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Angehörige demonstrieren vor Gericht

Lange hatten die Angehörigen von 32 Todesopfern Gerechtigkeit gefordert, nun soll es so weit sein: Über vier Jahre nach dem verheerenden Zugsunglück im italienischen Viareggio in der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2009 begann am Mittwoch in der toskanischen Stadt Lucca der Prozess, der unter 33 Angeklagten die Verantwortlichen für die Tragödie klären soll.

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Neben dem Chef der italienischen Staatsbahnen (FS), Mauro Moretti, und weiteren FS-Managern muss sich dabei auch die Chefetage der in Wien ansässigen Firma GATX Rail Austria - Eigentümerin des entgleisten und explodierten Kesselwaggons - unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und Auslösung einer Brandkatastrophe verantworten. Einigen von ihnen wird auch vorgeworfen, Sicherheitsvorschriften verletzt zu haben.

„Nichts wird mehr sein wie vorher“

Lediglich vier Angeklagte waren zum Prozessauftakt anwesend. Dabei handelte es sich um Manager der italienischen Gesellschaft Cima, die sich um den Zusammenbau des explodierten Kesselwaggons drei Monate vor dem Unfall gekümmert hatte. Auch Moretti ließ sich wie alle anderen Angeklagten von seinen Rechtsanwälten vertreten. Vor dem Gericht versammelten sich Angehörige der Opfer, sie trugen Fotos der Opfer und Spruchbänder mit sich. „Viareggio, 29. Juni - nichts wird mehr sein wie vorher“, war darauf unter anderem zu lesen.

Luftbild des Zugsunglücks

Reuters/Corpo Nazionale

Viareggio am Morgen nach dem Unglück

Die etwa 100 Angehörigen der Opfer forderten mehr Sicherheit im Bahnsystem. „Für uns ist heute ein sehr wichtiger Tag. Wir verlangen einen fairen Prozess. Wer für diese Katastrophe verantwortlich ist, soll zahlen. Wir wollen, dass so ein Bahnunglück nie wieder vorkommt“, sagte Daniela Rombi, Präsidentin des Komitees der Hinterbliebenen. Rombis Tochter Emanuela war nach 42 Tagen im Krankenhaus an den Folgen des Unfalls gestorben.

Karussell aus gegenseitigen Vorwürfen

Am 29. Juni 2009 war kurz vor Mitternacht ein Güterzug in unmittelbarer Nähe des Bahnhofs von Viareggio entgleist, worauf einer der mit Flüssiggas gefüllten Tankwaggons explodierte. Die Detonation und der anschließende Großbrand richteten im Zentrum der Stadt schwere Verwüstungen an. Rund tausend Menschen mussten in Sicherheit gebracht werden. Der Güterzug in Viareggio bestand aus 14 Druckgaskesselwaggons, die im Eigentum der GATX Rail Austria GmbH und ihrer Tochterunternehmen standen.

Bereits unmittelbar nach dem Unglück hatten gegenseitige Schuldzuweisungen begonnen: Italien zeigte mit dem Finger auf GATX als Eigentümerin der Waggons und führte etwa ins Treffen, dass das rollende Material überaltet, von minderwertiger Qualität und schlecht gewartet gewesen sei. GATX verwies wiederum auf vorschriftsmäßig absolvierte Tests an den Waggons, gerade auch durch italienische Prüfer. Diese behaupteten ihrerseits, nur im Auftrag von GATX gehandelt zu haben.

Zerstörte Lokomitive

Reuters/Stefano Rellandini

Das Wrack des Güterzugs

Schlitzte Stahltraverse Waggon auf?

Die Staatsanwälte behaupten, dass in einem der Radsätze ein Riss vorhanden war, der zum Zeitpunkt der letzten Inspektion des Radsatzes durch GATX hätte erkannt werden müssen. Da dieser vermutlich übersehen worden sei, hätte dieser die Entgleisung und das Bersten des Tanks verursacht. GATX weist jedoch darauf hin, dass der Tank mit hoher Wahrscheinlichkeit durch eine senkrecht im Boden verankerte Stahltraverse aufgerissen wurde, die in den Verantwortungsbereich der italienischen Staatsbahn fällt.

„GATX beabsichtigt, sich vehement gegen die Anschuldigungen des Staatsanwaltes zu verteidigen und wird mehrere wissenschaftliche und technische Nachweise in dem Verfahren vorlegen, dass das Unternehmen jederzeit und in jeder Hinsicht in Übereinstimmung mit allen Vorschriften und Instandhaltungsregeln gehandelt hat“, hieß es am Mittwoch in einer Aussendung von GATX. Neben der Schuldfrage geht es auch um Schadenersatzansprüche von Angehörigen. Dementsprechend rechnet auch die Firma „mit einer längeren Dauer des Verfahrens“.

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