Was die Regierung plant
Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) übernimmt das Unterrichtsministerium von Claudia Schmied (SPÖ). Im Schulbereich nimmt sich die Regierung vor, künftig die Zahl der verschränkten Ganztagsschulen anzuheben, wie aus dem Regierungsübereinkommen, das am Freitag von SPÖ-Chef Kanzler Werner Faymann und ÖVP-Chef Vizekanzler Michael Spindelegger präsentiert wurde.
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An jedem Standort mit mehr als einer Jahrgangsklasse bzw. „in zumutbarer Entfernung“ soll es eine Klasse geben, die nach diesem Modell geführt wird - sobald etwa 15 Schüler dafür angemeldet werden. Ergriffen werden soll auch ein Schritt hin zur Abschaffung der Sonderschulen, dazu sollen Modellregionen konzipiert und die bestehenden Sonderschulen weiterentwickelt werden. Außerdem geplant ist, den Schulen künftig mehr Autonomie zu ermöglichen.
Experten: Reform abgesagt
Experten gehen diese Vorhaben allerdings nicht weit genug. Die große Bildungsreform sei abgesagt, so der Tenor. SPÖ und ÖVP hätten sich bei der Bildung einfach zu wenig getraut, sagt die Vorsitzende der Initiative „Bildung grenzenlos“ und frühere AHS-Direktorin, Heidi Schrodt im Ö1-Mittagsjournal am Samstag.
Und das gelte auch für das Prestigeprojekt der Regierung, den Ausbau der Ganztagsschulen. 400 Millionen Euro will die Koalition in den nächsten fünf Jahren in Ganztagsplätze investieren, das hat bereits die alte rot-schwarze Regierung mit den Ländern vereinbart. 200.000 Nachmittagsplätze sollen es bis 2018 sein - für ein Fünftel aller Schülerinnen und Schüler also - mehr dazu in oe1.ORF.at.
Spiel: „Gemeinsame Schule“ nicht in Programm
Auch für die Wiener Bildungspsychologin Christiane Spiel gehen die Pläne bei Ganztagsschulen nicht weit genug. Vor allem Kinder, die zu Hause nicht gefördert werden, würden davon profitieren, wenn sie länger in der Schule blieben, sagt Spiel. Dort könnten sie zum Beispiel das sinnerfassende Lesen und Mathematik üben.
Positiver bewertet die Expertin das Regierungsprogramm im Hinblick auf die Kleinsten. Zwischen dem letzten Kindergartenjahr und den ersten beiden Schuljahren sollen Kinder, aber auch Lehrer und Betreuer leichter hin- und herwechseln können, zum Beispiel für gemeinsame Projekte. Diese flexiblen Übergänge findet Spiel gut. Mit der Tatsache, dass sich die Regierung hingegen nicht auf eine Gesamtschule der Zehn- bis 14-Jährigen geeinigt hat und die „gemeinsame Schule“ nicht einmal in ihrem Programm vorkommen lässt, habe sie für weitere fünf Jahre eine große Chance vertan.
Außer einer gemeinsamen Schule vermissen die Expertinnen vor allem zwei Vorhaben im Koalitionspakt: eine echte Schulautonomie, bei der zum Beispiel der Direktor seine Lehrer allein aussucht, und eine entpolitisierte Schulverwaltung mit Bildungsdirektionen statt der Landesschulräte.
Häupl: Mit ÖVP nicht zu machen
Das Koalitionsprogramm in Sachen Schulreform sorgte auch SPÖ-intern für Aufregung. Er hätte auch gerne die gemeinsame Schule im Regierungsprogramm gehabt, so der Wiener Bürgermeister und SPÖ-Landesparteichef Michael Häupl. Das sei aber eben mit der ÖVP nicht zu machen gewesen.
Der am Donnerstag zurückgetretene SPÖ-Bildungssprecher Elmar Mayer schlägt in eine ähnliche Kerbe. Er war zwar bei den Verhandlungen in der Untergruppe zum Bildungskapitel dabei und geht davon aus, dass die Gesamtschule auch danach mit entsprechender Vehemenz eingefordert wurde. Offensichtlich sei der Widerstand des ÖVP-Vorsitzenden Spindelegger aber so stark gewesen, dass die SPÖ im endgültigen Regierungsprogramm nicht einmal „die Türe einen Spalt aufmachen konnte“.
Mayer verweist auf ÖVP-Landeshauptleute
Dabei sei er angesichts des Bildungsvolksbegehrens, der Unterstützung der Sozialpartner und Initiativen der ÖVP-Landeshauptleute in Salzburg, Tirol und Vorarlberg in Sachen Gesamtschule auch wirklich von einer Chance auf deren Umsetzung überzeugt gewesen - und habe das im Wahlkampf auch „vielleicht ein bisschen großspurig“ angekündigt, so Mayer.
Nachdem er den politischen Alltag aber kenne, sei ihm klar, dass ohne Festschreibung im Regierungsprogramm bei der ÖVP keine Bewegung zur Gesamtschule möglich sei. „Deshalb habe ich gesagt: Unter diesen Voraussetzungen will ich nicht mehr Bildungssprecher sein.“ Er bleibe aber im Unterrichtsausschuss und auch Abgeordneter.
Lob für Pläne für Kleine
Gleichzeitig verteidigte Mayer das Bildungskapitel als solches: „Da sind viele Bereiche drinnen, die ich unterstützen und unterstreichen kann. Aber für mich persönlich fehlt das Herzstück der gemeinsamen Schule.“ So lobte er die Pläne im Bereich der Frühpädagogik, der besseren Übergänge von Kindergarten zu Volksschule und der ganztägigen Betreuung - auch wenn hier auf Druck der ÖVP weiterhin kein deutlicher Schwerpunkt auf die „echte“ Ganztagsschule mit einem Wechsel von Unterricht, Lern- und Freizeit verankert worden sei.
Harald Walser, Bildungssprecher der Grünen, streute seinem Landsmann zum Abschied Rosen: „Ich bedauere das, denn Mayer hat in den wesentlichen Punkten die richtigen Positionen vertreten. Er ist schlussendlich an seiner eigenen Partei gescheitert.“ Der Rücktritt des bisherigen Bildungssprechers sei „ein Symptom für die darniederliegenden bildungspolitischen Ambitionen der SPÖ“.
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