Militärrevolten, Putsche, Staatsstreiche
Viel ist über die Zentralafrikanische Republik (ZAR) gemeinhin nicht bekannt. Über die geografische Lage gibt der Name Auskunft, über die seit Jahrzehnten herrschende Instabilität wird dann mehr bekannt, wenn es zu neuer Gewalt kommt. Derzeit terrorisiert eine muslimische Rebellengruppe das Land. Faktisch geht es um Interessen und Einfluss, die gegenwärtige Eskalation spielt sich unter dem Deckmantel religiöser Bekenntnisse ab.
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Bereits die nähere Geschichte zeigt die grundlegende politische Instabilität der ZAR auf. Denn seit März ist dort die Rebellenallianz Seleka an der Macht, Kern der paramilitärischen Formation sind muslimische Volksgruppen. Die Allianz scheint nach außen hin wenig homogen, sie setzt sich aus mehreren Rebellenbewegungen bzw. Teilen ehemaliger Rebellengruppen aus dem Nordosten der ZAR zusammen. Doch - wie bereits oft in der Geschichte des Binnenlandes - kam das Unheil auch aus den Nachbarstaaten auf den labilen Staat zu.
Blutige Raubzüge der Seleka
Einige der Anführer der Seleka kamen offenbar aus dem benachbarten Tschad bzw. aus dem Sudan ins Land, wo sie entweder im Exil oder im Gefängnis saßen. Doch die Seleka wird als effiziente Kampftruppe beschrieben, die sehr gut ausgerüstet der zentralafrikanischen Armee (FACA) in jeder Hinsicht überlegen ist. Profitiert von der Schlagkraft der Seleka hat der seit März an der Spitze der ZAR stehende Präsident Michel Djotodia, der sich mit Hilfe der Rebellen ins Präsidentenamt putschte - Staatschef Francois Bozize musste ins Ausland flüchten.
Damit verschlimmerte sich die Lage im Land drastisch: Es kam zu Plünderungen, unzähligen Morden und systematischen Vertreibungen. Das wurde dann sogar dem Putschpräsidenten Djotodia zu viel: Er versuchte, die Seleka aufzulösen, scheiterte aber. Der frühere Anführer der Allianz hat keinen Einfluss mehr - die Seleka geht nach Belieben gegen jene vor, die sich gegen sie stellen: Zivilisten werden getötet, Kinder im Kampf gegen Christen bzw. die regierungsnahen Milizen zwangsrekrutiert, und Häuser, Schulen und Krankenhäuser werden zerstört, wie die NGO Human Rights Watch berichtete.

Reuters/Joe Penney
Das Ministerium für Minen, Öl- und Energie - die ZAR hat sehr viele Bodenschätze, viele Gruppen wollen deswegen ihren Einfluss stärken
Zivilisten zwischen den Fronten
Doch es gibt kämpferische Gegenwehr - Konfliktgegner sind etwa die Anti-Balaka (Gegen die Macheten), die dem gestürzten Präsidenten nahestehen. Sie bildeten sich vor einigen Monaten zur organisierten Selbstverteidigung gegen die räuberischen Beutezüge von Seleka-Rebellen. Die Anti-Balaka verstehen sich, wie die Bezeichnung sagt, als Konterrevolutionäre, und sie sollen Zulauf durch versprengte Angehörige der ehemaligen Sicherheitsdienste von Präsident Bozize erhalten.
Zudem in den blutigen Kampf gegen die Seleka involviert sind auch eine Vielzahl christlicher Bürgerwehren - etwa die Hälfte der Bevölkerung der ZAR sind Christen. Der sunnitische Islam wird von etwa zehn Prozent der Bevölkerung praktiziert, allerdings mit zunehmender Tendenz. Zwischen den blutigen Kämpfen steht die Zivilbevölkerung, die Gewaltakten von beiden Gruppen ausgesetzt ist, wie Opfer der UNO bereits berichteten.
