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„Soziale Werte haben sich geändert“

Ein Urteil eines schwedischen Gerichtshofs lässt aufhorchen: Die Schadenersatzsumme für das Veröffentlichen eines privaten Sexvideos ohne Einwilligung der darin zur Schau gestellten jungen Frau wurde deutlich herabgesetzt. Die Begründung: Die Gesellschaft hat sich geändert und ist sexuell freizügiger geworden. Für das nicht gefragte Mädchen ist das Urteil ein „Schlag ins Gesicht“.

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Popstars wie Rihanna oder Miley Cyrus machen es vor und posten fast im Stundentakt laszive Bilder von sich. Manch einer ist der Meinung, dass es kaum noch freizügiger geht. Dieser Trend des Selbstdarstellens macht auch nicht vor Privatpersonen halt. Websites mit selbst gedrehten Pornofilmen boomen.

Verletzung der Persönlichkeitsrechte

Juristisch stellt das Sich-selbst-zur-Schau-Stellen kein Problem dar. Das gilt jedoch nicht, wenn ein Sexualpartner nicht gefragt wird und so ein intimes Video ohne seine Einwilligung im Internet gepostet wird. So geschehen in Schweden, wo ein 17-Jähriger ein privates Video, das ihn und seine Ex-Freundin beim Sex zeigt, auf diversen Pornoseiten im Netz verbreitete.

Dafür wurde der 17-Jährige auch wegen Verletzung der Persönlichkeitsrechte zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 130.000 schwedische Kronen (knapp 15.000 Euro) verurteilt. Der junge Mann ging in Berufung und verlangte eine Herabsetzung der Strafe. Er hatte Erfolg, laut einem Artikel im Onlinenachrichtenportal The Local reduzierte das Berufungsgericht in Göta die Strafe auf rund 3.000 Euro. Das wirklich Ungewöhnliche ist jedoch die Begründung der Instanz für das Urteil.

Herabsetzung wegen „sozialer Akzeptanz“

Aufgrund „der steigenden sozialen Akzeptanz“ sexueller Freizügigkeit könne von der hohen Summe abgesehen werden. Die vorherrschenden sozialen und ethischen Werte würden als Ausgangspunkt für die Bewertung der unumstrittenen Rechtsverletzung dienen. Diese sozialen Umstände dürften bei der Beurteilung des Falles nicht außer Betracht gelassen werden, so die Begründung des Gerichts. Zudem wäre kaum ein Videoseher mit dem Gesicht des Mädchens vertraut gewesen, auch stehe das Video in keinem Zusammenhang mit der Persönlichkeit des Teenagers.

„Die Entscheidung ist eine Farce“

„Es fühlt sich wie ein Schlag ins Gesicht an“, so die erste Reaktion des jungen Mädchens, das in dem Video zu sehen ist. Zwar wurde gleich wie im erstinstanzlichen Verfahren im Urteilsspruch die Verletzung der Persönlichkeitsrechte des jungen Mädchens bestätigt, nach der Begründung für die Herabsetzung der Summe spricht die junge Frau aber von einer Verhöhnung durch das Gericht: „Die Entscheidung ist eine Farce. Die Begründung fühlt sich wie eine weitere Verletzung meiner Ehre an.“

Auch Oisin Cantwell, Journalist bei der schwedischen Zeitung „Aftonbladet“, spricht von einem „Trivialisieren“ des Schicksals des Mädchens und plädiert dafür, dass sich der Oberste Gerichtshof den Fall noch einmal anschauen sollte. „Die Begründung, dass Leute heutzutage offener mit ihrem Sexleben umgehen, ist ein intellektueller und moralischer Verfall“, so Oisin.

Sexualisierte Gesellschaft?

In den USA gibt es schon seit längerem die öffentliche Debatte über Revenge Porn. Dabei handelt es sich um selbst gedrehte, private Sexvideos, die vor allem verschmähte Liebhaber aus Rache an ihren ehemaligen Freundinnen online stellen. Und diese Seiten werden immer beliebter. Opfer haben kaum Möglichkeiten, rechtlich dagegen vorzugehen. Laut einem Bericht im Blog Gawker hat sich eine Gruppe von Opfern nun zusammengeschlossen und etliche Betreiber der Seiten geklagt. Damit will man Gesetze zum Verbot solcher Seiten anregen.

Im US-Bundesstaat Kalifornien existieren diese bereits, in New York ist ein solches Gesetz in Arbeit. Während in Kalifornien das Verbreiten von Nacktfotos, die ein anderer von einem gemacht hat, verboten ist, soll das geplante Gesetz an der Ostküste weiter gehen. Demnach wäre das Veröffentlichen von selbst geschossenen Nacktfotos durch einen anderen auch strafbar.

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