Themenüberblick

„Sehr nützliche“ Daten

74.000 Pfund (84.932 Euro) hat sich die britische Stadt Slough die Partnerschaft mit der Firma Bluesky kosten lassen. Der Spezialist für Geodata-Luftaufnahmen lieferte dafür eine Wärmebildkarte der kompletten Stadt. Damit will der Stadtrat des industriellen Vorpostens von London nun auf die Suche nach Steuerhinterziehern gehen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Ein zweistündiger nächtlicher Überflug im März reichte, um das detaillierte Infrarotbild der Stadt zu erstellen, mit der bekannten Farbskala von violett/blau (keine Hitzeabstrahlung) bis rot (hohe Hitzeabstrahlung). Diese Karte wurde daraufhin mit der regulären Katasterkarte verschmolzen - und zeigte viele rote Flecken, die mit den Grundrissen der offiziell errichteten Häuser übereinstimmten, aber auch sehr viele, wo keine Gebäude stehen dürften.

Auf der Suche nach dem roten Viereck

Die Schlussfolgerung der Gemeindevertreter: Überall wo - vor allem rechtwinkelige - Hitzepole ohne dazupassender Baugenehmigung zu sehen waren, lebt vermutlich jemand: sei es in umgewandelten Gartenschuppen oder in zur Gänze widerrechtlich errichteten Gebäuden. Nach Auswertung der Daten geht Slough von 6.350 illegalerweise bewohnten Gebäuden aus, berichtete zuletzt die britische Zeitung „Daily Mail“.

Luftaufnahme der englischen Stadt Slough

Bluesky International Limited

Eine konventionelle Luftaufnahme von Slough

„Die Rohdaten, die wir von Bluesky bekommen haben, sind sehr nützlich, da wir damit eine genaue Zahl der Nebengebäude in der Gemeinde haben, die wir untersuchen müssen“, erklärte der Stadtratsverantwortliche, Ray Haslam, gegenüber der Zeitung. Man wolle „keine vorschnellen Schlüsse ziehen, dass sie alle als Wohnfläche genützt werden, aber das ist sicherlich ein guter Ausgangspunkt - und wir haben schon mit Untersuchungen begonnen“.

Strafen, Abrissbescheide, Steuereinnahmen

Die hohe Zahl vermutlich illegaler Bauten dürfte den Stadtrat selbst überrascht haben. Bisher ging man von etwa 3.000 aus. Slough selbst hat etwa 152.000 Einwohner. Die 32 Kilometer westlich von London gelegene Gemeinde ist von Industrie geprägt: Zahlreiche Großkonzerne haben neben ihrem Londoner Hauptquartier dort ihre britischen Produktions- und Lagerstätten - von Amazon über Black & Decker und Reckitt Benckiser bis hin zu Lego und Mars Inc.

Die Eigentümer widerrechtlicher Bauten müssen mindestens mit 200 Pfund Strafe rechnen. Darüber hinaus müssen sie ihre Gebäude im Nachhinein inklusive aller Genehmigungsschritte legalisieren oder abreißen lassen. Vor allem aber müssen für Mieter ab nun die entsprechenden Kommunalsteuern gezahlt werden. Der Stadtrat freilich will allein aus Sorge um die Lebensbedingungen und die Sicherheit der dort wohnenden „U-Boote“ gehandelt haben.

Eine „Umweltschutzmaßnahme“

Einen Aufschrei der örtlichen Bevölkerung, weil die Stadtverwaltung in ihren Hinterhöfen herumschnüffelt, gab es bisher nicht. Die Gemeinde baute auch dementsprechend vor und unterstrich, dass die illegal in Slough wohnenden Menschen die Infrastruktur der Stadt genau so in Anspruch nähmen wie alle anderen, sich aber nicht an den Kosten beteiligten. Ganz wohl dürfte der Stadt bei der Bespitzelungsaktion aber doch nicht gewesen sein.

Slough versteckt die Maßnahme im Umweltschutzressort, im Webauftritt der Stadt findet sich kein Wort darüber. Auch bei Bluesky dürfte sich der Stolz über die Spionageflüge in Grenzen halten. Bei ihrer Internetpräsenz verweist die Firma lieber auf Geodata-Überflüge, die Bauern Hinweise zur bestmöglichen Bewässerung ihrer Felder geben, die britische Bergbaugeschichte erhellen und einen luftigen Blick auf die Tour-de-France-Strecke erlauben.

Stadtverwaltung sieht sich in der Pionierrolle

Trotzdem ist man in Slough überzeugt, dass man Pionierarbeit geleistet hat, der andere bald folgen werden. Die Stadtverwaltung verweist darauf, dass auch Polizei, Feuerwehr, Heimatschutzamt (Home Office) und die nationale Steuerbehörde (HMRC) an dem Projekt beteiligt sind und es auch finanziell unterstützen. Ob sich die Aktion für die Stadtkassa bezahlt macht, bleibt abzuwarten: Die Stadt rechnet als Folge des „Luftschlags“ letztlich mit Hunderten zumindest kurzfristig Obdachlosen in der Stadt.

Lukas Zimmer, ORF.at

Links: