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Zeichen stehen auf Umbruch

Seit dem 17. März 1989 steht Luis Durnwalder (SVP) als Landeshauptmann unangefochten an der Spitze der Südtiroler Landesregierung und hat seitdem wie kein anderer die Politik des Landes geprägt. Mit der am Sonntag anstehenden Landtagswahl geht die Ära Durnwalder zu Ende. Der Urnengang steht ganz im Zeichen eines für das Land ungewohnten Generationswechsels.

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Nach Karl Eckert (1948 bis 1955), Alois Pupp (1956 bis 1960) und Silvius Magnago (1960 bis 1989) handelt es sich bei Durnwalder um den erst vierten Landeshauptmann in der Nachkriegsgeschichte. Nun liegt es am bisherigen Bürgermeister der Marktgemeinde Völs am Schlern, Arno Kompatscher, in die Fußstapfen des rund ein Vierteljahrhundert omnipräsenten, gleichzeitig aber nicht unumstittenen Durnwalder zu treten.

Der anstehende Karriereweg Kompatschers wurde bereits im April dieses Jahres bei einer Basiswahl der Südtiroler Volkspartei (SVP) mit vielversprechenden 82,4 Prozent geebnet. Die Wahl des 42-Jährigen zum neuen Landeshauptmann gilt seitdem als fix - dennoch verspricht der Wahlsonntag einiges an Spannung.

Absolute Mehrheit wackelt

Der Grund: Angesichts zahlreicher Turbulenzen hat die konservative Sammelpartei, in der über Jahrzehnte eine gelebte Geschlossenheit zu den Dogmen zählte, mit anhaltendem Unmut in der Bevölkerung zu kämpfen. Mehr als deutlich wurde das bereits bei der Landtagswahl 2008, als die SVP mit 48,1 Prozent erstmals die absolute Stimmenmehrheit einbüßte und die absolute Mehrheit bei den Mandaten nur noch hauchdünn verteidigen konnte.

Südtirols Landeschef Luis Durnwalder (SVP) und sein Nachfolger Arno Kompatscher

picturedesk.com/Roland Mühlanger

Noch im Schatten seines Vorgängers: Durnwalder-Nachfolger Kompatscher

In der zu Ende gehenden Legislaturperiode stand neben einem öffentlich ausgetragenen Machtkampf um das Erbe Durnwalders ein als fragwürdig kritisiertes Amtsverständnis im Zentrum der Öffentlichkeit. Strittige Vorgänge bei Konzessionsvergaben um die landeseigene Energiegesellschaft SEL, die vor Gericht bereits erste Urteile wegen Amtsmissbrauchs, Betrugs und Wettbewerbsbeeinflussung zur Folge hatten, warten noch auf die vollständige Aufklärung.

Das Halten der absoluten Mandatsmehrheit dürfte somit auch diesmal alles andere als eine ausgemachte Sache sein. Eine von der „Neuen Südtiroler Tageszeitung“ veröffentlichte Umfrage wollte einen Absturz unter 45 Prozent nicht ausschließen.

Beispiel Bayern als Gegenargument

Dass Totgesagte länger leben, belegte allerdings erst im September das Beispiel Bayern. Ungeachtet schlechter Vorzeichen (Stichwort Verwandtenaffäre) feierte die CSU einen haushohen Sieg. Da auch die 2003 verlorene Mandatsmehrheit zurückerobert werden konnte, wurden jene, die absolute Mehrheiten bereits als Relikt vergangener Tage sahen, Lügen gestraft. Neben Kompatscher zeigte sich jedenfalls auch Durnwalder bis zuletzt überzeugt, dass die SVP als klarer Sieger aus der Landtagswahl hervorgehen werde.

Doch selbst in Durnwalders Prognose mischte sich Ernüchterung. Der Grund seiner Zuversicht sei nicht, dass „wir so gut sind“, sondern schlichtweg, „weil nichts Bessers auf dem Markt ist“, so Durnwalder im Interview mit dem Nachrichtenportal Salto. Ob darin ein Seitenhieb auf die jüngsten Vorfälle innerhalb der SVP zu finden ist, bleibt dahingestellt - fest steht aber, dass selbst die Kür Kompatschers zum Landeshauptmann-Kandidaten von reichlich Turbulenzen begleitet war.

