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Unterschiedliche Einschätzungen

Nach jahrelangem rasantem Wachstum hat sich das Tempo in den größten Schwellenländern in den letzten beiden Jahren doch deutlich verringert. Trotzdem würden China und andere aufstrebende Schwellenländer eine zunehmend wichtige Rolle im globalen Wirtschaftsgefüge spielen, so ein Fazit aus einer Expertendiskussion diese Woche in Wien - Chancen für die österreichische Exportwirtschaft inklusive.

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Die Antworten auf die Frage nach Chancen und Risiken in Ländern wie China, Indien, Russland und Brasilien fielen bei der von der Außenwirtschaft Austria veranstalteten Konferenz unter dem Titel „BRICS or Beyond?“ allerdings unterschiedlich aus. Während etwa Ruchir Sharma, Bestsellerautor und Chefstratege für Emerging Markets bei Morgan Stanley in New York, vor den Folgen der Schuldenpolitik Chinas und anderen „Verwerfungen“ eindringlich warnte und Vergleiche mit der Situation vor der Subprime-Krise in den USA zog, sehen andere Analysten die Situation noch weit weniger dramatisch.

Das Problem mit dem Wachstum auf Pump

Nachrichten zu Chinas Wirtschaft fielen sehr oft sehr negativ aus, beobachtete etwa Veronika Lammer, Research-Expertin bei der Raiffeisen Bank International (RBI), „da wird sicher einiges übertrieben“. Allerdings habe auch China übertrieben, und zwar bei den Investitionen, weshalb der Schuldenstand zuletzt stark gestiegen sei. China liege bei den Investitionen fast um ein Drittel vor den USA, der größten Volkswirtschaft der Welt. „Das kann auf Dauer nicht gehalten werden.“ Brasilien, Russland und Indien hätten dagegen zu wenig investiert.

Aufnahme von der BRICS Tageskonferenz 2013

ORF.at/Georg Krammer

Dietmar Fellner (WKÖ), Anna Stupnytska (Goldman Sachs), Ludovico Alcorta (UNIDO), Veronika Lammer (RBI), Roman Stöllinger (wiiw) und Oskar Andesner (WKÖ) im Gespräch über die politische und wirtschaftliche Entwicklung der BRIC-Staaten

Wie gefährlich ist Chinas Schuldenpolitik?

Roman Stöllinger, Ökonom beim Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) glaubt dagegen nicht, dass die Verschuldung in China „unmittelbar zu großen Problemen führen wird“. Viel Geld sei nämlich in produktive Investitionen geflossen und nicht in den Konsum. Es sei richtig, dass hohe Verschuldung in Krisen führe, allerdings geschehe das vorwiegend dann, wenn die Schuldenaufnahme zur Finanzierung des Konsums passiere. Stöllinger sieht jedenfalls wegen der Schuldenthematik in China „keine große Krise“ heraufdämmern.

Globale und lokale „Werkbänke“

Der Ökonom sieht die vier Länder unterschiedlich aufgestellt, etwa nach dem Grad ihrer „Integration in die internationale Arbeitsteilung“. Hier steche China als „globale Werkbank“ hervor, Mexiko ähnlich, während Russland und Brasilien primär die Position von Rohstofflieferanten einnähmen. In Zeiten sinkender Rohstoffpreise sei das für die beiden Letzteren ein entscheidender Nachteil.

Auf das Problem, dass gerade Russland und Brasilien wirtschaftlich etwas einseitig aufgestellt seien, wies in der Diskussion auch Ludovico Alcorta, Direktor für Entwicklungspolitik bei der UNIDO, hin. Beide Länder müssten ihre „Nischen“ verlassen. Indien etwa erhalte von der UNO-Organisation für industrielle Entwicklung Beratung zum Thema Automobilcluster. Südafrika (seit 2010 das große S im Zusammenschluss der fünf BRICS) wiederum wolle strategische Entscheidungshilfe für die Ausrichtung seiner Wirtschaft. Ein Wunsch aller Staaten sei es, ihre Industrie internationaler aufzustellen.

Auch für Österreich immer wichtiger

In Sachen Strukturprobleme und Reformen hat - davon zeigte sich Anna Stupnytska, Ökonomin und Chefstrategin für Emerging Markets bei Goldman Sachs in London - China die Nase vorne. Indien und Brasilien, aber auch Russland hätten dagegen in den letzten Jahren eher „enttäuscht“. In der Kategorie der Growth Markets (BRIC plus Südkorea, Mexiko, Indonesien und Türkei) sei das Land, das in diesem Punkt hervortrete, eindeutig Mexiko. Das Land profitiere nicht nur von seiner Rolle als „Hinterhof der USA“, sondern habe in den letzten Jahren Reformen auf den Weg gebracht, die sich künftig rechnen würden.

Betreffend die Perspektiven für österreichische Exporteure bestehe durchaus „Anlass für Optimismus“, sagte Stöllinger. Die BRIC-Staaten seien für Österreich wichtiger, als manche Statistik glauben lasse, der Positivtrend sei „eher anhaltend“. China etwa werde ein immer wichtigerer Exportpartner. Laut Statistik der Wirtschaftskammer (WKÖ) gingen 2012 fast 70 Prozent der heimischen Exporte in EU-Staaten, allerdings werde der Anteil der „Drittstaaten“ immer wichtiger, wofür neben den USA auch Asien und Afrika verantwortlich seien.

Georg Krammer, ORF.at

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