Weitere Sturmflut erwartet
Der Orkan „Xaver“ hat den Norden Europas mit großer Wucht getroffen. Das Unwetter mit gefährlichen Böen und Schnee im Gepäck legte am Donnerstag das Leben von Millionen Menschen lahm. Der Orkan forderte bereits drei Menschenleben.
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In Schottland starb ein Fahrer eines Lastwagens, als dieser umkippte. In der englischen Grafschaft Nottinghamshire tötete ein umstürzender Baum einen Mann in einem Park. In Dänemark kostete der Orkan eine 72 Jahre alten Frau das Leben. Sie sei Beifahrerin in einem Van gewesen, den der heftige Wind am Donnerstag von einer Straße bei Holstebro in Jütland geblasen habe, berichtete die Nachrichtenagentur Ritzau. Darauf sei der Wagen mit der Seniorin und ihrem Sohn umgestürzt. Zufällig seien Streifenpolizisten vorbeigekommen, die die 72-Jährige aus dem Auto befreiten. Noch im Rettungswagen auf dem Weg ins Krankenhaus sei sie gestorben.
Zwei Seeleute vermisst
Bei stürmischer See gingen am Donnerstag vor Südschweden zwei Männer über Bord und werden seitdem vermisst. Sie waren auf einem niederländischen Frachtschiff vor Ystad unterwegs, als das Unglück passierte. Trotz großangelegter Suche blieben die beiden zunächst verschwunden.

APA/AP/Andrew Milligan
In den schottischen Highlands war das erste Todesopfer zu beklagen
Am Nachmittag waren in Schottland 100.000 Häuser ohne Strom, am Abend waren es noch rund 60.000. In England rieten die Behörden Tausenden Menschen in Küstenregionen in Norfolk, Suffolk and Essex, ihre Häuser zu verlassen. Auch in Belgien wurden knapp 2.100 Menschen in der belgischen Küstengemeinde Bredene vorsorglich in Sicherheit gebracht. Sie leben in der Nähe des Kanals zwischen Ostende und Brügge und seien deshalb besonders von den Fluten gefährdet, berichtete die Nachrichtenagentur Belga.
Verkehrschaos in Skandinavien
Große Teile des Verkehrs in der südschwedischen Region Schonen und in Dänemark standen am Donnerstag still, als „Xaver“ über Nordeuropa wütete. Züge fuhren dort gar nicht mehr, die großen Brücken waren für den Verkehr gesperrt. Im dänischen Fredericia waren am Donnerstag nach Angaben des Rundfunksenders DR wegen einer geschlossenen Brücke 400 Zugreisende gestrandet.
Von den Flughäfen in der dänischen Hauptstadt und in Billund hoben am Abend vorerst gar keine Maschinen mehr ab. Erst Freitagfrüh sollte der Flugbetrieb in Kopenhagen wieder aufgenommen werden. Mehrere Theater in der Hauptstadt sagten Vorstellungen ab. Etliche Weihnachtsbäume - darunter ein riesiger Baum auf dem Rathausplatz - kippten um. Ständig heulten Sirenen. In vielen Häusern im südlichen Skandinavien blieb es am Abend dunkel. Dem Rundfunksender SVT zufolge waren in Südschweden 20.000 Menschen ohne Strom.

