus. Wie auch der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Hannes Swoboda, kritisierte Giegold die Absprachen zur Abwicklungsentscheidung als zu kompliziert. Swoboda sagte im Südwestrundfunk, dem Parlament gehe es vor allem um einfache, schnelle Lösungen. Es gebe da Kompromissmöglichkeiten, sagte er, ohne das näher auszuführen.

Schulz: „Sehr weit von Parlament entfernt“

EU-Parlamentspräsident Martin Schulz mahnte am Donnerstag, dass nun „sehr lange Verhandlungen“ mit den EU-Abgeordneten anstünden. Die von den Finanzministern erzielte Einigung sei „sehr weit“ davon entfernt, was sich das Parlament gewünscht habe. „Ein System zur Rettung oder Liquidierung von Pleitebanken muss simpler und effizienter sein.“

Eine bessere Finanzierung über den (Euro-Rettungsschirms) ESM sei notwendig. Der EU-Parlamentspräsident machte aber klar, dass das EU-Parlament in diesen Fragen so rasch wie möglich einen Kompromiss mit dem EU-Ministerrat anstrebt. Das EU-Parlament sei für die Bankenunion, „wir brauchen sie so schnell wie möglich“, sagte Schulz.

„Europäische Stimme fehlt“

Giegold bemängelte, bei der nun beschlossenen Abwicklungsentscheidung fehle „die überwiegende europäische Stimme“. Dadurch bekomme der Finanzministerrat zu viel Gewicht. Auch ließen die Regeln für eine Abwicklungsentscheidung in konkreten Krisenfällen keine schnellen Entscheidungen erwarten. „Das führt zu langen Streitigkeiten statt Entscheidungen, und das ist das Letzte, was man bei Bankenkrisen braucht.“ Zudem fehle ein angemessenes Sicherheitsnetz (Backstop) für den Abwicklungsfonds, wenn der alleine die notwendigen Gelder bei Abwicklungen nicht aufbringen könne. Das könnte zu einem Glaubwürdigkeitsproblem führen.

Draghi: Wichtiger Schritt

Die Europäische Zentralbank (EZB) begrüßte die Einigung. Der Kompromiss sei ein wichtiger Schritt zur Vollendung der Bankenunion, sagte EZB-Chef Mario Draghi bei seiner Ankunft beim EU-Gipfel in Brüssel am Freitag. Er mahnte zügige Gespräche mit dem Europäischen Parlament an, um das Gesetz festzuzurren.

Die EU-Finanzminister hatten sich am Mittwochabend auf gemeinsame Regeln für die Abwicklung von pleitebedrohten Banken geeinigt. Diese Vereinbarungen müssen aber noch mit dem Europäischen Parlament abgestimmt werden. Der Einigung war ein zwölfstündiger Verhandlungsmarathon der EU-Finanzminister unter Vorsitz des niederländischen Euro-Gruppe-Chefs Jeroen Dijsselbloem in Brüssel vorangegangen.

Geldtopf wird aufgestellt

Kernstück der neuen Bankenabwicklung ist ein gemeinsamer Topf, der über zehn Jahre hinweg mit Bankengeldern aufgebaut wird. Ob und wie eine Bank abgewickelt wird, entscheidet ein neues Gremium, dem Vertreter der Mitgliedsstaaten angehören. Die EU-Kommission hat ein Vetorecht. Besonders umstritten waren unter den Ministern zusätzliche öffentliche Hilfen in der Aufbauphase des gemeinsamen Topfs. Die Finanzminister brauchten mehrere Marathonsitzungen für den Kompromiss.

Im Auftrag der Staats- und Regierungschefs

Die Bankenunion basiert auf drei Pfeilern: der Bankenaufsicht, die bereits beschlossen ist und ab November 2014 ihre Arbeit aufnehmen soll, der Bankenabwicklung und der Einlagensicherung. Die Minister hatten den Auftrag, die Einigung bis zu dem am Donnerstag beginnenden EU-Gipfel der Staats- und Regierungschefs zustande zu bringen. Denn nur so bleibt ausreichend Zeit, bis zur Europawahl im Mai auch noch eine Einigung mit dem EU-Parlament auf das neue Regelwerk zur Schließung von Pleitebanken zu erzielen.

Banken zahlen in Abwicklungsfonds ein

Künftig soll europaweit einheitlich über die Abwicklung entschieden werden. Die mehrere hundert größten und grenzüberschreitend tätigen Banken der Euro-Zone fallen direkt unter die Kontrolle einer neuen Abwicklungsagentur, die mit Vertretern der Mitgliedstaaten besetzt ist. Aus Zahlungen der Banken selbst soll zudem ein europaweiter Abwicklungsfonds aufgebaut werden. Er soll innerhalb von zehn Jahren schrittweise mit bis zu 55 Milliarden Euro gefüllt werden.

Starttermin für den Abwicklungsmechanismus und den Aufbau des Fonds ist Anfang des Jahres 2016. Dann soll auch sichergestellt sein, dass bei Bankenpleiten in der Regel zunächst Inhaber, Gläubiger und reiche Anleger einspringen anstatt wie bisher meist die Steuerzahler.

Was, wenn das Geld nicht reicht?

Lange gestritten wurde in der Runde der Finanzminister um die Übernahme der Kosten bei einer Bankenpleite, wenn diese Zwangshaftung und das Geld des Abwicklungsfonds nicht ausreichen. In der zehnjährigen Aufbauphase des Fonds soll neben nationalen Absicherungen notfalls auch der europäische Rettungsfonds ESM Mittel bereitstellen.

