In vielen Staaten Graubereich
Seit Jahren streitet Europa über den richtigen Umgang mit der Prostitution. Soll sie kriminalisiert oder gesellschaftlich anerkannt werden, um den mit ihr verbundenen Problemen von Gewalt und Ausbeutung von Frauen ein Ende zu setzen? Der Trend zur Legalisierung des „ältesten Gewerbes der Welt“ hat sich jüngst umgekehrt, seit Frauenrechtlerinnen vehement auf eine Bestrafung der Freier drängen.
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So macht sich etwa die Ikone der deutschen Frauenbewegung, Alice Schwarzer, für eine Rücknahme der im Jahr 2002 von der damaligen rot-grünen deutschen Bundesregierung beschlossenen Legalisierung der Prostitution stark. Deutschland sei nämlich ein „Einreiseland für Sextouristen geworden“, kritisierte Schwarzer kürzlich vor Journalisten in Berlin. Busladungen von Franzosen, Italienern und Skandinaviern würden übers Wochenende für bezahlten Sex nach Deutschland reisen, beklagte sie.
In drei EU-Staaten gänzlich verboten
Derzeit ist die Prostitution in drei von 28 EU-Staaten völlig verboten. In Kroatien, Rumänien und Litauen werden Freier und Prostituierte bestraft, berichtete der Fernsehsender Arte auf seiner Website. Legalisiert und gesetzlich geregelt sei die Prostitution in Deutschland, Österreich, Lettland, den Niederlanden und Griechenland.

APA/ORF.at
In den restlichen EU-Staaten mit Ausnahme Schwedens befindet sich die Prostitution in einem Graubereich; sie wird vom Staat toleriert, aber nicht als Beruf wie jeder andere anerkannt.
Schweden läutete Trendumkehr ein
Während der europäische Trend zuvor in Richtung Legalisierung der Prostitution gegangen war, markierte der Beschluss des schwedischen Anti-Freier-Gesetzes im Jahr 1999 einen Paradigmenwechsel. In dem skandinavischen Land werden Kunden von Prostituierten seitdem mit einer Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten bedroht.
Laut einem Regierungsbericht aus dem Jahr 2010 ist die Prostitution mittlerweile um 50 Prozent zurückgegangen. Während das benachbarte Norwegen im Jahr 2009 ein ähnliches Gesetz beschloss, scheiterte in Dänemark ein entsprechender Vorstoß nach langen Debatten.
Dafür will Frankreich als erstes großes EU-Land dem schwedischen Beispiel folgen. Der Justizausschuss des irischen Parlaments hat sich Ende Juni nach langen Beratungen für eine Bestrafung von Freiern ausgesprochen. Für einen Mittelweg hat sich unterdessen Großbritannien entschieden: Dort steht seit 2010 der Sex mit Zwangsprostituierten unter Strafe.
„Umso gefährlicher, je illegaler“
Vereinigungen von Sexarbeiterinnen sehen Bestrebungen zur Bestrafung ihrer Kunden naturgemäß kritisch. Sie werten die Anti-Freier-Gesetze als Einschränkung ihrer Selbstbestimmungsrechte. Es sei „skandalös frauenverachtend“, wenn man davon spreche, dass Frauen ihre Körper verkaufen, sagte die Wiener Filmemacherin Tina Leisch kürzlich in einem Interview mit DieStandard.at. Sexarbeiterinnen würden nämlich Dienstleistungen verkaufen, betonte sie. „Sexarbeit ist umso gefährlicher, je illegaler sie ist.“
Österreich: 80 Prozent wurden dazu gezwungen
Unbestritten ist, dass ein Großteil der Prostituierten ihrer Tätigkeit nicht freiwillig nachgeht. Augenfällig ist das bei ausländischen Prostituierten, die oft unter falschen Versprechungen ins Land gelockt werden und dann wegen der rigiden Ausländergesetze auf Gedeih und Verderb den Zuhältern ausgeliefert sind. Nach Informationen des Bundeskriminalamts (BK), das sich auf eine Umfrage unter Prostituierten in Österreich beruft, arbeiten 80 Prozent von ihnen unter explizitem oder implizitem Zwang - etwa weil ihr Partner beschäftigungslos ist.
Jene Staaten, in denen die Prostitution erlaubt ist, sind unterdessen bemüht, diese aus dem öffentlichen Raum zurückzudrängen. In Zürich etwa wurde der Straßenstrich durch eine Autostellplatzanlage mit sogenannten „Sexboxen“ ersetzt. Damit sollte die Sicherheit der Prostituierten gestärkt werden.
Das im Jahr 2011 beschlossene Wiener Prostitutionsgesetz untersagte die Prostitution in Wohngegenden, doch wurde diese Regelung kritisiert, weil die Prostituierten in den geplanten „Erlaubniszonen“ am Stadtrand möglichen gewaltsamen Angriffen noch schutzloser ausgeliefert seien.
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