Konflikt unter Einfluss von Religion
Was nach außen dringt, ist nichts als Zynismus: „Wir haben die unschuldigen Bürger aus Vergeltung für die Morde getötet, die christliche Kämpfer an unseren Leuten begangen haben“, sagte ein Seleka-Mitglied kürzlich. Das Ausmaß ist enorm: Hunderttausende Menschen wurden seit März vertrieben, täglich kommen aus der Hauptstadt Bangiu neue Schreckensmeldungen über Massaker an Muslimen oder Christen. Tausende Einwohner suchen in Bangui in Kirchen und Krankenhäusern Schutz, Muslime flüchten in Moscheen.
Dass zuletzt ein Massaker bei einer Moschee verübt wurde, verweist auf die zunehmend konfessionelle Färbung des Konflikts, vor der ausländische Beobachter seit einigen Wochen warnen. Mit einer militärischen Intervention versucht Frankreich nun, eine drohende humanitäre Katastrophe in letzter Minute zu verhindern. Der UNO-Sicherheitsrat ließ zuvor einstimmig einen militärischen Eingriff zu.

Reuters/Joe Penney
Frankreich greift erneut in der Zentralafrikanischen Republik ein
Staatsstreiche und Militärrevolten
Auch in der ferneren Vergangenheit prägten Putsche das Geschehen in der ehemaligen französischen Kolonie. Vor der Kolonialisierung terrorisierten arabische Sklavenhändler weite Teile der Bevölkerung. Auch im Zuge der Kolonialisierung nahm das Leid der Menschen nicht ab, es herrschte bittere Armut, Gesundheitsprobleme und Mangelernährung grassierten. Die Kolonialisierung von Oubangui-Chari (so der damalige Name der heutigen ZAR) war eine der brutalsten des gesamten Kontinents. Auch mit der Unabhängigkeit 1960 ging es mit dem Land nicht bergauf.
Immer wieder gab es Staatsstreiche und Militärrevolten - stets versuchten Gruppen, sich Einfluss und Macht zu sichern, besonders im Hinblick auf die reichen Vorkommen an Diamanten, Gold und Uran. Zeitweise kam es zu grotesken Praktiken im machtbesessenen Selbstverständnis der Eliten. In den 1970er Jahren wurde die ZAR gar zur Monarchie umfunktioniert - der damalige Präsident Jean Bedel Bokassa ließ sich nach seinem Vorbild Napoleon als Bokassa I zum Kaiser krönen. Selbst das war nicht besonders nachhaltig - drei Jahre später wurde er geputscht, Frankreich hatte militärisch eingegriffen.
Durchlässige Grenzen
Aufgrund der zu keinem Zeitpunkt stabilen Verhältnisse war die Kontrolle der Grenzen für den Binnenstaat kaum möglich, was Rebellen aus den benachbarten Staaten stets die Türen in die ZAR offen hielt. Für die Stabilität des Landes war das zu jeder Zeit ein gravierendes Problem, schließlich landeten auch aus Krisenherden wie der Demokratischen Republik Kongo und dem Sudan (bzw. dem heutigen Südsudan) sowie aus dem ferneren Uganda (Kämpfer der Lord Resistence Army) vertriebene Rebellen in der ZAR und versuchten dort um Einfluss zu kämpfen - die Zivilbevölkerung leidet bis in die Gegenwart darunter.
Ferner gilt die medizinische Versorgung für die rund fünf Millionen Einwohner als katastrophal. Das Land hat mit einer durchschnittlichen Lebenserwartung von 48 Jahren einen der niedrigsten Werte aller Staaten sowie die fünfthöchste Todesrate durch Infektionskrankheiten und parasitäre Erkrankungen. Infrastruktur gibt es so gut wie keine, die Wasser- und Stromversorgung ist äußerst prekär. Jedes fünfte Kind unter fünf Jahren leidet an Untergewicht.
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