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Der Sturm erreichte am Donnerstag Deutschland, hier Dagebüll in Nordfriesland
In den Niederlanden kam der Zugsverkehr teilweise zum Erliegen. Auf anderen Strecken gab es Verspätungen, unter anderem auf Strecken des Hochgeschwindigkeitszugs Thalys, der Amsterdam mit Brüssel und Paris verbindet. Im Rotterdamer Hafen wurde der Containerumschlag vorläufig eingestellt. Der Sturm traf vor allem den Norden des Landes.
Auch die russische Ostsee-Exklave Kaliningrad um das ehemalige Königsberg bereitete sich auf das Unwetter vor. So wurde dort der Schulunterricht für diesen Freitag aus Sicherheitsgründen abgesagt. „Die Windgeschwindigkeit kann 30 Meter pro Sekunde erreichen - das ist ein gefährlicher Orkan“, sagte ein Behördensprecher der Agentur ITAR-TASS. Die westlichste Region Russlands erließ eine Sturmwarnung. Die baltische Flotte war in Alarmbereitschaft.
„Sehr schwere Sturmflut“ in Hamburg erwartet
Das Orkantief erreichte am Donnerstagmittag auch die deutsche Nordsee-Küste und wütete zunächst mit Böen von um die 120 km/h - am frühen Abend waren es in List auf Sylt 133 km/h. Der Westen Schleswig-Holsteins überstand die erste Phase des Unwetters nach frühen Behördeneinschätzungen glimpflich. In der Nacht zum Freitag wurde dort noch eine sehr schwere Sturmflut erwartet.

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Der Hamburger Fischmarkt stand bereits am ersten Tag des Sturms unter Wasser
Nördlich der Linie Hannover, Münster und Berlin mussten sich die Menschen gegen tückische Böen wappnen. Richtung Süden sollte der orkanartige Wintereinbruch ab 1.000 Metern Höhe kommen. In Hamburg rechnete das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) mit einer Serie von Sturmfluten. Die Behörden warnten am Donnerstagabend vor einer „sehr schweren Sturmflut“ Freitagfrüh gegen 06.30 Uhr in Hamburg. Das Hochwasser soll mit etwa 5,60 Metern über Normalnull am Pegel im Stadtteil St. Pauli eintreten, wie die Hamburger Innenbehörde unter Berufung auf das BSH mitteilte. „Tief liegende Gebiete im Hafen und an der Elbe“ sollen „rechtzeitig“ verlassen werden.
Halligen melden „Land unter“
Die nordfriesischen Halligen meldeten schon am frühen Donnerstagnachmittag „Land unter“. Inseln waren vom Festland abgeschnitten, die Fähren stellten den Betrieb ein. Auch in Richtung Helgoland ging nichts mehr. Im Westen Mecklenburg-Vorpommerns wurden Bäume umgerissen. Die Polizei warnte angesichts vorhergesagter Orkanspitzen bis 140 km/h vor Fahrten mit dem Auto.
Auch an Flughäfen wie München, Düsseldorf oder Köln/Bonn wirkte sich der Sturm aus. In Hamburg wurden bis zum Abend fast alle Starts und Landungen gestrichen. Auch für Freitag gab es weitere Absagen. Betroffen war auch die Verbindung nach Wien, Ausfälle waren auf der Website des Flughafens Wien-Schwechat verzeichnet. Passagieren wurde geraten, sich über den Flugstatus zu informieren.
Weihnachtsmärkte machen dicht
Den Bahnverkehr bremste der Sturm ebenfalls aus: Auf mehreren Strecken, etwa in Schleswig-Holstein, wurde die Geschwindigkeit von Dieseltriebwagen gedrosselt. Der „Sylt Shuttle“ fuhr nicht mehr. Züge zwischen Kiel und Eckernförde sowie Kiel und Lübeck fielen aus. In Schleswig-Holstein und Hamburg ist auch am Freitag schulfrei, ebenso an den staatlichen Schulen in Mecklenburg-Vorpommern.
Weihnachtsmärkte waren vielerorts geschlossen oder machten vorzeitig dicht - etwa in Hamburg, Kiel, Lübeck, Schwerin und Rostock, aber auch im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen. Zahlreiche Veranstaltungen wurden abgesagt. In Hamburg wurden für Freitagfrüh die höchsten Wasserstände der Elbe erwartet. Der Fischmarkt steht bereits unter Wasser. Außergewöhnlich große Schiffe durften weder in die Elbe einlaufen noch den Hamburger Hafen verlassen. Im Fährverkehr konnten mehrere Anleger nicht mehr angesteuert werden - etwa am Fischmarkt oder der Elbphilharmonie. In Niedersachsen stellten die Reedereien ihre Verbindungen vom Festland zu den ostfriesischen Inseln weitgehend ein.
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