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Das Leben auf der wilden Seite

Der US-Rocksänger Lou Reed ist an Komplikationen nach einer Lebertransplantation gestorben. Die Nachricht vom Tode des Sängers wurde am Sonntag zunächst im „Rolling Stone“ (Onlineausgabe) verbreitet und dann von seinem Agenten Andrew Wylie bestätigt.

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Der ehemalige Frontmann der prägenden Rockband Velvet Underground war Rebell, Rock-Junkie und Avantgarde-Musiker. Stets ließ er sich von seinen eigenen Projekten mitreißen. „Lulu“, das Konzeptalbum, das Reed mit der Metal-Band Metallica im vergangenen Herbst veröffentlichte, ist so ein Fall. Es basiert auf dem gleichnamigen Drama von Frank Wedekind und die Texte handeln von Verstümmelung, Inzest und Blut. Reed war der Meinung, er habe nie etwas Besseres geschrieben. „Da steckt so viel Wut drinnen, es ist berauschend (...) Manchmal finde ich es so emotional, dass ich aufstehe und es ausmachen muss“, sagte er über die Platte in einem Interview.

Karrierestart mit Velvet Underground

Die Jugend Reeds war schwierig. Seine Eltern schickten ihn wegen homosexueller Neigungen in psychiatrische Behandlung. Angeblich soll er dort Elektroschocks erhalten haben. Seine Karriere startete 1965 mit Velvet Underground. Nur fünf Jahre reichten, um Reed einen prominenten Platz in der Rockgeschichte zu sichern. Mit ihrem düster-schrägen Sound stellte sich die von Andy Warhol protegierte Band gegen die aufkommende Hippie-Bewegung - zunächst ohne großen kommerziellen Erfolg.

Lou Reed, 2010

picturedesk.com/EPA/Salvatore di Nolfi

Lou Reed bei der Präsentation des Albums „Lulu“

Ironie der Rockgeschichte: Das endlich erfolgreiche und von der Kritik gelobte Album „Loaded“, das deutlich Reeds Handschrift trägt, kam erst kurz nach dessen Bandausstieg 1970 auf den Markt. Stücke wie „Sweet Jane“ und „Rock ’n’ Roll“ wurden später zu Klassikern in seinem Repertoire.

TV-Hinweis

„Kultur.montag“ bringt am Montag um 22.30 Uhr in ORF2 einen Nachruf auf Lou Reed - mehr dazu in tv.ORF.at.

„Ich mag Musik, die mich körperlich erschüttert“

Legendär sind auch seine Soloalben „Transformer“ (1972), die grelle Lärmorgie „Metal Machine Music“ (1978) sowie seine Comeback-CD „New York“ (1989). Sie prägten den kühlen Stil Reeds und sein Motto: „Ich mag Musik, die mich körperlich erschüttert.“ Der sanfte Song „Perfect Day“, der in dem Film „Trainspotting - Neue Helden“ (1996) zu neuen Ehren kam, hört sich an wie eine Liebeserklärung. Viele deuten es allerdings als einen Lobgesang auf seinen Drogenkonsum. Denn Reed sorgte nicht nur mit seiner Musik für Schlagzeilen. Immer wieder wurde von Drogenexzessen des Musikers berichtet, der Ende der 1970er Jahre mit David Bowie und Iggy Pop in einer WG in Westberlin lebte.

Zusammenarbeit mit Robert Wilson und Bowie

Neuland betrat er 1996 mit der Komposition des Musicals „Time-Rocker“, das Regisseur Robert Wilson am Hamburger Thalia Theater inszenierte. Für das Werk „POEtry“ setzte Reed ebenfalls gemeinsam mit Wilson Gedichte und Texte von Edgar Allen Poe musikalisch um. Zwei Jahre später veröffentlichte er die CD-Fassung des Theaterstücks unter dem Titel „The Raven“ (2003). In Sing- und Sprechrollen wirkten dabei Bowie - sein alter Freund aus Glam-Rock-Tagen - sowie die Schauspieler Willem Dafoe und Steve Buscemi mit.

Lou Reed, 1997

AP/WNET, Kevin Mazur

„Ich mag Musik, die mich körperlich erschüttert“

„Dem Mainstream Avantgarde beigebracht“

Reed sei ein „außergewöhnlich begabter Sänger“ gewesen, der einen „tiefen Einfluss auf die Rockmusik und die gesamte Musikkultur gehabt“ habe, teilten die Veranstalter der Grammys mit, die als weltweit bedeutendste Musikpreise gelten. Er habe „dem Mainstream Avantgarde beigebracht“, hieß es weiter. „Wir haben einen wahren Visionär und kreativen Anführer verloren, dessen bahnbrechende Arbeit für immer einen Platz in der Musikgeschichte haben wird.“

Zahlreiche Kollegen und Prominente betrauerten den Tod des Musikers im Kurznachrichtendienst Twitter. „Mein Freund Lou Reed ist am Ende seines Songs angelangt“, schrieb beispielsweise der Bestsellerautor Salman Rushdie. „So traurig.“ Es sei ein „furchtbar trauriger Tag“, schrieb auch die Sängerin Kelly Osbourne. Sie sei ihm „extrem dankbar“ für alles, twitterte Schauspielerin Mia Farrow. Reeds Musik sei genau die seiner Generation und immer noch relevant, schrieb ihr Kollege Samuel L. Jackson. Der Hip-Hop-Produzent Russell Simmons twitterte: „New York hat eines seiner größten Geschenke verloren.“

Seine wilden Auftritte (Zeugnis davon legen die exzellenten Livealben „Rock ’n’ Roll Animal“ und „Live: Take No Prisoners“ ab) wurden in späteren Jahren gesitteter. Reed trat auch mit der Performance-Künstlerin Laurie Anderson (64) auf, seiner langjährigen Lebensgefährtin, die er im April 2008 heiratete. „Er lag im Sterben“, berichtete seine Ehefrau nach der Lebertransplantation im Frühjahr. Sie glaube nicht, dass sich ihr Mann „jemals vollständig erholen“ werde, aber er betreibe bereits wieder Tai-Chi und werde „in einigen Monaten“ auch andere Aktivitäten wieder aufnehmen, gab sich Anderson damals noch hoffnungsvoll.

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