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Scheitern am Recht auf das eigene Bild

Boris Becker hat eine Biografie geschrieben, bereits seine zweite. Das Leben nach seiner aktiven Zeit als Tennisstar will er damit beleuchten. Und diese Zeit ist weniger ruhmvoll als jene zuvor - vier Kinder mit drei Frauen und jede Menge private Niederlagen. Er wolle damit Lügen, Märchen und falsche Berichte über sein Leben richtigstellen, meint Becker.

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Doch einmal mehr zeigt sich auch bei Becker, dass es mehr als schwierig ist, Kontrolle über das eigene Bild in der Öffentlichkeit zu haben, sobald man erlaubt hat, dass jede Kleinigkeit des Privatlebens in den Medien breitgetreten wird.

Kontrolle und verkauftes Leben

„Das Leben ist kein Spiel“ heißt die Biografie. Er wolle zeigen, wie es ist, als öffentliche Person zu leben. Das sei nicht immer angenehm, meint er bei Interviews, bei denen Seriosität angesagt ist. Auf der Frankfurter Buchmesse etwa, aber auch bei seinem ORF-Auftritt bei „Willkommen Österreich“ vergangene Woche. Und Becker klingt dabei eigentlich auch glaubwürdig.

Boris Becker

Reuters/Ramon Espinosa

45 Jahre ist Becker mittlerweile, vom Sport wechselte er in die High Society

Doch dann gibt es die andere Seite: Nach dem Rosenkrieg mit seiner ersten Frau Barbara und etlichen Beziehungen und Affären, teils im Promimilieu, heiratete er 2009 Sharlely Kerssenberg - und verkaufte die Hochzeit an den Fernsehsender RTL. Weil der Name Sharlely ein bisschen schwierig auszusprechen ist und auch hohes Tippfehlerpotenzial hat, nennen deutsche Medien Kerssenberg einfach „Lilly“.

Demütigung fürs Marketing

Und auch beim Marketing für sein neues Buch bettet sich Becker im Boulevard. Während er von einer Präsentation zur nächsten tingelte, kam es per Twitter zu einem harten Schlagabtausch mit dem Brachialkomödianten Oliver Pocher über die gemeinsame Verflossene Alessandra Pocher. Das brachte zunächst der deutschen „Bild“-Zeitung einige Tage lang Schlagzeilen und schließlich RTL eine abendfüllende Sendung.

In „Becker gegen Pocher“ am Freitagabend wird also etwa in überdimensional ausgepolsterten Ganzkörperschutzanzügen gegeneinander angetreten, mit ebensolchen werden gatschige Autos geputzt, und man bewirft einander mit Gemüse. Becker und „Lilly“ treten bei einem Wettbewerb an, bei dem es darum geht, sich zum Affen zu machen, gegen einen wie Pocher, der das professionell macht. Die Kontrolle über das eigene Image in den Medien aufrechtzuerhalten sieht anders aus. Es ist vielmehr die Selbstdemontage eines ehemaligen Stars, der das immer mit einem Lächeln ertragen muss.

Spekulationen über finanzielle Nöte

Wieso Becker das macht, man weiß es nicht. Spekuliert wurde über finanzielle Gründe. Immerhin führt er ein teures Jetset-Leben, und nicht nur einmal sorgte er mit wirtschaftlichen Flops für Schlagzeilen: Sein Internetportal Sportgate ging schon 2001 in Konkurs. 2002 schrammte er haarscharf an einer Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung vorbei.

Boris Becker

APA/EPA/Ole Spata

Immer wieder widmet sich Becker dem Pokern, er ist auch Werbeträger für ein Pokerportal

Zuletzt hieß es, seine Villa auf Mallorca stehe vor der Zwangsexekution. Einzig seine Autohäuser scheinen einiges an Gewinn abzuwerfen. Becker selbst bestreitet finanzielle Probleme. Hätte er das Buch geschrieben, um damit viel zu verdienen, wäre es deftiger ausgefallen, meinte er etwa in „Willkommen Österreich“.

Scheitern am richtigen Leben

Die Reihe an Sportstars, die nach ihrer Karriere am richtigen Leben scheitern, ist lang. Viele scheiterten an Alkohol und Drogen. George Best, der legendäre britische Fußballer, über den Duncan Hamilton vor kurzem eine durchaus lesenswerte Biografie auf den Markt gebracht hat, gab da das Motto vor: „Ich habe viel Geld für Alkohol, Frauen und schnelle Autos ausgegeben, den Rest habe ich einfach verprasst.“ Sein Landsmann Paul Gascoigne ist nur noch ein Schatten seiner selbst und galt mehrmals als dem Tode nahe. Und Österreich hat mit dem Boxer Hans Orsolic eine ähnlich tragische Gestalt, er hat sein „patschertes Leben“ gar besungen.

Sich so lange im Boulevard zu tummeln, bis nur noch ein Leben in den Klatschspalten existiert, scheint aber tendenziell ein deutsches Phänomen zu sein. Neben Becker zählt auch Ex-Fußballer Lothar Matthäus zu dieser Kategorie: „Das Faszinierende ist, dass Becker und Matthäus ebenso hart an der Zerstörung ihres Mythos arbeiten, wie sie zuvor, als junge Menschen, für ihren sportlichen Erfolg geschuftet haben“, schreibt etwa die deutsche „taz“.

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