Next Gen oder Next Gähn?
Schon der Verkaufsstart ist ein einziges Wettrennen. Während Sony seine neue PlayStation 4 (PS4) bereits vor einer Woche in den USA auf den Markt brachte (erstmals noch vor dem Start auf dem Heimatmarkt Japan), sichert sich Microsoft mit der weltweiten Veröffentlichung der Xbox One am Freitag die Poleposition in Europa. In einer Woche ist schließlich auch die PS4 hierzulande erhältlich.
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Doch was unterscheidet die Konsolen der neuesten Generation? Optisch und auch technisch stehen einander die beiden Konsolen in kaum etwas nach. Schwarz, schnörkellos und hochgerüstet präsentieren sich sowohl PlayStation 4 als auch Xbox One. Ein wesentlicher Unterschied neben dem Preis - die PS4 kostet mit 400 Euro um 100 Euro weniger als die Xbox One - ist jedoch die Positionierung des Geräts auf dem Markt.
Multimediamaschine vs. Spielepower
Microsoft will seine neue Konsole als unverzichtbaren Teil der Heimunterhaltung im Wohnzimmer etablieren. Mit der Xbox One soll der Nutzer Fernseher, Sat- oder Kabelreceiver dank eingebauter Kamera und Mikrofon sowie Verstärker mittels Spracheingabe oder Bewegungssteuerung bedienen können. „Schon jetzt für die Zukunft gebaut“ bewirbt Microsoft sein Gerät selbstbewusst. In Europa sind die Funktionen aber bisher nur spärlich nutzbar, hier mangelt es noch an Kompatibilität.

Reuters/Lucas Jackson
Spieler probieren die neue Xbox One aus
Sony setzt hingegen seine bisherige Linie fort und bleibt mit der PlayStation 4 der Kernzielgruppe treu. Satte Grafikpower und leistungsfähige Rechenkraft sollen die PS4 auf den Wunschzettel eingefleischter Spieler katapultieren. Während der Prozessor in etwa im gleichen Takt wie jener der Xbox One werkt, übertrifft die Sony-Konsole bei Arbeitsspeicher und Grafikchip die MS-Konkurrenz. Abseits von Schnelligkeits-Benchmarks wird der Unterschied in der Praxis jedoch wohl eher minimal bemerkbar sein.
Tablets und Smartphones wildern im Revier
Sowohl Microsoft als auch Sony stehen unter großem Druck. Denn die alteingesessenen Konsolenhersteller haben in den sieben Jahren seit Veröffentlichung ihrer letzten Konsolen Konkurrenz von neuer Seite bekommen. Für Jugendliche sind Smartphone und Tablet inzwischen die erste Wahl. Zwar können die Mobilgeräte technisch noch nicht mit den hochgezüchteten Konsolen mithalten, vor allem Gelegenheitsspielern scheint das schnelle kostenlose Spielvergnügen trotzdem zu genügen.
„Das wird eindeutig die letzte große Produkteinführung in der 30-jährigen Geschichte der Spielkonsolen sein“, zitiert der „Focus“ Jens Begemann, Leiter des deutschen Spieleentwicklers Wooga. „Die Zukunft – verspielt“, titelt das deutsche „Handelsblatt“. Und selbst Jim Ryan, führender Manager der Spielesparte von Sony ist gegenüber dem „Focus“ vorsichtig: „Wir bringen diese Konsole auf den Markt und müssen dann schauen, wie sie sich verkauft.“

