Sturmspitze für Freitagfrüh erwartet
Der Orkan „Xaver“ hat schon zu Beginn seines Weges durch Nordwesteuropa am Donnerstag alle Vorhersagen über die Auswirkungen in den Schatten gestellt. Statt prognostizierter Sturmspitzen von rund 145 km/h rechnete man am Donnerstagnachmittag mit Windgeschwindigkeiten von um die 160 km/h. In Schottland wurden Spitzen von 225 km/h gemessen, die auch ein Menschenleben forderten.
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Ein Lastwagenfahrer starb, nachdem ein Windstoß sein Fahrzeug erfasst hatte und es umkippte. Insgesamt vier weitere Menschen wurden verletzt, als der Lkw vom Wind auf andere Autos geworfen wurde. Am frühen Donnerstagabend wurde ein zweites Todesopfer in Großbritannien gemeldet. Ein Mann starb in einem Park in der Grafschaft Nottinghamshire in der Mitte Englands, nachdem ein Baum auf ihn gefallen war.
Zwei Tote in Großbritannien
In Schottland waren am Nachmittag 100.000 Häuser ohne Strom. Straßen und Brücken waren gesperrt, der komplette Zugsverkehr in Schottland war eingestellt. Sturm und Regen zogen weiter Richtung Südengland. Tausenden Menschen in Küstenregionen in Norfolk, Suffolk and Essex rieten die Behörden, ihre Häuser wegen möglicher Sturmfluten zu verlassen.
Der Orkan setzte seinen Weg nach Dänemark, wo er „Bodil“ getauft wurde, fort. Auch dort standen der gesamte Zugsverkehr und die meisten Fährverbindungen vor der Einstellung. Bis zum späten Donnerstagabend soll der Sturm die Hauptstadt Kopenhagen erreicht haben. In Schweden, wo der Sturm „Sven“ heißt, stellten ebenso die meisten Fähren ihren Dienst ein. Auch eine Sperre der Öresundbrücke, die Dänemark und Schweden verbindet, wird überlegt. Die belgische Küstengemeinde Bredene brachte am frühen Abend knapp 2.100 Einwohner vorsorglich in Sicherheit. Sie leben in der Nähe des Kanals zwischen Ostende und Brügge und seien deshalb besonders von den Fluten gefährdet, berichtete die Nachrichtenagentur Belga.

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In den schottischen Highlands war das erste Todesopfer zu beklagen
Mehrere Flutwellen in Deutschland
Mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 120 km/h traf „Xaver“ Donnerstagmittag auf die deutsche Küste. Für Donnerstag und Freitag erwarten die Behörden an der Nordsee mehrere Flutwellen. Die Höchstände werden laut jüngsten Prognosen des Hamburger Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) Freitagfrüh mit etwa zwei, drei Metern über dem mittleren Hochwasser an der Nordsee-Küste und bis 3,50 Meter über mittlerem Hochwasser in Hamburg und Bremen erwartet. Hamburgs Innenbehörde rechnete in der Speicherstadt, im Hafen und auf dem Fischmarkt mit überfluteten Straßen. Am frühen Donnerstagabend stellte der Hamburger Flughafen die Abfertigung von Flugzeugen ein.
Mit 133 km/h erreichte „Xaver“ am frühen Abend in List auf Sylt einen vorläufigen Spitzenwert für die Nordsee-Insel. Dort setzte zudem Schneefall ein. Die am Leuchtturm Kiel gemessene Spitzenwindgeschwindigkeit lag um 17.00 Uhr sogar bei 137 km/h. Auf Helgoland ließ „Xaver“ dagegen geringfügig nach - von 119 auf 112 km/h. Auf der Ostsee-Insel Fehmarn wurden 90 km/h gemessen.
Menschen sollen in Häusern bleiben
Schon Stunden vor seinem Eintreffen machte „Xaver“ Millionen Menschen in Deutschland das Leben schwer. Die Bürger waren aufgefordert, in den Häusern zu bleiben. Wälder sollten auch nach dem Sturm zunächst gemieden werden. Auf dem Hamburger Flughafen fielen Dutzende Verbindungen aus, vor allem inländische, ebenso auf dem niederländischen Flughafen Schiphol. Aus Österreich in Richtung Norden/Nordwesten abfliegenden Passagieren wurde geraten, sich vor Antritt über den jeweiligen Flugstatus zu informieren.

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Der Sturm erreicht Deutschland, hier Dagebüll in Nordfriesland
Auch im deutschen Bahnverkehr gab es Behinderungen, bei Schiffsverbindungen umso mehr. Ostfriesland war bereits am Donnerstag großteils vom Rest Deutschlands abgeschnitten. Nordfriesland richtete sich auf „Land unter“ während des Orkans ein. An der Westküste Schleswig-Holsteins fiel an Schulen der Unterricht aus. Am Freitag soll es im gesamten Bundesland keinen Unterricht geben, ebenso in Mecklenburg-Vorpommern.
Vergleiche mit Katastrophe vor 817 Jahren
„Xaver“ gilt als einer der schwersten Stürme seit Jahrzehnten. Bis zu einer ungefähren Linie Münster - Hannover - Berlin musste mit orkanartigem Sturm gerechnet werden. Eineinhalb Tage soll „Xaver“ toben - und damit länger als „Christian“, der erst vor etwa sechs Wochen Chaos verursacht hatte.

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Aufräumarbeiten in Schottland
Auch wenn das Ausmaß des Hochwassers noch nicht feststeht, wird bereits von einer zweiten „Nikolausflut“ gesprochen - in Erinnerung an eine Katastrophe vor mehr als 800 Jahren. Die historische Nikolausflut überschwemmte am 6. Dezember 1196 weite Gebiete von Nordholland bis Ostfriesland. Alte Chroniken berichten von großen Verlusten an Menschenleben und Vieh - ohne allerdings Zahlen zu nennen. Die Flut riss damals große Wiesen- und Moorflächen fort und machte sie zu Wattenmeer.
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