Auskunftsfreudige Kollegen auf Hawaii
Über die Praktiken des Aufdeckers Edward Snowden liegt noch vieles im Dunkeln - auch eine umfassende Antwort auf die Frage, wie ein Mann in verhältnismäßig kurzer Zeit an so viele geheime Informationen kommen konnte. Doch zumindest laut Informationen, die über die Nachrichtenagentur Reuters aus US-Ermittlerkreisen nach außen drangen, klingt alles recht unkompliziert.
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Demnach verschaffte sich der frühere Mitarbeiter des Geheimdienstes National Security Agency (NSA) offenbar mit Passwörtern seiner Kollegen Zugang zu vertraulichen Daten, um diese danach konzertiert an Medien weiterzugeben. So hätten einige Mitarbeiter eines NSA-Spähpostens auf Hawaii Snowden ihre Log-in-Daten überlassen.
Eine mit der Angelegenheit vertraute Person sagte, Snowden habe insgesamt 20 bis 25 Kollegen mit der Begründung zur Herausgabe ihrer Passwörter gebracht, er benötige sie für seine Tätigkeit als Systemadministrator. Ohne großen Widerstand scheinen diese zur Weitergabe der Anmeldedaten bereit gewesen zu sein.
Einige Suspendierungen
Eine weitere Quelle - „nah an verschiedenen Untersuchungen der US-Regierung“ - gab gegenüber Reuters an, dass „eine Handvoll“ der auskunftsfreudigen Mitarbeiter bereits identifiziert worden sei - das habe sich im Zuge von Mitarbeiterbefragungen ergeben. Als Konsequenz seien die betreffenden Angestellten ihrer Aufgaben entbunden worden - über mögliche Entlassungen wissen Insider den Angaben zufolge nichts. Nicht klar sei außerdem, ob diese Mitarbeiter mit der Passwortweitergabe überhaupt gegen Regeln verstoßen haben.
Erst im vergangenen Monat waren Berichte aufgetaucht, wonach die USA aus technischen Gründen die Installation einer speziellen Software auf ihrem Stützpunkt auf Hawaii verschoben hatten, mit der interne Zugriffe auf brisante Daten verhindert werden sollen. Snowden hielt sich im vergangenen Frühjahr für rund einen Monat auf Hawaii auf. In dieser Zeit verschaffte er sich Zugang zu Zehntausenden als geheim eingestuften Dokumenten der NSA.
Sicherheitslücken spielten große Rolle
Die NSA wollte sich zum vorliegenden Fall bis dato nicht äußern. Doch die Entwicklungen zeigen, dass offenbar Sicherheitslücken oder Verstöße gegen die Vorschriften eine bedeutende Rolle in dem größten Enthüllungsskandal in der 61-jährigen Geschichte der NSA spielten. Bereits im Sommer hatte es Mutmaßungen gegeben, dass Snowden die Log-ins direkt von hochrangingen Mitarbeitern bekommen haben könnte, detailliertere Informationen waren aber im Vorfeld des nun veröffentlichten Berichts nicht an die Öffentlichkeit gedrungen.
Die US-Regierung geht davon aus, den Umfang der Daten, die Snowden heruntergeladen hat, gut einschätzen zu können. Aus Kreisen der Ermittler verlautete indes, es könne noch nicht gesagt werden, über welche und wie viele Daten Snowden tatsächlich verfüge. Snowden hält sich derzeit in Russland auf, wo er vorübergehend Asyl erhalten hat.
„Gegner reiben sich die Hände“
Stets haben Geheimdienste, die teilweise eng mit der NSA zusammenarbeiten, die Enthüllungen Snowdens als hochriskant kritisiert, zuletzt am Donnerstag, als der Chef des britischen Auslandsgeheimdienstes MI6, John Sawers, dem britischen Parlament sagte, dass großer Schaden entstanden und Einsätze gefährdet worden seien. „Es ist klar, dass sich unsere Gegner die Hände mit Freude reiben.“ Die radikalislamische Al-Kaida sauge die Informationen nur so auf.
Sawers musste wie der Chef des Inlandsnachrichtendienstes MI5 und der Leiter des Abhördienstes Government Communications Headquarters (GCHQ) erstmals öffentlich dem Parlament in London Rede und Antwort stehen. Anlass sind die Enthüllungen Snowdens, wonach auch Großbritannien heimliche Überwachungsprogramme in gewaltigem Ausmaß betreiben soll. Berichten zufolge hat etwa der GCHQ einen Horchposten auf dem Dach der britischen Botschaft in Berlin eingerichtet. Die Geheimdienstaffäre belastet auch das Verhältnis Deutschlands zu den USA, seitdem bekanntwurde, dass Bundeskanzlerin Angela Merkel von der NSA ausspioniert worden sein soll.
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