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„Veränderung Schottlands zum Besseren“

Die schottische Regionalregierung sieht es als wichtigen Schritt in Richtung Unabhängigkeit von Großbritannien, die Opposition und die britische Regierung lehnen es ab: das „Weißbuch“, gespickt mit Argumenten für ein eigenständiges Schottland. Vorgestellt wurde der umfassende Bericht am Dienstag von Regierungschef Alex Salmond in Glasgow.

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„Schottlands Zukunft liegt jetzt in Schottlands Händen“, bewarb Salmond von der regierenden linksliberalen Scottish National Party (SNP) das Dokument. Auf 670 Seiten seien „wirtschaftliche, soziale und demokratische Argumente für die Unabhängigkeit“ von Großbritannien aufgelistet. Zehn Monate vor der richtungsweisenden Abstimmung am 18. September 2014, bei der rund fünf Millionen Schotten entscheiden, ob sie künftig eine eigene Nation sein wollen, erhoffen sich die Initiatoren damit einen zusätzlichen Schub für ihre Unabhängigkeitsbestrebungen.

Der „umfassendste Plan“

Salmond nannte das Dokument mit dem Namen „Schottlands Zukunft: Ihr Leitfaden in Richtung Unabhängigkeit“ den „umfassendsten Plan“, der dahingehend jemals veröffentlicht worden sei. „Unsere Vision ist ein unabhängiges Schottland und damit die Wiedererlangung seines Stellenwerts als gleichberechtigtes Mitglied unter souveränen Nationen“, sagte Salmond. Die Unabhängigkeit sei ein „Mittel zur Veränderung Schottlands zum Besseren“, betonte der SNP-Chef.

Schottlands Erster Minister Alex Salmond (SNP) hält gemeinsam mit seiner Stellvertreterin Nicola Sturgeon jeweils eine Ausgabe des Buches "Scotland's Future" in die Höhe

APA/AP/Andrew Milligan

Salmond und seine Stellvertreterin Nicola Sturgeon

Das „Grundsatzdokument“ lege den Beweis vor, dass Schottland die Fähigkeit besitze, eine erfolgreiche souveräne Nation zu sein. Es stelle „Wirtschaftswachstum“ und „Fairness“ in den Mittelpunkt. Dahingehend argumentieren die Nationalisten, dass eine Unabhängigkeit von Großbritannien das Finanzgebaren des bisher autonomen Landes erheblich verbessern würde. So sind die Befürworter überzeugt, dass die finanzielle Lage Schottlands besser sei als jene des Vereinigten Königreichs.

Das Land werde dann 90 Prozent der Einnahmen aus den riesigen Ölvorkommen vor seinen Küsten einstreichen, heißt es. Die britischen Atom-U-Boote würden aus ihren Stützpunkten in Schottland weichen und müssten weiter südlich vor Anker gehen. Auch ergäben sich Spielräume für die Besteuerung und den Wohlfahrtsstaat, nationale Streitkräfte sollen aufgebaut und weltweit 90 Botschaften eröffnet werden. Im „Weißbuch“ selbst heißt es, ein Nein zur Unabhängigkeit verdamme Schottland zum Stillstand.

Wind aus Segeln der Unionisten?

Im Vorfeld hatten Oppositionspolitiker der SNP vorgeworfen, sie sei bisher Lösungsvorschläge für die wichtigsten Herausforderungen schuldig geblieben. Dazu nahm Nicola Sturgeon, Salmonds Stellvertreterin, Stellung: Das Konzept liefere sämtliche Daten und Informationen, die die Wähler gefordert hätten. Laut Sturgeon erbringt das Konzept überzeugende Argumente dafür, dass die Unabhängigkeit Schottlands zum Vorteil aller Individuen, Familien, Gemeinschaften und des gesamten Landes sei.

Sturgeon, die das Konzept dem schottischen Parlament vorstellen wird, verdeutlichte auch, dass der Ball nun bei den Unionisten liege und diese ihre Vision für die Zukunft Schottlands vorlegen sollten. Doch aus London wurde der Ball sogleich zurückgespielt. Die britische Regierung ließ über Staatssekretär Alistair Carmichael, der für Schottland zuständig ist, mitteilen, dass noch immer nicht alle ausstehenden Fragen beantwortet seien. Er verwies auf die ungeklärte zukünftige Währung Schottlands, die Problematik der Atomwaffenbestände und außerdem auf die unklaren Kosten für die Sozialversicherungen in einem unabhängigen Schottland.

„Hirngespinst“

Der frühere britische Finanzminister Alistair Darling fasste unterdessen in einem Wort zusammen, wie die Kritiker Salmonds Projekt sehen: als „Hirngespinst“. „Es wird mir doch niemand erzählen, alle guten Sachen bleiben nördlich der Grenze, und alles Übel geht in den Süden“, zitierte ihn die BBC. Danny Alexander, Chefsekretär des britischen Schatzamtes, warnte, dass auf den durchschnittlichen schottischen Steuerzahler jährlich Mehrbelastungen von 1.000 Pfund (1.200 Euro) zukämen. Unabhängigkeitsgegner warnen überdies, der Weg zur eigenen Mitgliedschaft in NATO und EU könne nicht ganz unproblematisch werden.

Obwohl die Umfragen etwas anderes suggerieren, zeigte sich die schottische Regierung bisher zuversichtlich, dass das Volk in zehn Monaten für eine Abspaltung vom Vereinigten Königreich stimmt. Derzeit tritt nur ein Drittel der Schotten dafür ein. In einer von der „Sunday Times“ veröffentlichten Umfrage lag das Ja-Lager bei 38 Prozent, neun Punkte hinter dem Nein-Lager. Doch gaben 15 Prozent der Befragten an, noch unentschieden zu sein.

SNP als wichtigste Antreiberin

Seit 1707 gehört Schottland zur britischen Krone, seit 1997 genießt es weitreichende Autonomie. In einem Referendum stimmte damals eine Mehrheit für ein schottisches Regionalparlament mit begrenzten Kompetenzen innerhalb des Vereinigten Königreichs - zwei Jahre später übertrug London weitere Rechte an das schottische Regionalparlament.

Ein wesentlicher Antrieb für die Unabhängigkeitsbestrebungen kam von der seit 2007 regierenden SNP, im Mai 2012 startete die Partei ihre Wahlkampagne „Yes Scotland“. Die Regierung in London, die strikt gegen eine Abspaltung Schottlands ist, startete umgehend eine Gegenkampagne. Vor gut einem Jahr unterzeichnen der britische Premier David Cameron und Schottlands Regierungschef Salmond ein Abkommen, das der Regionalregierung die Befugnis erteilt, die Volksabstimmung über die Unabhängigkeit abzuhalten.

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