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Vorurteile auf beiden Seiten

Die Chinesen sind auf großer Einkaufstour - im Gepäck rund 400 Mrd. Euro an Auslandsinvestitionen. Bisher standen die USA, Kanada und Australien ganz oben auf ihrer Liste, doch mittlerweile haben sie auch Europa als lohnende Investitionsquelle entdeckt. Und seit der Krise ist das Interesse an chinesischem Geld in vielen Ländern groß - doch nicht alle Türen stehen offen.

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Wenn die Rede auf chinesische Investitionen in Österreich fällt, dann wird stets auf die Übernahme des oberösterreichischen Flugzeugzulieferers FACC durch die chinesische XAC verwiesen. Und tatsächlich könnte man sich kein besseres Beispiel für eine geglückte Fusion vorstellen: eine österreichischen Firma die den Sprung auf den großen chinesischen Markt schafft und gleichzeitig den heimischen Standort ausbaut.

„Kaufwut ist nicht so groß wie erwartet“

Doch diese Übernahme liegt bereit vier Jahre zurück, und seitdem ist es mit wenigen Ausnahmen still um große chinesische Projekte in Österreich geworden. 2011 kaufte der chinesischen Wolong-Konzern Teile der insolventen A-Tec und in diesem Sommer übernahmen zwei chinesische Familienunternehmen den Raststättenbetreiber Rosenberger. Doch damit hat es sich dann auch schon. Während Chinesen in ganz Europa auf Shoppingtour gehen, machen sie um Österreich offenbar einen großen Bogen.

Hannes Androsch, Meng Xiangkai

APA/Hans Klaus Techt

FACC-Vorstand Hannes Androsch und der Präsident von XAC Meng Xiangkai bei der Vertragsunterzeichnung 2009

„Die tatsächliche Kaufwut ist nicht so groß wie erwartet“, bestätigt auch Rechtsanwalt Georg Zanger, der mit seinem Verein Austria-Chinese Business Association (ACBA) chinesische Unternehmen bei ihrem Sprung nach Österreich berät. Das liege einerseits daran, dass Österreich - abgesehen vom Neujahrskonzert - in China kaum bekannt sei und daher immer wieder Aodili (chin. für Österreich) mit Aodalia (Australien) verwechselt werde, aber auch an der Zurückhaltung heimischer Unternehmer, wenn es um chinesische Investoren geht.

Zanger erinnert sich an eine von ihm mitorganisierte Veranstaltung, zu der eine „Delegation aus 35 chinesischen Spitzenunternehmen“ geladen war, um mit heimischen Unternehmern aus allen möglichen Branchen, von Holz über Möbelbau bis hin zu Wein, zusammenzutreffen. Von österreichischer Seite erschienen ganze elf Unternehmer, was bei den Chinesen einige Irritation sorgte.

Heile Natur und Mozart punkten

Dabei kann Österreich mit seiner intakten Natur, der guten Luft und dem reichen Kulturangebot bei chinesischen Touristen besonders punkten. Mittlerweile gehören Chinesen zu der am stärksten wachsenden Gästegruppe und zählen hinter den Russen mittlerweile zu den spendabelsten Urlaubern. Doch allen Gebirgsseen, Neujahrskonzerten und Mozartkugeln zum Trotz - dauerhaft in Österreich investieren wollen die Besucher aus dem „Reich der Mitte“ dann doch nicht, wie Franz Hartl, Geschäftsführer der Österreichischen Hotel- und Tourismusbank, gegenüber ORF.at bestätigt.

Es habe einmal eine Anfrage nach einem Hotel am Stadtrand von Wien gegeben, mit Schwerpunkt für traditionelle chinesische Medizin, doch daraus sei nichts geworden, so Hartl. Die letzten drei Hotels, die verkauft wurden, gingen alle an russische Interessenten. Das könne sich durch die wachsende Reiseaktivität der Chinesen in den nächsten Jahren jedoch ändern, glaubt Hartl. „Investoren folgen den Gästen.“ Umgekehrt ebnen Investoren wiederum neuen Gäste aus ihrem Herkunftsland den Weg nach Österreich. Ressentiments gegenüber chinesischen Investoren habe man keine, erklärt Hartl.

