„Grundrecht, nicht gefangen zu sein“
Schimpansen gelten als die nächsten Verwandten der Menschen, Tierschützer in den USA wollen nun noch einen Schritt weiter gehen. Die Organisation Nonhuman Rights Project reichte in dieser Woche bei mehreren Gerichten im Bundesstaat New York Anträge ein, Schimpansen als „Personen“ anzuerkennen, für die fundamentale Rechte wie körperliche Unversehrtheit und Bewegungsfreiheit gelten.
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Damit sollen vier Schimpansen aus ihren derzeitigen Behausungen befreit und in ein Reservat ausgewildert werden. Den Tierschützern geht es jedoch um ein Grundsatzurteil. Sie argumentieren, dass die „Habeas Corpus“-Rechte auch für Menschenaffen gelten. Unter diesem Fachbegriff (lateinisch: „Du sollst über deinen Körper verfügen“) versteht man im angloamerikanischen Raum das Recht, Beschränkungen der körperlichen Freiheit von einem Gericht prüfen zu lassen.
Jahrelange Vorarbeiten
Man wolle mit zahlreichen wissenschaftlichen Beweisen vor Gericht „eindeutig darlegen, warum diese kognitiv komplexen, selbständigen Lebewesen das Grundrecht haben, nicht in Gefangenschaft zu sein“, hieß es seitens der Tierschützer, die von dem Anwalt Steven Wise angeführt werden. Dem Antrag gingen demnach jahrelange Vorarbeiten voran. So wurden etwa die Rechtsordnungen aller US-Bundesstaaten durchforstet, nur um den erfolgversprechendsten Gerichtsstandort für die Causa zu finden.
Die Wahl fiel schließlich auf den Bundesstaat New York. Um die Chancen für einen positiven Gerichtsentscheid zu verstärken, wurde dasselbe Anliegen gleich viermal eingebracht: Den Anfang machte Schimpanse Tommy, der im Ort Gloversville in einem Käfig gehalten wird. Die Organisation will auch den 26-jährigen Kiko befreien, den Privatleute in der Stadt Niagara Falls bei sich im Haus halten. Außerdem kämpft sie für die Freiheit der Schimpansen Hercules und Leo, an denen ein Forschungsinstitut bei Manhattan Tierversuche durchführt.
Kein Mensch, aber trotzdem Person
Ähnliche Vorstöße gab es auch schon anderswo. In Österreich etwa kämpften Tierschützer 2008 um Grundrechte für den Affen Hiasl. Der Fall ging bis vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wo er 2010 allerdings wegen eines „Formfehlers“ abgewiesen wurde. Damals wurde, wie auch in anderen vergleichbaren Fällen, mit den beinahe-menschlichen Qualitäten von Affen argumentiert. Bei der neuen Causa wird genau andersherum argumentiert.
Die US-Tierschützer wollen sich nicht auf die Diskussion einlassen, ob Affen Menschenrechte zustehen. Ihre Taktik läuft vielmehr darauf hinaus, dass die Zuerkennung von Personenstatus gerade nichts mit dem Vorhandensein von menschlichen Qualitäten zu tun haben muss - etwa bei juristischen Personen wie Unternehmen und Organisationen. Der Anwalt Wise will in seiner Argumentation bis zur Sklaverei in den USA zurückgehen, um den Unterschied zwischen Menschenrechten und Personenrechten aufzuzeigen.
„Einzigartige“ Taktik
Das Verfahren wird die New Yorker Gerichte jedenfalls in einigen Erklärungsnotstand bringen. So ist es in dem Bundesstaat auch gängige Praxis, Vermögen an Tiere zu vererben. Gegenüber der britischen BBC erklärte Wise, es sei genau die beabsichtigte Taktik, dass für die Frage von Personenrechten „die Spezies irrelevant ist“. Gegenüber der „New York Times“ meinte der Tierrechtsexperte David S. Favre, es handle sich dabei um einen „einzigartigen“, noch nie versuchten juristischen Weg und jedenfalls „eine ernstzunehmende Strategie“.
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