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Vage formuliert, um Streit zu verhindern

Die wichtigste bewaffnete Rebellenallianz in Syrien hat einen „islamischen Staat“ als ihr Ziel ausgerufen. Die erst kürzlich gegründete Islamische Front versicherte in einer am Dienstagabend veröffentlichten Erklärung zugleich, dass sie die Rechte von Minderheiten schützen und „keinen repressiven Herrschaftsstaat“ gründen wolle.

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Konkrete Vorstellungen über das Regierungs- und Rechtssystem werden in der Erklärung nicht geäußert, nach Ansicht von Beobachtern soll dadurch Streit in der erst in der vergangenen Woche gegründeten Allianz verhindert werden.

Sieben islamistische Gruppen

Die Islamische Front vereint sieben der wichtigsten gegen Syriens Staatschef Baschar al-Assad kämpfenden islamistischen Rebellengruppen. Sie hatten erst vorige Woche ihren Zusammenschluss verkündet. Es sei eine „vollständige Vereinigung“ beschlossen worden, teilte ein Sprecher der Liwa-al-Tawhid-Brigaden, der größten Aufständischengruppe in der nördlichen Rebellenhochburg Aleppo, am Freitag im Onlinenetzwerk Facebook mit.

Mehr als 120.000 Tote

Der syrische Bürgerkrieg begann nach der Niederschlagung von Protesten gegen das Regime von Bascha al-Assad im März 2011. Schätzungen von Aktivisten zufolge wurden bisher mehr als 120.000 Menschen getötet. Millionen Menschen befinden sich im Inland auf der Flucht oder im Ausland im Exil.

Die Islamische Front sei eine „unabhängige soziale und militärische Kraft“, hieß es später in einer Erklärung. Ihr „Ziel“ sei es, „das Assad-Regime zu stürzen und es durch einen gerechten islamischen Staat zu ersetzen“. Man werde keinen Kontakt zur vom Westen unterstützten Syrischen National Koalition aufnehmen.

Streit als Vorteil für Assad-Truppen

In Aleppo und Umgebung hatten Assads Regierungstruppen in den vergangenen Wochen Boden gutgemacht. Beobachter führten das unter anderem auf Streitigkeiten zwischen den Rebellen zurück. Erst Mitte November erlag der Liwa-al-Tawhid-Kommandant Abdel Kader Saleh bei Kämpfen mit der Armee erlittenen Verletzungen. Berichten zufolge hatte er vor seinem Tod für die Allianz der wichtigsten Rebellengruppen geworben.

Assad-treue Truppen neben einem Panzer

Reuters/George Ourfalian

Ein beschädigter Panzer in Aleppo

Die Islamische Front zählt laut Experten zwischen 45.000 und 50.000 Kämpfer. Der Liwa-al-Tawhid-Brigade gehören etwa 8.000 Kämpfer an, die den Muslimbrüdern nahestehen. Weitere Mitglieder der Islamischen Front sind unter anderem Ahrar al-Scham (Salafisten), Dschaisch al-Islam (gilt als Saudi-Arabien nahestehend) und die Kurdische Islamische Front. Auch Liwa al-Hakk und Sukur al-Scham sollen beigetreten sein.

Keine Verbindung zu Al-Kaida-Ablegern

Dem Zusammenschluss blieben Gruppen mit Beziehungen zu Al-Kaida wie die militante Gruppierung Islamischer Staat im Irak und in der Levante (ISIS) sowie die Al-Nusra-Front fern. Gruppen wie Ahrar al-Scham und Liwa al-Tawhid blieben Mitglied im Obersten Militärrat der Freien Syrischen Armee (FSA). Der Sprecher der Liwa-al-Tawhid-Brigade, Abu Firas, sagte der Nachrichtenagentur AFP: „Die Türen stehen allen militärischen Gruppen offen.“ Eine Kommission prüfe Aufnahmeanträge für die Islamische Front.

Hilfe aus Türkei größer als angenommen?

Die Gruppierungen erhalten auch Hilfe aus dem Ausland. So sind die türkischen Behörden nach Angaben der türkischen Opposition tiefer in Waffenlieferungen an Rebellen verstrickt als bisher angenommen. Oppositionsführer Kemal Kilicdaroglu verwies laut Zeitungsberichten vom Mittwoch auf einen kürzlich abgefangenen Transport von rund 1.200 Sprengköpfen für Granatwerfer, die in einem Lastwagen versteckt und für Syrien bestimmt waren. Kilicdaroglu sagte, der in Untersuchungshaft genommene Lkw-Fahrer habe ausgesagt, ähnliche Transporte in der Vergangenheit hätten mit Wissen der Militärbehörden im Grenzgebiet stattgefunden.

„Dokument eines Verbrechens“

„Sie liefern Waffen nach Syrien“, so Kilicdaroglu. Die Aussage des Lastwagenfahrers sei ein „Dokument eines Verbrechens“. Der Mann habe berichtet, dass er mit zwei früheren Waffenladungen durch Kontrollposten der türkischen Gendarmerie im Grenzgebiet gelangt sei, ohne dass die Ladung kontrolliert worden wäre. Die Waffen habe er nur 200 Meter von einem Posten der Gendarmerie entfernt abgeladen.

Die unabhängige Tageszeitung „Taraf“ berichtete unter Berufung auf die Gerichtsakten des Falls, die Granatsprengköpfe seien für ein Gebiet in Syrien bestimmt gewesen, das von Mitgliedern des Terrornetzwerks Al-Kaida beherrscht werde. Deshalb werde dem Lastwagenfahrer und anderen Beschuldigten Hilfe für eine terroristische Vereinigung vorgeworfen.

Türken als islamistische Kämpfer

Die 900 Kilometer lange Landgrenze zwischen der Türkei und Syrien wurde in den fast drei Jahren des syrischen Konflikts zu einem wichtigen Transitgebiet für syrische Aufständische. Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan und andere Regierungspolitiker haben den Vorwurf, die Türkei leiste militärische Unterstützung für syrische Rebellen, jedoch mehrmals zurückgewiesen.

Unterdessen wurde ein Bericht des türkischen Innenministeriums bekannt, laut dem sich rund 500 Türken radikalislamistischen Gruppen in Syrien angeschlossen haben, um gegen die Regierung zu kämpfen. Etwa 90 Türken seien bei den Kämpfen in Syrien getötet worden, hieß es in dem von mehreren Zeitungen zitierten Bericht.

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