„Schlüsselprinzipien“ der EU ignoriert
Die bilateralen Abkommen, die Österreich, Bulgarien, Ungarn, Griechenland, Slowenien, Kroatien und Serbien mit Russland zur Errichtung des Gaspipeline-Projekts „South Stream“ geschlossen haben, verstoßen nach Angaben der EU-Kommission gegen EU-Recht. Die knapp 2.400 Kilometer lange Pipeline verläuft durch das Schwarze Meer über Bulgarien, Serbien, Ungarn und Slowenien nach Italien.
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Eine Sprecherin von EU-Energiekommissar Günther Oettinger sagte am Donnerstag in Brüssel, die Kommission erwarte, dass mit Moskau neu verhandelt werde. Für den Fall, dass Russland diese bilateralen Abkommen nicht neu verhandeln wolle, ersuche die Kommission die EU-Staaten, die Abkommen nicht anzuwenden. Andernfalls könnte die EU-Behörde Vertragsverletzungsverfahren gegen die betroffenen Länder starten.
„Wir werden nicht den Bau der Pipeline stoppen“, sagte Sprecherin Marlene Holzner. Entscheidend sei der Beginn der Inbetriebnahme des Projekts. Dann müssten alle Bestimmungen mit EU-Recht im Einklang stehen.
EU: Nicht nur russisches Gas durchfließen lassen
In den bilateralen Vereinbarungen seien „Schlüsselprinzipien“ der EU nicht berücksichtigt, sagte die Sprecherin. Ein in den Abkommen von der EU-Kommission beanstandeter Punkt ist das Unbundling. So sollte nicht ein Unternehmen die Pipeline besitzen, das Gas importieren und die Tarife festsetzen. In Teilen der Abkommen werde festgehalten, dass der staatliche russische Energiekonzern Gasprom die Pipeline managen wird. „Das wäre nicht im Einklang mit der bestehenden europäischen Gesetzgebung für neue Pipelines.“

Reuters/Stoyan Nenov
Gasprom-Chef Alexej Miller plant, das erste Gas auf der Strecke unter dem Schwarzen Meer im Dezember 2015 nach Bulgarien fließen zu lassen
Der zweite Punkt sei der Zugang von Dritten, die Pipeline müsse auch offen für deutsche, französische und andere Gaskonzerne sein. Nach den Abkommen sei „diese Pipeline tatsächlich für russisches Gas“. Auch die Preisgestaltung für die Verwendung der Pipeline wäre nach den Abkommen Sache von Gasprom, während die Tarife laut EU-Recht von einem unabhängigen Netzbetreiber vorgeschlagen und vom Regulator bestätigt werden müssten.
Gasprom „überrascht und enttäuscht“
Gasprom zeigte sich am Freitag „überrascht und enttäuscht“ über die Kritik der EU-Kommission. Der Konzern beanstandete in einer Presseerklärung, „dass die EU-Kommission ihre Bedenken erst jetzt äußert, nachdem die Bauarbeiten begonnen haben“. „Dieses unglückliche Timing ist umso unverständlicher vor dem Hintergrund, dass South Stream in mehreren EU-Mitgliedsstaaten nationalen Prioritätsstatus erhalten“ habe, kritisierte Gasprom.
Der Bau der Pipeline werde wie geplant weitergehen - „in vollem Einklang mit den örtlichen Gesetzen und internationalen Standards“. Ausstehende regulatorische Fragen zur Anwendung der EU-Energiegesetzgebung könnten parallel geklärt werden. Erfahrungen bei der Vereinbarung mit der EU zur Nord-Stream-Pipeline könnten dahingehend genutzt werden.
Bau in Russland, Bulgarien, Serbien bereits im Gange
Durch die „South Stream“-Pipeline soll russisches Gas unter Umgehung der Ukraine nach Europa fließen. Der Unterwasserabschnitt der Gasleitung verläuft durch das Schwarze Meer, durch türkische Hoheitsgewässer und endet in Bulgarien. Von Bulgarien aus fließt das Gas weiter über Serbien, Ungarn und Slowenien bis nach Tarvis in Norditalien. In Russland, Bulgarien und Serbien hat der Bau bereits begonnen.
Bulgarien wolle die EU-Kritik eingehend untersuchen, versicherte die bulgarische Europaabgeordnete der regierenden Sozialisten, Iliana Jotowa, am Donnerstag in einer ersten Stellungnahme. Ihr zufolge will sich die sozialistisch geführte Regierung in Sofia bedingungslos an die EU-Gesetze halten.
Bulgarien bereit, Ungereimtheiten zu bereinigen
„Sollten tatsächlich Ungereimtheiten festgestellt werden, sind wir bereit, diese gemeinsam zu bereinigen“, sagte die sozialistische Abgeordnete. Die Regierung in Sofia wolle keinesfalls die Energiegesetze der EU neu verhandeln lassen. Jotowa räumte eine fehlende Analyse der Verträglichkeit des bulgarischen Gasvertrags mit Russland mit den EU-Gesetzen ein. „Dennoch sehe ich keinen Grund zur Sorge“, betonte Jotowa.
Die Bauarbeiten für die Erdgasleitung „South Stream“ auf bulgarischem Gebiet begannen Ende Oktober während eines überraschenden Besuchs von Gasprom-Chef Alexej Miller in Sofia. Die als russlandtreu geltende bulgarische Regierung hat stets bekräftigt, dass „South Stream“ für sie oberste Priorität habe.
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