Themenüberblick

Tiefkühlkost, an lyrischer Prosa serviert

Der in anderen Ländern schon länger zu beobachtende Supermarkt-Trend von „noblen“ Eigenmarken der Handelsketten hat nun auch in Österreich voll durchgeschlagen. Die beiden großen heimischen Konkurrenten, REWE und Spar, feuern derzeit aus allen Rohren mit Trüffeln und anderen Delikatessen auf ihre Kundschaft. Die Umsatzzuwächse sind imposant.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Die Spar-Gruppe importierte den Trend vor zwei Jahren nach Österreich. Seither sei das Sortiment aufgrund der „starken Nachfrage“ in der Produktlinie von 80 auf derzeit 220 Produkte angewachsen, so der Konzern gegenüber ORF.at. Bei REWE Österreich sieht es ähnlich aus. Die entsprechende Billa-Eigenmarke startete zwar erst heuer, auch dort ist man mit der Entwicklung aber schon jetzt „sehr zufrieden“. Beide Konzerne arbeiten intensiv am Ausbau des Sortiments. Zuletzt kam eine eigene Toplinie bei Frischfleisch in REWEs Merkur-Märkten dazu.

29 Prozent Plus in einem Jahr

Die Umsätze mit der hauseigenen Topmarke seien innerhalb eines Jahres um 29 Prozent gewachsen, gab Spar preis. Am besten verkauft sich demnach Genussfertiges: Käse, Konfitüren, Schokoladen und Knabbereien sind laut Angaben des Konzerns die vier Topseller. Dementsprechend will die Handelsgruppe nun die „edle“ Dessertschiene - offenbar auch mit einem Seitenblick auf die REWE-Konkurrenz - ausbauen: Demnächst sollen Tartes, Pralinen und Creme brulee in die Regale kommen.

Das große Geheimnis der Supermarktketten bleibt freilich, wie sehr sich das neue Geschäft für sie selbst lohnt - in anderen Worten, wie groß die Margen im neuen Top-Eigenmarkensegment sind, also wie viel „Top“ der Konsument für sein Geld tatsächlich bekommt und wie viel davon nur Image ist. Wohl nicht zufällig lassen sich Produkte in dem Segment nur schwer vergleichen. Da gibt es nicht einfach Honig oder eingelegtes Gemüse: Eine einmal da oder dort eingelegte Chilischote oder Trüffel, wo gar kein Trüffel dazupasst, veredeln dann Produkt und Preis.

Auf die Innenseite des Rückens kommt es an

Wenn es um Produktgruppen geht, an denen nur schwer herumzubasteln ist, dann muss einigermaßen lyrische Prosa herhalten: Das tiefgekühlte Fischfilet rechtfertigt dann seinen Preis, indem es garantiert von der „Rückeninnenseite“ des Tieres kommt, beim Olivenöl wird aus der gewöhnlichen Kaltpressung eine noble „Extraktion“ mitsamt Verweis auf die 2.000-jährige Anbautradition der Herkunftsgegend - auf die auch freilich jedes andere Olivenöl der Welt verweisen könnte. Vergleiche sind dennoch möglich.

Rätselnuss in Akazienhonig

Wenn man etwa ein Glas in Akazienhonig eingelegte Nüsse kaufen will, hat man die Qual der Wahl: Das kostet in der Nobelecke des Supermarkts 27,50 pro Kilo. Im Internet vom Spezialisten mit großem Namen bestellt, muss man mit 53,28 Euro tatsächlich wesentlich mehr für die Spezialität berappen. Leicht zu finden sind allerdings auch entsprechende Produkte heimischer Bioanbieter, die zudem aus der Herkunft ihrer Zutaten kein Geheimnis machen, um 28 Euro und weniger.

Das große Geschäft ist mit den Top-Eigenmarken trotzdem nicht zu machen, wie Branchenkenner gegenüber ORF.at versichern: Ein durchschnittlicher Supermarkt führt rund 8.000 verschiedene Artikel, da macht der eine oder andere paprizierte Feigensenf das Kraut nicht wirklich fett. Allerdings hat die „noble“ Produktgruppe einen entscheidenden Vorteil: Sie ist gegenüber dem Preiskampf mit Aktionen halbwegs resistent, Schnäppchenjägerei verträgt sich schließlich schlecht mit Luxus-Image.

Ein zarter Abglanz von Balsamico

REWE macht aus seiner Preispolitik kein Geheimnis: Produkte bei der Top-Eigenmarke sollen zehn bis 20 Prozent weniger als ein vergleichbares Markenprodukt kosten, aber zehn bis 20 Prozent mehr als andere Eigenmarken der Kette. Wert haben die Produkte für die Konzerne aber auch, wenn sie nicht gekauft werden. Die Luxuslinie bedeute für die Konzerne schlicht eine Investition ins Image, meinen Marktforscher. Selbst beim Kauf von Hesperidenessig fühlt man sich ein wenig besser, wenn er Seite an Seite mit dem Balsamico im Regal steht.

Zum Teil dürften die Produktlinien auch „einander befetzenden Marketingabteilungen“ zu verdanken sein, wird gemutmaßt. Denn in der Realität der Bilanzen ist angesichts eines immer schärferen Preiskampfes, standorttreuer Kunden und rückläufiger Verkaufsmengen wenig Platz fürs Wetteifern in feingeistigem Luxus. Wie es heißt, hätten Konzerne zum Teil schon „mit einer Aktion mehr verloren“, als sie im gesamten Luxus-Segment erwirtschaften könnten.

Lukas Zimmer, ORF.at

Links: