„Kein Risiko für nationale Sicherheit“
Der Chefredakteur der britischen Tageszeitung „The Guardian“, Alan Rusbridger, hat am Dienstag das Mitwirken seiner Zeitung an den Enthüllungen des früheren US-Geheimdienst-Mitarbeiters Edward Snowden gerechtfertigt. Einem Medienbericht zufolge befindet sich der „Guardian“ dennoch weiterhin im Visier der Ermittler.
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Von der Scotland-Yard-Beamtin Cressida Dick wurde laut „Telegraph“ demnach bestätigt, dass derzeit geprüft werde, ob Mitarbeiter des „Guardian“ gegen Anti-Terror-Gesetze verstoßen haben könnten. Dick wollte in diesem Zusammenhang einen Konflikt mit geltenden britischen Gesetzen nicht ausschließen. Konkret bestehe die Möglichkeit, dass im Rahmen der Snowden-Berichterstattung als heikel eingestufte Informationen über die Tätigkeit britischer Geheimdienste an die Öffentlichkeit gelangt sind, worauf dem „Telegraph“ zufolge bis zu zehn Jahre Haft drohen.

Reuters/Luke MacGregor
Rusbridger verteidigte die „Guardian“-Vorgangsweise im Geheimdienstausschuss des britischen Unterhauses
„Politisch peinlich“
Scharf kritisiert wurde die Snowden-Berichterstattung des „Guardian“ bereits zuvor von der britischen Regierung. Diese warf der Zeitung unter anderem vor, durch die Veröffentlichung den Terrorismus zu fördern. Rusbridger setzte sich gegen die Vorwürfe zur Wehr und erklärte, die Mitarbeiter des „Guardian“ seien „Patrioten“ und „lieben dieses Land“.
Er forderte die britische Regierung auf, die Gesetze für die Reichweite dessen, was Geheimdienste dürfen, zu überarbeiten. „Wir haben viele analoge Gesetze, die auf das digitale Zeitalter angewendet werden“, erklärte er. Die letzten signifikanten Gesetzesänderungen habe es noch vor Google und Facebook gegeben. Die Snowden-Ermittlungen seien laut Rusbridger zwar möglicherweise „politisch peinlich“, es gebe aber kein „Risiko für die nationale Sicherheit“. Scharf kritisierte Rusbridger den auf den „Guardian“ ausgeübten Druck. Die Art und Weise, wie versucht worden sei, die weitere Berichterstattung zu unterdrücken, wäre in jedem anderem Land undenkbar gewesen, so Rusbridger laut „Guardian“.
Erst Bruchteil veröffentlicht
Der „Guardian“-Chefredakteur machte bei seiner Befragung zudem deutlich, dass erst ein Bruchteil des brisanten Geheimdienstmaterials von Snowden an die Öffentlichkeit gelangte. Der „Guardian“ habe demnach ein Prozent der erhaltenen Dokumente veröffentlicht. Der ehemalige NSA-Mitarbeiter Snowden, der sich derzeit im russischen Exil befindet, soll in Summe rund 58.000 Dokumente an mehrere Medien weltweit weitergegeben haben, darunter neben dem „Guardian“ auch an die „Washington Post“.
Die Dokumente seien derzeit über vier Kontinente verteilt und an sicheren Orten. Zu deren Inhalt machte Rusbridger keine Angaben. Es habe zu keinem Zeitpunkt die Gefahr bestanden, dass die „Guardian“-Dokumente in falsche Hände geraten könnten: „Wir haben keinerlei Kontrolle über Daten verloren.“ Auch habe man niemals Namen publiziert und dadurch Menschen in Gefahr gebracht, betonte er.
Auch Geheimdienstchefs befragt
Der „Guardian“ hatte durch die Dokumente auch weitreichende Ausspähmethoden beim britischen Geheimdienst GCHQ ans Tageslicht gebracht. Durch die von Snowden entwendeten Dateien hatte die Öffentlichkeit erstmals von der nahezu flächendeckenden Überwachung des Internets durch die NSA und andere Geheimdienste erfahren. Eine Welle neuer Enthüllungen war seitdem ins Rollen geraten.
Anfang November waren vor dem Parlamentsausschuss auch drei britische Geheimdienstchefs aufgetreten. „Unsere Gegner reiben sich vor Freude die Hände“, sagte damals John Sawers, der den Auslandsgeheimdienst MI6 leitet. Die Geheimdienstchefs verurteilten in der im Fernsehen übertragenen Parlamentsanhörung die Enthüllungen Snowdens als Geschenk für Al-Kaida und andere „Terroristen“.
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