Gewerkschaftlicher Kunstgriff
Der ÖGB-Vorstand hat Donnerstagvormittag Kampfmaßnahmen der Beamtengewerkschaft gegen das neue Lehrerdienstrecht gebilligt. Der Beschluss sei einstimmig ausgefallen, sagte ÖGB-Präsident Erich Foglar (SPÖ). Über Stimmenthaltungen war vorerst nichts bekannt. Damit stimmten offenbar auch die SPÖ-Gewerkschafter für den Arbeitskampf, gegen die Position der Regierung.
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Die Zwickmühle zwischen gewerkschaftlicher und parteipolitischer Linie löste die SPÖ-Prominenz im ÖGB-Vorstand offenbar mit einer relativ eigentümlichen Interpretation der angepeilten Maßnahmen der ÖVP-dominierten Beamtengewerkschaft (GÖD): „Grundsätzlich“ würden die Maßnahmen nicht die Lehrer, sondern die derzeit stockende Lohnrunde im öffentlichen Dienst betreffen, erklärte Foglar nach der Sitzung. Diese Auslegung war möglich, weil die GÖD tags zuvor in ihrem Beschluss bewusst auf das Wort „Streik“ verzichtet hatte.
Nur nicht „Streik“ sagen
Im GÖD-Beschluss war lediglich abstrakt von Maßnahmen des Arbeitskampfes die Rede, auch wenn prominente Gewerkschafter - von GÖD-Chef Fritz Neugebauer abwärts - nach der Sitzung keinen Zweifel über den Inhalt ließen. Damit mussten die SPÖ-Gewerkschafter nun nicht offiziell gegen die Regierungslinie stimmen, und die GÖD muss sich den Arbeitskampf nicht vom nächstgrößeren ÖGB-Gremium, dem Bundesvorstand, absegnen lassen. Das wäre nötig gewesen, wenn wortwörtlich von Streik die Rede gewesen wäre.
Damit wurde eine Taktik gewählt, von der beide Gewerkschaftsfraktionen etwas haben. Im Bundesvorstand hätte möglicherweise ein ÖGB-internes Kräftemessen gedroht, denn unter den SPÖ-dominierten Gewerkschaften abseits der Beamtenschaft hält sich das Verständnis für deren Opposition gegen die geplante Dienstrechtsreform in Grenzen. Noch am Mittwoch hatte der SPÖ-Parlamentarier und Vorsitzende der Gewerkschaft Bau/Holz, Beppo Muchitsch, gegen die Lehrer gewettert. Am Donnerstag stimmte auch er für den Beschluss.
Doch nicht „den Bogen überspannt“?
Muchitsch, der am Mittwoch erklärt hatte, die Lehrergewerkschaft habe „den Bogen überspannt“ und ein Streikbeschluss komme „nicht in Frage“, sah am Donnerstag keinen Widerspruch darin, dass auch er für die Kampfmaßnahmen der Beamten stimmte. Im abgestimmten Antrag komme das Wort Streik nicht vor, argumentierte auch er. Aus seiner Sicht ist für die GÖD nun die Tür offen, um im Parlament noch Änderungen im Lehrerdienstrecht zu erreichen. Auch müsse sich die Regierung in den Gehaltsverhandlungen für den öffentlichen Dienst bewegen.
Lopatka will Entwurf „so nicht zustimmen“
Umso überzeugter, dass die Regierung noch nachgeben wird, zeigten sich am Donnerstag die Christgewerkschafter. ÖGB-Vizepräsident Norbert Schnedl (FCG) etwa zeigte sich zuversichtlich, dass es beim Lehrerdienstrecht noch positive Veränderungen geben werde und bezog sich dabei auf Staatssekretär Reinhold Lopatka (ÖVP). Lopatka hatte Mittwochabend in der ZIB2 gesagt, er würde „dem Entwurf so auch nicht zustimmen“. Andererseits „garantierte“ er, dass „alle“ Pflichtlehrer für das neue Dienstrecht optieren werden.
Einzelne Punkte seien jedoch noch zu bearbeiten - etwa was die Beendigung des Arbeitsverhältnisses für Lehrer betrifft, die bereits als Bachelorabsolventen arbeiten und den Masterabschluss nicht binnen fünf Jahren schaffen. Lopatka appellierte an die Gewerkschafter, nicht „am Klavier der gewerkschaftlichen Maßnahmen zu spielen“ und schon Streik in Aussicht zu stellen, sondern gemeinsam über Verbesserungen nachzudenken.
Persilschein gilt auch für Gemeindebedienstete
Auch Foglar berief sich am Donnerstag auf Lopatka und hofft demnach auf eine „letzte Chance“ im Rahmen des parlamentarischen Prozesses. Das Präsidium der GÖD selbst müsse nun beschließen, welche Maßnahmen bei einer Eskalation getroffen werden, sagte Foglar. Er verwies ebenso auf die breite Palette, „vom Protest bis zur letzten Konsequenz“, die zur Verfügung stehe. Ob der Streikfonds eventuell angezapft werden soll, müsse noch geklärt werden.
Foglar sprach sich zudem gegen das „ungerechtfertigte Lehrerbashing“ aus und argumentierte diesen Verweis damit, dass die Pädagogen ja auch bei den Gehaltsverhandlungen beteiligt seien. Fraglich ist allerdings, ob der ÖGB mit seinem nunmehrigen Beschluss nicht den Weg für eine Ausweitung des Arbeitskampfes geebnet hat: Vom Beschluss sind auch die Gemeindebediensteten umfasst - auch diese seien von den derzeit laufenden Gehaltsverhandlungen betroffen, erklärte Foglar.
Beamte sehen Recht auf Geld aus Streikfonds
Von Neugebauer hieß es am Donnerstag, Streik sei „derzeit“ noch kein Thema. In der Beamtengewerkschaft stellt man sich aber auf den Standpunkt, dass ein Streik durch den Beschluss des ÖGB-Vorstandes möglich und „jedenfalls gedeckt“ wäre. Ein GÖD-Sprecher erklärte am Donnerstag auch gegenüber der APA, dass die Lehrer dann Anspruch auf Geld aus dem Streikfonds des ÖGB hätten: „Wir gehen davon aus.“
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