Für eine Paukenschlag sorgte etwa der lange als Durnwalder-Nachfolger gehandelte Parteichef Richard Theiner, der unmittelbar vor der entscheidenden Urabstimmung überraschend das Handtuch warf, nachdem ihm Kompatscher via Facebook „Politik a la Berlusconi“ vorgeworfen hatte.

Durnwalder als Vorzugsstimmenkaiser

Spannungen innerhalb der SVP wollte gegenüber Salto auch Durnwalder nicht dementieren. Doch „auch wenn mich einige Politiker nicht unbedingt in Ehren halten“, habe er das Gefühl, „dass sie mich eigentlich gerne mögen“. Nicht zuletzt am guten „Kontakt zu der Basis“ gebe es keinerlei Zweifel, so der auch für seine Volksnähe bekannte Politiker, der bei vergangenen Wahlen gleich mehrmals über 100.000 Vorzugsstimmen (bei damals rund 380.000 Wahlberechtigten, Anm.) für sich verbuchen konnte.

Terminkalender von Durnwalder

Peppi Tischler/Folio Verlag

Ein Blick in Durnwalders Terminkalender (aus „Total alles über Südtirol“, Folio Verlag)

Es handelt sich nicht um die einzigen Zahlen der Ära Durnwalder, die beeindrucken. Durnwalders Amtszeit, so der Politologe Günther Pallaver von der Universität Innsbruck, steht auch für den Ausbau der Autonomie, ein sichtlich verbessertes Verhältnis zwischen den Sprachgruppen und nicht zuletzt einen wirtschaftlichen Aufschwung. Zwar ging auch an Italiens nördlichster Provinz die laufende Wirtschaftskrise nicht spurlos vorüber, doch bei Schulden, Arbeitslosenzahlen und anderen Kennzahlen zählt das Land nach wie vor zu Europas Vorzeigeregionen.

Land „wie einen große Hof“ geführt

Abseits davon sorgte auch Durnwalders eigenwilliger Führungsstil immer wieder für reichlich Gesprächsstoff. Der dicht gefüllte Terminkalender und in diesem Zusammenhang die beinahe täglich um 6.00 Uhr in seinem Bozner Büro abgehaltene Sprechstunde gelten als legendär.

Dass sich Bittsteller über die zahllosen Behörden hinweg direkt an den Landeschef wenden konnten und dabei häufig auch unbürokratische Lösungen gefunden wurden, fand allerdings nicht nur Fürsprecher. Immer wieder war von Demokratiedefiziten und absolutistischen Zügen die Rede: Das Land werde „wie ein großer Hof geführt“, so der „Spiegel“ mit Verweis auf Kritiker. Dazu kommt, dass Durnwalders Image durch die SEL-Affäre und Ermittlungen in Zusammenhang mit einem den Vorwürfen zufolge auch für Private Zwecke verwendeten Sonderfonds zunehmend Kratzer bekam.

„Wenn es mich braucht, stehe ich bereit“

Ein bevorstehendes Ende der „Bittstellerdemokratie“ erwartet nicht nur Pallaver - auch Kompatscher wurde in seinem Wahlkampf nicht müde, eine „neuen politischen Stil“ anzukündigen. Gleichzeitig gilt das Motto, Durnwalders Erfolgsweg weiterhin folgen zu wollen.

Geht es nach Durnwalder, wurde unter seiner Führung durchaus „etwas weitergebracht“, auch wenn er „kein Kandidat für den Nobelpreis für Demokratie“ sei, wie der 72-Jährige heuer bei der wohl letzten der alljährlich zum sommerlichen Polithighlight stilisierten und in seinem Ferienhaus in Pfalzen abgehaltenen Pressekonferenzen eingestand. Ob und wieweit er auch weiter eine Rolle in Südtirols Politik spielen wird, ist offen. Als Durnwalder im Vorjahr seinen Rücktritt in die Wege leitete, hieß es laut Südtirol Online (stol) jedenfalls noch: „Wenn es mich braucht, stehe ich bereit.“

Peter Prantner, ORF.at

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