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„Basis für Erholung geschaffen“

EU-Wirtschafts- und -Währungskommissar Olli Rehn sieht eine schrittweise Erholung der europäischen Wirtschaft. Bei der Präsentation der EU-Herbstprognose am Dienstag sagte Rehn, es gebe „wachsende Anzeichen, dass die Wirtschaft einen Wendepunkt erreicht hat. Die fiskale Konsolidierung und die Strukturreformen haben die Basis für eine Erholung geschaffen.“

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Es sei aber zu früh, eine Sieg auszurufen, sagte Rehn weiter. So bleibe die Arbeitslosigkeit auf einem „inakzeptabel hohen Wert“. Deswegen „müssen wir unsere Arbeit fortsetzen, die europäische Wirtschaft zu modernisieren hin zu nachhaltigem Wachstum und der Schaffung von Jobs“, so Rehn. Die Herbstprognose könnte sich auch auf den für Donnerstag erwarteten Zinsentscheid der Europäischen Zentralbank (EZB) auswirken.

Wachstum erst 2014

In der EU-28 wird es laut Herbstprognose heuer kein Wirtschaftswachstum geben (0,0 Prozent), in der Euro-Zone sogar einen Rückgang um 0,4 Prozent. Das ist zwar geringer als das Minus von 0,7 Prozent im Vorjahr (in der EU hatte es 2012 einen Rückgang von 0,4 Prozent gegeben), doch wird erst für 2014 wieder ein Plus in beiden Gebieten vorausgesagt. So soll in der Euro-Zone das Wirtschaftswachstum im nächsten Jahr 1,1 Prozent betragen und 2015 auf 1,7 Prozent steigen, in der EU-28 wird eine Zunahme um 1,4 Prozent für 2014 und ein Plus von 1,9 Prozent für 2015 prognostiziert.

Problemländer weiter in der Krise

Österreich weist mit 0,4 Prozent Wachstum im laufenden Jahr zwar den niedrigsten Wert der vergangenen Jahre auf, aber doch ein Plus. Damit liegt Österreich in der Euro-Zone an siebenter Stelle hinter Lettland (4,0 Prozent), Luxemburg (1,9), Malta (1,8), Estland (1,3), der Slowakei (0,9) und Deutschland (0,5).

Den schlechtesten Wert weist das Krisenland Zypern auf, wo die Wirtschaft um 8,7 Prozent schrumpft. Dahinter liegen Griechenland (minus 4,0 Prozent), Slowenien (minus 2,7), Italien und Portugal (je minus 1,8), Spanien (minus 1,3), die Niederlande (minus 1,0), als erstes Nicht-Euro-Land Tschechien (minus 1,0) dann der EU-Neuling Kroatien (minus 0,7) und Finnland (minus 0,6).

Ein Plus weisen auch noch Litauen (3,4 Prozent), Rumänien (2,2), Polen und Großbritannien (je 1,3), Schweden (1,1), Ungarn (0,7), Bulgarien (0,5), Irland und Dänemark (je 0,3), Frankreich (0,2) und Belgien (0,1) auf.

Inflation sollte zurückgehen

Die Inflationsrate in der Euro-Zone wird laut der EU-Herbstprognose im laufenden Jahr 1,5 Prozent betragen. 2012 hatte sie noch 2,5 Prozent ausgemacht, die Teuerung soll in der Währungsunion laut den Prognosen im nächsten Jahr ebenfalls bei 1,5 Prozent liegen. Österreichs Inflation wird für 2013 mit 2,2 Prozent angenommen, wobei für die nächsten beiden Jahre ein Rückgang auf je 1,8 Prozent vorausgesagt wird. Die EU-28 soll im laufenden Jahr eine Teuerungsrate von 1,7 Prozent aufweisen, ein Rückgang gegenüber den 2,6 Prozent im Vorjahr. Für 2014 und 2015 ist nur eine geringfügige Steigerung auf je 1,6 Prozent zu erwarten.