Die ESM-Kredite müssen nach aktueller Lage immer vom Heimatstaat der Bank beantragt werden, der dann auch für die Rückzahlung geradestehen muss. Eine direkte Bankenrekapitalisierung durch den ESM ist derzeit nicht möglich. In den Verhandlungen hatte sich der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gegen eine Lösung gewehrt, nach der sofort der Euro-Rettungsfonds angezapft werden kann.

Nach der Übergangsphase in spätestens zehn Jahren soll es dann ein gemeinsames Sicherheitsnetz für den Fall geben, dass der Abwicklungsfonds nicht ausreicht. Dazu gehört die Möglichkeit, dass sich der Abwicklungsfonds Geld leihen kann - auch das müssten die Banken aber zurückzahlen. Die genauen Bestimmungen werden aber wohl noch einige Zeit offenbleiben.

Einlagen bis 100.000 Euro gesichert

Bei Bankenschieflagen werden nun verstärkt Aktionäre und Gläubiger in die Pflicht genommen. In der Finanzkrise hatten die EU-Länder insgesamt rund 1,6 Billionen Euro in marode Geldhäuser gepumpt. Bei der Einlagensicherung einigten sich Unterhändler von EU-Staaten, Europaparlament und EU-Kommission nach jahrelangen Gesprächen in der Nacht auf Mittwoch auf einen Kompromiss. Er muss später noch von den Staaten und der EU-Volksvertretung offiziell abgesegnet werden.

Bei Bankenkrisen sollen Guthaben von kleinen Sparern in einer Höhe von bis zu 100.000 Euro komplett geschützt sein. Auf ihr Geld sollen Bankkunden künftig bereits nach sieben statt bisher 20 Werktagen zugreifen können, erklärte der EU-Parlamentsverhandlungsführer, der SPD-Europaabgeordnete Peter Simon. Mit den Auflagen will die EU auch verhindern, dass es zu „Banken-Runs“ kommt, bei denen Kunden angeschlagener Institute panisch ihr Geld abheben - und die Geldhäuser in noch größere Bedrängnis bringen.

Schäuble spottet über Spindelegger

Die Bankenunion ist zurzeit das Vorzeigevorhaben der Union. Nach der Krise wollen die EU-Staaten für mehr Vertrauen in die europäische Finanzindustrie sorgen. Als umso ungewöhnlicher wurde deshalb auch der Umstand gewertet, dass Finanzminister Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) an den entscheidenden Verhandlungen nicht teilnahm.

Wie das Ö1-Mittagsjournal am Mittwoch berichtete, sagte der deutsche Finanzminister, Wolfgang Schäuble (CDU), in Anspielung auf die Abwesenheit Spindeleggers, er habe gehört, der neue österreichische Finanzminister sei gerade erst eingeschworen worden. „Da habe ich gedacht, ich bin ja auch gerade erst eingeschworen worden. Aber gut. Das ist ‚Tu felix Austria‘ (Du glückliches Österreich, Anm.)“ - mehr dazu in oe1.ORF.at. Spindelegger ließ sich in Brüssel durch einen hohen Beamten vertreten. Als Begründung nannte er den Umstand, dass er erst seit Montag im Amt ist. Schäuble selbst wurde erst am Dienstag angelobt.

Spindelegger verteidigt sich

Spindelegger verteidigte sich in der ZIB2 am Mittwochabend. Seine Abwesenheit beim Treffen in der Euro-Gruppe am Dienstag und beim ECOFIN-Rat am Mittwoch - wie auch jene der beiden Finanzstaatssekretäre - begründete Spindelegger unter Hinweis auf die Regierungserklärung im Nationalrat damit, dass „man nicht an zwei Orten gleichzeitig“ sein könne.

Er habe die Sache mit Sektionschef Harald Waiglein, der Österreich vertrat, besprochen und ständig mit diesem telefoniert. Telefoniert hat Spindelegger auch mit Schäuble, der bei einer Pressekonferenz auf die Abwesenheit des österreichischen Finanzministers aufmerksam gemacht hat. Schäuble sei „entsetzt, was aus seiner Bemerkung geworden“ sei. Schäuble habe ihm gratuliert und versichert, er habe wirklich nicht beabsichtigt, damit die jetzigen Reaktionen auszulösen.

Österreich als Bollwerk gegen neue Regeln

Bei der Zinsbesteuerungsrichtlinie sind unterdessen die Fronten offenbar weiterhin verhärtet. Österreich und Luxemburg hatten beim EU-Finanzministerrat Anfang Dezember neuerlich eine Einigung bei der Ausweitung der Zinsrichtlinie und damit den Übergang zum automatischen Informationsaustausch vereitelt. Die anderen Staaten äußerten offen ihr Unverständnis über die anhaltende Blockade, sprachen von einer Sackgasse und drohten, dass das Thema auf dem EU-Gipfel behandelt werden sollte.

Österreich und Luxemburg argumentierten bisher damit, dass es eine Parallelität zu den Drittstaatsverhandlungen geben müsse. Konkret hieße das, dass erst bei Vorliegen einer Einigung mit den fünf Drittländern auf den automatischen Informationsaustausch auch auf EU-Ebene Einstimmigkeit möglich sei.

Wie am Mittwoch bekannt wurde, will der EU-Gipfel die Frist für eine Einigung der Finanzminister auf die Ausweitung der Zinsbesteuerungsrichtlinie nun bis Ende März 2014 verlängern. Österreich war vor allem in der Person der früheren Finanzministerin Maria Fekter (ÖVP) eine Art Bollwerk gegen die EU-Zinsbesteuerungsrichtlinie.

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