Schummlern auf die Schliche gekommen
Noch länger, noch breiter, noch anspruchsvoller: Unter den Skigebieten findet seit Jahren ein Wettlauf um die meisten Pistenkilometer statt. Alles falsch, behauptete der deutsche Skiführerautor Christoph Schrahe im vergangenen Winter und trat damit eine heftige Diskussion los. Nun haben Tiroler Liftbetreiber nachgemessen - und siehe da, so manches Pistenvergnügen findet ein schnelles Ende.
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Schrahe befasst sich seit vielen Jahren mit der digitalen Vermessung von Skigebieten. Zuletzt testete er die Pisten und Liftanlagen der bedeutendsten Skigebiete der Alpen und erfasste sie in einer umfangreichen Datenbank. Damit lagen erstmals einheitliche Kriterien über Pistenlänge, Ausdehnung des Skigebietes und Höhendifferenz vor, die in einigen Fällen so gar nicht den Angaben der Liftbetreiber entsprachen.
Breite Pisten wurden doppelt gezählt
So kam zum Beispiel der Stubaier Gletscher bei Schrahe nur noch auf 48 Pistenkilometer statt der bisher 129,5. Schrahe erklärte den eklatanten Unterschied mit einem fehlenden Regelwerk zur Überprüfung der Größe von Skigebieten. So rechtfertigte sich der Stubaier Gletscher auf seiner Homepage mit dem Hinweis, dass bei der Pistenlänge „die effektive Fahrstrecke und nicht die Luftlinie angegeben“ wurde. Zudem zählte ab 100 Meter Pistenbreite eine Piste doppelt, weil es möglich wäre, zwei Pisten nebeneinander zu führen. Auch das Skigebiet Hochzillertal bekam kräftig Kilometer abgezogen und wird bei Schrahe nur noch mit 75 statt mit 181 Pistenkilometern geführt.
Buchautor Schrahe
Christoph Schrahe ist Autor der Bücher „Ski Weltweit“ und „Vista Point Ski Guide Nordamerika“. Zudem schreibt er regelmäßig Beiträge für große Skiatlanten auf dem deutschen Markt.
Diesen Vorwurf wollten die Tiroler Seilbahnen nicht auf sich sitzen lassen und maßen nun nach einheitlichen Kriterien nach. „Ich weiß von Skigebieten, die mit Zivilingenieuren nachgemessen haben. Andere haben mit Google Earth die Pistenkilometer genau nachvollzogen. Wichtig ist, dass die Maße, die angegeben sind, auch nachvollziehbar sind“, sagt der Zillertaler Franz Hörl, oberster Seilbahnvertreter Österreichs. Er geht davon aus, dass alle Skigebiete den Empfehlungen Folge geleistet haben - mehr dazu in oesterreich.ORF.at.
Statt 181 Pistenkilometern nur 88
Tatsächlich kamen die Vermesser einigen Schummlern auf die Schliche. So weist das Skigebiet Hochzillertal statt früher 181 jetzt nur noch 88,32 Pistenkilometer auf. Der Stubaier Gletscher warb früher mit 110 Pistenkilometern. Nun berichtet er auf seiner Homepage von 62 Kilometern in der Falllinie - das ist „die Strecke vom Beginn der Piste geradeaus bis zum Ende der Piste“. Nur als Zusatz werden die 104 Kilometer „effektive Fahrstrecke, die ein durchschnittlicher Skifahrer auf einer Piste zurücklegt“, angegeben.

Silvretta Seilbahn AG
Die verschiedenen Arten, Pistenkilometer zu erfassen
In Ischgl-Samnaun werden überhaupt in einer Grafik auf der Homepage die Messergebnisse gezeigt. In Zahlen sind das 163 Kilometer in horizontaler Messung, 172 bei Schussfahrt und 238 bei einer sportlichen Fahrt. Das Skigebiet Wilder Kaiser im Brixental wirbt in dieser Saison nun mit „ehrlichen 279 Pistenkilometern“. Diese seien von einer externen Vermessungsfirma bestätigt worden, so die Betreiber. Damit sei der Wilde Kaiser nun auch offiziell das „größte zusammenhängende Skigebiet Österreichs“.
Salzburg: Ski Amade verliert 100 Kilometer
Auch in Salzburg mussten einige Zahlen nach unten revidiert werden. Nach neuer Zählweise hat Ski Amade in Summe rund 100 Pistenkilometer eingebüßt - von insgesamt 860 Kilometer auf nunmehr 760 Kilometer. „Die Zahlen war vorher nicht falsch, nur ist die Messung jetzt normiert worden“, betonte Ski-Amade-Mangager Christoph Eisinger gegenüber der APA. „Am Angebot für den Skifahrer hat sich ja nichts geändert.“
Nicht nachgemessen wurden übrigens die mit 200 Kilometern Länge ausgewiesenen Pisten im Skiverbund Saalbach-Hinterglemm/Leogang. „Wir sind in dem Artikel in der ‚Frankfurter Allgemeinen Zeitung‘, der die Diskussion im Jänner 2013 ins Rollen gebracht hat, als löbliche Ausnahme erwähnt worden“, so Walter Steiner, Betriebsdirektor und Prokurist der Saalbacher Bergbahnen. Die Abweichung sei nur bei wenigen Prozent gelegen, Handlungsbedarf war nicht gegeben.
Mit weiteren Korrekturen rechnen die Salzburger Seilbahnen nicht. „Wegen der niedrigen Höhenlage und der vielen Pisten im Wald haben wir in Salzburg keine so riesigen Flächen. Es gibt daher weniger breite Pisten, die doppelt oder dreifach gerechnet werden können“, so Ferdinand Eder vom Fachverband der Salzburger Seilbahnen.
Im Ausland machen nicht alle mit
Geschwindelt wurde mit den Pistenkilometern auch in französischen, Schweizer und italienischen Skigebieten wie Portes du Soleil, Trois Vallees und Sella Ronda. Doch nicht überall nimmt man es mit dem Nachmessen so genau. So sind es im französischen Foret Blanche nach wie vor nach horizontaler Methode nur 71 Kilometer – geworben wird aber mit 185. Im Gebiet Monterosa in Italien sind es 71 statt versprochener 180. Besonders auffallend ist das Skigebiet 4 Vallees in der Schweiz - satt versprochener 412 Pistenkilometer gibt es nur 159.
„Wie intensiv das Ganze bearbeitet wird, liegt außerhalb meines Einflusses. Ich glaube, dass der Druck vom Markt entsteht“, sagt Hörl. Musterschüler waren neben Saalbach-Hinterglemm/Leogang auch Kitzbühel und der Arlberg mit St. Anton, Lech und Zürs. Dort wurden nur jene Pistenkilometer beworben, die den strengen Kriterien auch wirklich entsprechen.
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