APA/AP/Jae C. Hong
Andrew House, Chef von Sony Computer Entertainment, präsentiert die PS4
Sony verdient pro PS4 18 US-Dollar
Laut Medienberichten soll Sony am Verkauf einer Konsole lediglich 18 US-Dollar verdienen. In der Herstellung kostet das Gerät laut AllThingsD 381 Dollar, der Verkaufspreis liegt in den USA bei 399 Dollar. Trotzdem ist die Ausgangslage besser als noch bei der PlayStation 3. Hier machte Sony einen Verlust bei jedem Verkauf der Konsolenhardware.
Erst der Kauf von Spieletiteln und Zubehör spülte Geld in die Kassen. Laut Schätzungen des Spielepublishers Electronic Arts erwirbt jeder PlayStation-4-Käufer im Durchschnitt drei Spiele. Es ist davon auszugehen, dass es bei der Xbox ähnlich ist. Ein anfängliches Verlustgeschäft mit der Hardware soll es bei Microsoft aber nicht geben. „Wir wollen von Anfang an mit jeder Konsole Geld verdienen,“ sagte Xbox-Deutschland-Chef Oliver Kaltner der Zeitung „Euro am Sonntag“.
Xbox um 100 Euro teurer
Neben der Positionierung unterscheiden sich die PlayStation 4 und die Xbox One auch im Preis. Während Sonys PS4 für 400 Euro auf den Markt kommt, müssen MS-Kunden 100 Euro mehr bezahlen. Dafür wird bei der Xbox One eine Kinect-Kameraleiste mit Mikrofon mitgeliefert. Bei der PlayStation kann eine Eye-Kamera zur Gesten- und Sprachsteuerung separat dazu erworben werden.
Mittels Kinect kann die Xbox durch Gesten und Sprachbefehle gesteuert werden, was die Konsole vor allem für Fitness- und Tanzspiele interessant macht. Dank Infrarottechnologie sollen selbst bei schwacher Beleuchtung Personen gut erkannt und unterschieden werden. Zum Start werden vorerst nur das Tanzspiel „Just Dance 2014“ und die Tierparksimulation „Zoo Tycoon“, wo Tiere gefüttert und gepflegt werden können, die Kinect-Möglichkeiten ausschöpfen.

Reuters/Nick Adams
Fotografen drängen sich um die neue Xbox One
Datenschutzkritik wegen mithörender Konsolen
Genau diese neuen Funktionen haben der Xbox One im Vorfeld der Veröffentlichung viel Kritik von Datenschützern eingebracht. Ein zunächst verkündeter Onlinezwang und die Ankündigung, das Mikrofon und die Kamera seien nicht abschaltbar, lösten Empörung über die „Schnüffelbox“ im Wohnzimmer aus. Microsoft ruderte inzwischen zurück. Die Xbox One muss nur zur erstmaligen Aktivierung mit dem Internet verbunden werden und kann dann (freilich mit eingeschränkten Funktionen) auch offline genutzt werden. Kamera und Mikrofon können in den Einstellungen deaktiviert werden.
Sony kämpft in dieser Hinsicht ebenfalls mit Problemen. So wurde bekannt, dass die Eye-Kamera anders als die Kinect bei der Xbox Umgebungsgeräusche nicht unterdrücken kann. Dadurch kann es passieren, dass auch Gespräche abseits des Spielgeschehens im eigenen Zuhause von der verbundenen Onlinecommunity mitgehört werden. Es wird erwartet, dass Sony hier nachbessert.

