Neue Stärke für deutsche Kanzlerin
Angela Merkel ist zum dritten Mal zur deutschen Kanzlerin gewählt worden. In geheimer Wahl im deutschen Bundestag in Berlin votierten 462 der 631 Abgeordneten für die 59-Jährige, die seit acht Jahren regiert. Die SPD stellt mit Parteichef Sigmar Gabriel den deutschen Vizekanzler.
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Mit ihrer dritten Kanzlerschaft zementiert Merkel ihre Macht. Kein anderer Regierungschef der großen Länder in der Europäischen Union hat die Finanzkrise so überstanden wie Merkel. Sie wurden abgewählt. Merkel ging gestärkt daraus hervor und festigte ihren Ruf als mächtigste Frau der Welt.
Und nun erreichte sie am Dienstag das beste Ergebnis bei einer deutschen Kanzlerwahl seit 1949 - auch wenn sie da sehr von der vereinten Stärke der großen Koalitionspartner profitiert hat, die zusammen mehr als 80 Prozent der Sitze im deutschen Bundestag auf sich vereinen.

APA/dpa/Bernd von Jutrczenka
Der deutsche Präsident Joachim Gauck überreicht Merkel die Ernennungsurkunde
Schwaches Europa macht Merkel stärker
Merkels Stärke in Europa begründet sich auch durch die politische Schwäche der anderen europäischen Schwergewichte: Frankreichs Präsident Francois Holland ist innenpolitisch mehr als beschäftigt, seine Entscheidungsschwäche brachte ihn in die Bredouille.
Auch Italien und Spanien kommen innenpolitisch nicht zur Ruhe, auch hier sind die Regierungschefs Enrico Letta und Mariano Rajoy mit Krisenbewältigung in den eigenen Reihen ausgelastet. Großbritanniens Regierungschef David Cameron wiederum setzt seit einigen Monaten von internen Problemen getrieben auf einen noch schärferen Anti-EU-Kurs und nimmt sich damit selbst aus dem Spiel.
Ihre erste Auslandsreise nach ihrer Wiederwahl wird Merkel am Mittwoch nach Frankreich führen. Die deutsche Kanzlerin werde abends in Paris erwartet, so der französische Außenminister, Laurent Fabius, am Sonntag vor Journalisten. Frankreich wolle gemeinsam mit Deutschland den übrigen EU-Staaten ein Projekt vorschlagen, „dessen Ziel es ist, dass die Europäer Europa wieder lieben können“, so Fabius.
Frankreich: „Triumph für Sigmar Gabriel“
Für die in Frankreich regierenden Sozialisten ist die Regierungsbeteiligung der SPD in Deutschland ein Zeichen der Hoffnung. „Die Große Koalition geht in die richtige Richtung“, so Präsident Hollande bereits Ende November. Französische Medien feiern vor allem Vizekanzler Gabriel als Sieger. „Das ist ein Triumph für Sigmar Gabriel“, so etwa die linksliberale „Liberation“.
„Nach der dritten Niederlage der SPD am 22. September gegen Merkel hat Gabriel alles richtig gemacht“, lobt auch „Le Monde“. Doch Gabriel stünde die schwierigste Aufgabe noch bevor. „Er muss Merkel gegenüber flexibel genug auftreten, um die Deutschen nicht zu verprellen, die für Kompromisse sind. Er muss aber auch entschieden genug sein, um in den nächsten vier Jahren die richtigen Entscheidungen zu treffen. Denn die Schlacht um (die Wahlen, Anm.) 2017 hat schon begonnen - und es sieht so aus, als wolle Gabriel dabei nicht die zweite Geige spielen.“
Italien: „Keine Erwartungen, keine Enttäuschungen“
In der linksliberalen römischen Tageszeitung „La Repubblica“ (Dienstag-Ausgabe) hieß es, auf der dritten Regierung der Angela Merkel ruhten europäische Hoffnungen: „Große Überraschungen hat es nicht gegeben, aber auch die Erwartungen waren nicht groß. Also kann das Deutschland der Regierung ‚Merkel 3‘ uns Europäer nicht enttäuschen.“ Auch in Italien setzt man auf die Beteiligung der SPD: „Dass die Sozialdemokraten (...) jetzt in der Regierung vertreten sind, öffnet einen Spalt. Wie groß dieser ist, werden wir bald erfahren.“
Luxemburg: „Alle Zeichen auf Kontinuität“
Das „Luxemburger Wort“ erwartet von der Großen Koalition in Deutschland keine wesentliche Kursänderungen - aber doch neue Duftmarken. Die Zeitung kommentiert am Dienstag: "Das Zugehen der Union auf die SPD bei Themen wie Mindestlohn und Rentenansprüchen nährt die Erwartung, dass künftig soziale Fragen auch auf EU-Ebene stärker in Berlin Gehör finden.