Die stärkste Teuerung wird für 2013 in Estland mit 3,4 Prozent vorausgesagt. Dann folgen Rumänien (3,3 Prozent), die Niederlande (2,7), Großbritannien und Kroatien (je 2,6) und an sechster Stelle Österreich gemeinsam mit Finnland (je 2,2 Prozent). Dahinter liegen Ungarn und Slowenien (je 2,1 Prozent), Spanien und Luxemburg (je 1,8), Deutschland (1,7), Italien (1,5), Tschechien und Litauen (je 1,4), Malta (1,1), Frankreich, Polen und Zypern (je 1,0), Irland (0,8), Portugal, Dänemark und Schweden (je 0,6), Bulgarien (0,5) sowie Lettland (0,3). Griechenland kommt als einziges Land mit minus 0,8 Prozent auf eine negative Teuerung.

Zur niedrigen Inflation stellte Rehn fest, das Risiko einer Deflation „scheint gegenwärtig doch in weiter Ferne“. Die mittelfristigen Inflationsprognosen würden ganz gut aussehen. Die EZB habe auch klargemacht, dass die Zinssätze entsprechend geändert werden oder mehr Liquidität eingeschossen wird, damit es nicht zu einer Deflation komme.

Rekordarbeitslosigkeit droht

Österreich bleibt sowohl im laufenden Jahr als auch 2014 das Land mit der niedrigsten Arbeitslosigkeit. Für 2013 wird mit 5,1 Prozent (nach EU-Berechnung) allerdings ein Anstieg gegenüber dem Vorjahr (4,3 Prozent) vorausgesagt. 2014 soll Österreichs Arbeitslosenrate auf 5,0 wieder leicht sinken und 2015 weiter auf 4,7 Prozent abnehmen.

Laut Prognose erreicht die Euro-Zone mit 12,2 Prozent den höchsten bisherigen Wert (2012 waren es 11,4 Prozent), 2014 wird keine Änderung prognostiziert, erst 2015 soll es einen Rückgang auf 11,8 Prozent geben. In der EU-28 rechnet die Herbstprognose ebenfalls mit einem Rekordarbeitslosenwert von 11,1 Prozent (2012: 10,5). 2014 soll es einen leichten Rückgang auf 11,0 und 2015 auf 10,7 Prozent geben.

Im laufenden Jahr folgen hinter Österreich Deutschland (5,4), Luxemburg (5,7), Malta (6,4), die Niederlande (7,0), Tschechien (7,1), Dänemark und Rumänien (je 7,3), Großbritannien (7,7), Schweden (8,1), Finnland (8,2), Belgien (8,6), Estland (9,3), Polen (10,7), Ungarn und Frankreich (je 11,0), Slowenien (11,1), Lettland und Litauen (je 11,7), Italien (12,2), Bulgarien (12,9), Irland (13,3), die Slowakei (13,9), Zypern (16,7), Kroatien (16,9), Portugal (17,4), Spanien (26,6) und Griechenland (27,0).

Griechenland weiter Sorgenkind

Griechenland wird laut der EU-Herbstprognose heuer eine Staatsschuld von 176,2 Prozent des BIP haben und damit den höchsten Stand innerhalb der 28 Mitgliedsländer der EU aufweisen. Das ist allerdings weniger als noch vor einem Jahr vorhergesagt, damals wurde für 2013 die Staatsverschuldung auf 188,4 Prozent geschätzt.

2013 dürfte damit offenbar der Höhepunkt der langsam abflauenden Wirtschaftskrise erreicht sein. Hinter Griechenland folgt Italien, das mit 133,0 Prozent ebenfalls einen Höchstwert erreicht, gefolgt von Portugal (127,8), Irland (124,4), Zypern (116,0) und Belgien (100,4) als sechstem Land im unrühmlichen „100er-Club“.