Reuters/Ina Fassbender
Erste Spieler testen die neue PlayStation 4
Keine Abwärtskompatibilität
Mit an Bord der neuen Microsoft-Konsole ist nun auch ein Blu-ray-Laufwerk, das dem Vorgänger Xbox 360 im Gegensatz zur PS3 bisher komplett fehlte. Der oft als plump, groß und schwer kritisierten Xbox-Controller wurde für das neue One-Modell weiterentwickelt. Er wirkt jetzt etwas handlicher und bietet etwa eine feinere Vibrationswiedergabe. Legt der Spieler den Controller zur Seite, schaltet sich dieser automatisch in den Energiesparmodus.
Bitter für Besitzer einer Vorgängerkonsole, die an einen Neukauf denken, ist, dass weder Spiele noch Zubehör wie etwa Lenkräder der Xbox 360 auf der neueren Xbox One genutzt werden können. Das Verborgen von Spielen (auf Disc oder auch als Download) an Freunde ist bei der Xbox One möglich. MS hat hier dem Druck der Fans nachgegeben.
Installation im Hintergrund
Auch die PS4 ist nicht abwärtskompatibel, einige Vorgängerspiele sollen aber über den Sony-eigenen Streamingdienst Gaikai verfügbar sein. Den Controller der PS4 hat Sony mit einem Touchpad ausgestattet, das mausähnliche Steuerungsmöglichkeiten eröffnen soll. Integriert ist nun auch eine Rumble-Funktion. Neu - und besonders erfreulich für Teenager-Eltern und zockgenervte Freunde und Freundinnen - ist ein Kopfhöreranschluss direkt am Gamepad, über den der Sound ausgegeben werden kann. Der Fernseher bleibt dann stumm.
Auch das Chatten mit bis zu acht Freunden, unabhängig davon, welches PS4-Spiel sie gerade spielen, ist mit dem mitgelieferten Headset möglich. Bei der Installation von Spielen entlastet Sony die Nerven seiner User und lässt diese nun im Hintergrund laden und installieren. Größere Games können zudem bereits angespielt werden, noch bevor der Download vollständig ist.
Spielerfolge den Freunden zeigen
Mit vermehrten Vernetzungsmöglichkeiten versuchen die Hersteller die soziale Komponente, das Teilen des Spielerlebnisses mit Freunden, von Tablets und Smartphones in die Konsolenwelt zu übertragen. Bei beiden Konsolen werden die letzten paar Spielminuten automatisch gespeichert und können in Soziale Netzwerke hochgeladen werden. Wer seinen Freunden seine Spielkünste mit einer Liveübertragung beweisen möchte, soll künftig ebenfalls auf beiden Systemen die Möglichkeit dazu haben.
Die Spiele zum Start
Welche Konsole mittel- bis langfristig die Nase vorn haben wird, bleibt nun abzuwarten. Branchenbeobachter erwarten, dass die Preise beider Konsolen schon frühzeitig fallen könnten. Das würde die Endrunde im Kampf der Konsolen noch einmal anheizen.
Eine große Rolle bei der Kaufentscheidung spielt das jeweils verfügbare Gameangebot zum Verkaufsstart. Hier versucht Microsoft mit Exklusivtiteln, dem Zombiespiel „Dead Rising 3“, dem Actionabenteuer „Ryse: Son of Rome“, dem klassischen Rennspiel „Forza Motorsport 5“ und dem Familienspiel „Zoo Tycoon“ zu überzeugen. Sony hält mit vorerst nur zwei exklusiven Titeln, dem Actiongame „Killzone: Shadow Fall“ und dem Adventure „Knack“ dagegen. Weitere Spiele wie „FIFA 14“, „Assassin’s Creed 4: Black Flag“ und „Call of Duty: Ghosts“ erscheinen für beide Konsolen.

Reuters/Charles Platiau
Die Wii U mit ihrem innovativen Controller
Nintendos Wii U seit einem Jahr auf dem Markt
Ein weiterer Konkurrent, Nintendo, ist mit seiner Wii U (gesprochen wie engl.: We You) bereits seit einem Jahr in den Regalen vertreten. Der Zeitvorsprung zeigt sich auch im Spieleangebot.
Von Spieleklassikern wie „Super Mario“ und Partyspielen wie „Sing Party“, „Wii Karaoke U“, „Just Dance 2014“ und der Minispielesammlung „Wii Party U“ bis zum Sportgame „Wii Fit“ hat Nintendo über 50 Titel im Portfolio. Erinnerungen werden bei der HD-Neuauflage des Gamecube-Action-Rollenspiels „The Legend of Zelda: The Wind Waker“ geweckt. Doch auch bei eingefleischten Gamern will Nintendo mit Actionspielen wie „Assassins Creed 4“ und „Batman - Arkham Origins“ sowie dem Shooter „Splinter Cell Blacklist“ punkten. Ein Science-Fiction-Rollenspiel im Stil von „Xenoblade Chronicles“ ist für 2014 angekündigt.
Schwache Verkäufe
Allerdings blieb der wirtschaftliche Erfolg der Wii U bisher aus. Denn gerade Nintendo sah sich immer als Plattform für Gelegenheitsspieler und bekam die Konkurrenz von Spiele-Apps besonders zu spüren. Nach einem schwachen Start läuft der Absatz weiterhin weltweit schlechter als geplant. Insgesamt hat sich die Wii U bis Ende Oktober 2013 3,91 Millionen Mal verkauft. Das selbst erklärte Ziel von neun Millionen verkauften Stück bis März 2014 scheint mehr als zu wackeln. Für Nintendo ist das letzte Wort im Konsolenkrieg aber längst nicht gesprochen. Für den mittelfristigen Erfolg sei vor allem ein breites und attraktives Spieleangebot entscheidend, so Nikolai Fenske von Nintendo Deutschland. „Da sind wir heuer bestens gerüstet.“
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