Doch sollten die EU-Partner nicht allzu große Hoffnung hegen. Gegenüber den Krisenländern Griechenland, Zypern und Portugal wird Berlin finanzpolitisch wohl auch künftig wenig Nachgiebigkeit zeigen - zu Recht." Insgesamt spreche viel für Kontinuität in der deutschen Europa- und Außenpolitik - mag die SPD auch Duftmarken setzen, so die Zeitung.
GB: „Sparmeister Schäuble zurück auf dem Thron“
Der britische „Guardian“ kommentierte die Fortsetzung der Ära von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU): „Schäuble ist auf seinem Thron zurück. Seinen Befehlen wird man nicht nur in Berlin, sondern auch in Brüssel folgen.“ Für die schwer angeschlagenen Krisenländer sei das ein Alptraum. Der 71-Jährige gilt als gnadenloser Sparkommissar und hat sich mit seinem harten Sparkurs in Krisenländern wie Spanien, Italien, Griechenland und Portugal in den letzten Jahren unbeliebt gemacht.
Russland hofft auf Stabilisierung
Moskau hofft auf eine Stabilisierung der Beziehungen mit Deutschland - auch im Verhältnis zwischen Kreml-Chef Wladimir Putin und Merkel, sieht jedoch keine unmittelbaren Änderungen kommen. „Angela Merkel führt die erneuerte Regierung Deutschlands. Von ihrem Kabinett wird vor allem erwartet, dass die Wirtschaft auf Kurs bleibt sowie Renten und Steuern neu verteilt werden. Ein grundlegender Wandel in den Beziehungen zu Russland ist allerdings nicht zu erwarten,“, so die russische Tageszeitung „Kommersant“.
Spekulationen um neuerliche Kandidatur 2017
Die 59-jährige CDU-Vorsitzende Merkel regiert Europas größte Volkswirtschaft seit November 2005. Damals kam die promovierte Physikerin als erste Frau und Ostdeutsche in das Regierungsamt. Während ihrer ersten Amtszeit stand sie ebenfalls an der Spitze einer schwarz-roten Großen Koalition. Von 2009 bis 2013 regierte sie in einem schwarz-gelben Bündnis mit den Liberalen (FDP).
Und schon kurz nach ihrer Wiederwahl kochen die Spekulationen um eine erneute Kandidatur Merkels 2017 hoch. „Halbzeit“ titelte etwa die Berliner „tageszeitung“ (Dienstag-Ausgabe) mit ironischem Unterton in Anspielung auf Helmut Kohls 16-jährige Regierungszeit (1982 bis 1998) und zeigte ein Foto von Merkel in einem Goldrahmen. Auch in CDU-Kreisen wird Merkel als politische Hochleistungssportlerin - deren Kondition, Ehrgeiz und Gestaltungswillen sehr viel weiter reichen dürften als für die nächsten zwei Jahre - gesehen. Es wird durchaus für möglich gehalten, dass Merkel auch 2017 wieder antritt und mit Kohl gleichzieht.
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