Österreichs Angst vor der „gelben Gefahr“

Doch mit dieser Einstellung steht Hartl eher alleine da. „Es gibt Vorurteile,“ räumt etwa Zanger ein. Viele Unternehmer würden davon ausgehen, dass Chinesen unzuverlässig und gefährlich seien, aber auch dass sie „geistige Schöpfungen stehlen oder mangelhafte Ware produzieren." Zanger und sein Verein werden nicht müde darauf hinzuweisen, dass mittlerweile auch in China moderne Gesetze eingeführt wurden und bei Investitionen in Österreich sowieso das österreichische Recht gilt und geistiges Eigentum damit gut abgesichert ist. „Und mangelhafte Ware wird im Billigsektor überall produziert.“

Auch im direkten geschäftlichen Kontakt kann es zu Missverständnisse kommen. Im Gegensatz zu Amerikanern seien Chinesen viel zurückhaltender, erklärt Zanger. „Ein chinesischer Investor wird sich viel erzählen lassen, selbst aber kaum Erklärungen mit Eckdaten abgeben und nur ungern von sich aus einen Preis nennen.“ Zudem habe es in China Tradition alte Kriegslisten auch im Wirtschaftsleben anzuwenden.

Mit Kriegslist zum Erfolg

Die Sammlung der 36 Strategeme, die im fünften Jahrhundert von einem chinesischen General verfasst wurden, gehört in China zum Allgemeingut und wird von jedem Schulkind beherrscht. Hinter so blumigen Bezeichnungen wie „Einen Backstein hinwerfen, um Jade zu erlangen“ oder „Die Zikade wirft ihre goldglänzende Haut ab“ verbergen sich Täuschungsmanöver, die nicht nur in der Kriegsführung, sondern auch bei Geschäftstreffen durchaus zum Erfolg führen können - vor allem wenn der Gegner sich allzu leicht überrumpeln lässt.

Um mit Chinesen Geschäfte zu machen, müsse man sich mit diesen Überlistungstechniken vertraut machen und sich gegebenenfalls Gegenstrategien überlegen, rät Zanger. „Wenn man sich darauf einstellt und zeigt, dass man sie kennt, bekommt man auch Respekt.“ Zudem sei dank neuer Gesetze in China auch nicht mehr jede List zulässig.

„Wir sind noch nicht entdeckt“

Doch auch umgekehrt ist der österreichische Markt aufgrund der verschiedenen Regeln und Verbote kein einfacher für chinesische Geschäftsleute. „Der Chinese ist jemand, der zuerst ans Geschäftsmodell denkt, und alles, was Verwaltungshindernisse bringt, ist er nicht gewohnt“, erklärt Herbert Kovar, China-Experte beim Wirtschaftsprüfungsunternehmen Deloitte. Österreich stehe mit seinen Gesetzen zwar innerhalb Europas nicht alleine da, doch „die Konkurrenz ist groß“.

Es finde in Europa ein starker Wettbewerb um Kapital und Marktzugang statt, und in vielen Ländern unterstütze die öffentliche Hand die Beziehungen mit China. Chinesen würden sich nicht von vornherein für Österreich entscheiden, erklärt Kovar gegenüber ORF.at. „China hat uns noch nicht entdeckt.“ Es bedürfe daher viel Überzeugungsarbeit in China, um auf Standortvorteile aufmerksam zu machen. „Es gibt viele Länder, die proaktiv auf China zugehen.“

Aufenthaltstitel als Standortentscheidung

Als ein großes Problem sieht Kovar die Schwierigkeit für ausländische Investoren, an Aufenthaltstitel zu kommen. „Hier könnten wir liberaler werden. Denn am Ende des Tages, wenn es für die Chinesen schwierig wird, Ankaufsverhandlungen zu führen oder sich Objekte anzusehen, wird das ein Grund sein, sich für einen anderen Standort zu entscheiden.“ Andere europäische Länder sind hier mittlerweile viel flexibler geworden. So bekommen EU-Ausländer zum Beispiel in Griechenland, Spanien und Zypern beim Kauf einer teuren Immobilie automatisch eine Aufenthaltsgenehmigung dazu.

„Österreich muss chinesische Investoren als Chance sehen und nicht als Bedrohung“, appelliert Kovar auch an die öffentlichen Stellen. Die Bedenken, dass bei einer Öffnung „ein Heer billiger Arbeitskräfte nach Österreich kommt“, kann Kovar zerstreuen. Heimische Unternehmen, die für Chinesen interessant sind, sind vorwiegend auf Nischenprodukte spezialisiert. Die Massenproduktion würde zwar in China stattfinden, doch die Forschungs- und Entwicklungsabteilungen im Land würden ausgebaut, sagt Kovar und verweist einmal mehr auf das Beispiel FACC.

Gabi Greiner, ORF.at

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