Höchststand bei Staatschuld prognostiziert

Danach kommen Spanien (94,8 Prozent), Großbritannien (94,3), Frankreich (93,5), Ungarn (80,7), Deutschland (79,6), die Niederlande und Österreich (je 74,8), Malta (72,6), Slowenien (63,2), Kroatien (59,6), Finnland (58,4), Polen (58,2), die Slowakei (54,3), Tschechien (49,0), Dänemark (44,3), Lettland (42,5), Schweden (41,39, Litauen (39,9), Rumänien (38,5), Luxemburg (24,5), Bulgarien (19,4) und Estland (10,0).

In der Euro-Zone stieg die Staatsschuld gegenüber 2012 von 92,6 auf 95,5 Prozent, für 2014 wird der Höchststand von 95,9 Prozent prognostiziert, 2015 soll es dann einen Rückgang auf 95,4 Prozent geben. In der EU-28 beträgt die Steigerung von 2012 86,6 Prozent auf heuer 89,7 Prozent, wobei auch für 2014 der Rekord von 90,2 Prozent vorausgesagt wird und 2015 ein leichtes Sinken auf 90,0 Prozent.

Schlüsselrolle für Deutschland und Frankreich

Generell sieht Rehn für Deutschland und Frankreich eine Schlüsselrolle zur Stärkung der Binnennachfrage und der Produktionsinvestitionen. Allerdings müssten auch die anderen Länder vor allem der Euro-Zone die notwendigen Strukturreformen umsetzen.

Rehn stellte Deutschland die Rute ins Fenster. Das Land solle „die entsprechenden Bedingungen schaffen, um nachhaltig die Löhne anzuheben“, so Rehn. Die Leistungsbilanz in Deutschland sei mit 7,0 Prozent für 2012 und 2013 hoch, und laut Prognose werde es 2014 und 2015 einen Rückgang geben, doch gelte es, „Engpässe abzubauen, damit die Binnenmarktnachfrage in Deutschland steigt“. Gerade bei Niedriglöhnen müsste etwas getan werden, betonte Rehn.

Leistungsbilanz vor Überprüfung

Um die Binnennachfrage anzukurbeln, sollte mehr in Infrastruktur investiert werden. Deutschland sollte seine Wettbewerbsfähigkeit bei Dienstleistungen, im Bausektor und der Produktivität fördern. Der Kommissar verwies auf die nächste Woche im Rahmen des Europäischen Semesters vorzulegenden Indikatoren bei der makroökonomischen Entwicklung. Dabei gebe es auch den Indikator Leistungsbilanz. „Was Überschüsse angeht, haben wir sechs Prozent als Schwelle gesetzt, im Durchschnitt über drei Jahre. Angesichts der jüngst überarbeiteten Daten liegen die gegenwärtigen Bilanzen der Überschüsse Deutschlands seit 2007 bei über sechs Prozent.“

Die Kommission werde sich in der kommenden Woche dazu äußern, welche Mitgliedsländer der EU bei den wirtschaftlichen Ungleichgewichten genauer untersucht werden sollten. „Ich dringe auf eine analytische und nicht auf eine politisch motivierte Debatte“, sagte der Finne. Er spielte damit auf Kritik der USA an den deutsche Exportüberschüssen aus der vergangenen Woche an.

Mitterlehner: Positiven Trend unterstützen

Um den aktuellen Wachstumsvorsprung Österreichs in der Euro-Zone zu sichern, müssten Investitionen, Innovationen und Gründungen stärker unterstützt werden, so Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner (ÖVP) am Dienstag in einer Reaktion auf die EU-Herbstprognose. Die heimische Wirtschaft gewinne 2014 mit einem voraussichtlichen Wachstum von 1,6 Prozent deutlich an Fahrt - nach einem Plus von 0,4 Prozent heuer. „Diese positiven Trends müssen wir auf allen Ebenen unterstützen“, so der Minister.

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