Brisante Spur zu möglicher Datenspionage
In Sachen NSA-Affäre werden nun die Behörden in Österreich aktiv: Das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT) erstattete wegen Verdachts auf nachrichtendienstliche Tätigkeit zum Nachteil der Republik Österreich bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen unbekannt erstattet.
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Zuletzt hatte das Nachrichtenmagazin „profil“ auf Basis von Unterlagen aus dem Fundus des Whistleblowers Edward Snowden und Aussagen des ehemaligen NSA-Agenten Thomas Drake über die Existenz einer Abhörstation in Wien berichtet. Das könnte der Anstoß zur Anzeige des BVT gewesen sein, denn Drakes Aussagen über den angeblichen „Lauschposten“ in Wien wiesen in eine gänzlich neue Richtung als Vermutungen über eine Villa im 18. Wiener Gemeindebezirk als Zentrum möglicher Geheimdienstarbeit.
„Lauschposten“ in Wahrheit Serverräume?
Ende Oktober hatten sich Hinweise auf NSA-Aktivitäten in Österreich erstmals konkretisiert: In Snowdens an die Öffentlichkeit gebrachten Daten fand sich der Vermerk „Vienna & Annex“ („Wien und Anhang“). Der „Anhang“ war wiederum als „Unmanned Remote“ („unbemannt ferngesteuert/ausgelagert“) ausgewiesen. Drake erklärte in diesem Zusammenhang gegenüber „profil“, dass man sich eine „Abhörstation oder einen Überwachungszugang“ vorstellen müsse, der „nicht von physisch anwesenden Personen bedient werden muss“.
Dieser „Unmanned Remote Annex“ könnte jetzt gefunden sein - im Zentrum der heimischen IT-Aktivitäten: Laut dem Magazinbericht könnte der „Lauschposten“ in Wahrheit der Wiener Webknoten Vienna Internet eXchange (VIX) sein, der vom Zentralen Informatikdienst (ZID) der Universität Wien mit zwei Serverstationen betrieben wird - einer auf dem Neuen Uniinstitutsgebäude mitten in der Wiener Innenstadt und einem ausgelagerten in Wien-Floridsdorf bei der privaten Firma Interxion/IEC.
Alle Daten, die das Agentenherz begehrt
Fest steht, dass über den VIX so ziemlich alles an Daten läuft, was für Nachrichtendienste interessant sein könnte. Fast 120 Unternehmen - darunter internationale Telekommunikationskonzerne wie AT&T aus den USA - sind an den beiden VIX-Standorten im 1. und im 21. Bezirk mit eigener Technik eingerichtet. Fast die gesamte heimische und ein Gutteil der zentral-, osteuropäischen Telekombranche bündelt dort Daten - noch dazu die Verwaltungen der größten Städte, heimische Banken und Medien und viele andere mehr.
Gegenüber „profil“ erklärten die Betreiber des Knotenpunkts, es habe „trotz erhöhter Aufmerksamkeit insbesondere in den vergangenen Monaten“ keine Hinweise auf eine geheimdienstliche Zweckentfremdung ihrer Einrichtungen gegeben: „Aufgrund laufender Statusüberwachungen und für alle Teilnehmer über ein Portal einsehbarer Statistiken würden Anomalien auch nicht unentdeckt bleiben. Völlig ausschließen kann man eine geheimdienstliche ‚Abhörung‘ jedweder Infrastruktur freilich nicht.“
Spindelegger will sich „diesen Dingen stellen“
Vizekanzler und Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) bestätigte die BVT-Anzeige gegenüber der Tageszeitung „Österreich“. Es sei Anzeige erstattet worden, „weil wir uns diesen Dingen stellen müssen. Die Behörden werden jetzt ermitteln. Das ist nötig.“ Spindelegger schloss in dem Interview auch nicht mehr aus, dass heimische Politiker von der NSA abgehört wurden. „Mir liegen keine detaillierten Indizien dafür vor, aber es wäre möglich.“ Der Außenminister möchte daher, dass „wir uns künftig besser gegen Abschöpfungen unserer Bürger oder Unternehmen schützen“.
Spindelegger sieht die EU in der Verantwortung, die Sicherheitsstandards anzuheben und somit für mehr Datensicherheit zu sorgen. „Ein europäisches Schlüsselsystem“ sowie neue „europäische Server“ sollen mehr Unabhängigkeit garantieren. „Bisher läuft das ja über die USA oder Asien“, so der Außenminister.
Auf die Frage, ob er sich Asyl für NSA-Aufdecker Snowden vorstellen könne, sagte Spindelegger: „Er hat noch nicht angegeben, nach Österreich zu wollen. Sollte er einen Asylantrag stellen, werden wir ihn genauso ernst behandeln, wie alle Anträge. Ich kann ein Asyl für Snowden nicht ausschließen.“
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