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„Lebend gefunden“

Im Iran bestehen die Justizbehörden auf der neuerlichen Hinrichtung eines Delinquenten, der eine Exekution überlebt hat. Wie der britische „Guardian“ heute unter Berufung auf die staatliche iranische Zeitung „Dscham-e-Dscham“ weiter berichtete, war der wegen Drogenschmuggels zum Tode verurteilte 37-Jährige Anfang Oktober in der nordiranischen Provinz Kohrasan zum Galgen geführt worden.

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Alireza M., der mit einem Kilogramm der Droge Crystal Meth erwischt worden war, wurde zwölf Minuten, nachdem ihm die Schlinge um den Hals gelegt worden war, für tot erklärt. Er wurde für die Bestattung freigegeben. Doch als die Familie am nächsten Tag den Leichnam im Leichenschauhaus abholen wollte, entdeckte ein Mitarbeiter, dass sich im Plastiksack, in dem der vermeintlich Tote steckte, Wasserdampf angesammelt hatte.

Justiz besteht auf Vollstreckung

Alireza M. war noch am Leben und wurde ins Spital gebracht, wo er sich zusehends erholte. Die iranischen Justizbehörden wollen nun warten, bis er sich voll erholt hat, um ihn dann wieder hinzurichten. Die Justiz ist der Ansicht, dass das Todesurteil an ihm vollstreckt werden muss. „Wir haben ihn lebend vorgefunden, worüber sich seine zwei Töchter sehr gefreut haben“, wurde ein Familienmitglied von iranischen Medien zitiert.

Nach dem iranischen Gesetz müssen Verurteilte vor der Hinrichtung bei Bewusstsein und relativ guter Gesundheit sein. Für Schwangere oder Schwerkranke wird die Hinrichtung am Galgen verschoben.

„Die schreckliche Aussicht für diesen Mann, ein zweites Mal einer Hinrichtung entgegenzusehen - nach allem, was er bereits durchgemacht hat -, unterstreicht nur die Grausamkeit und Unmenschlichkeit der Todesstrafe“, so Philip Luther von Amnesty in einer Aussendung.

Angehörige wollten Hinrichtung verhindern

Erst vor wenigen Tagen hatten Verwandte eines zum Tode Verurteilten versucht, dessen Hinrichtung zu verhindern, indem sie eine Handgranate in ein Gefängnis warfen. Die Explosion habe in der Haftanstalt in der westlichen Provinz Ilam 28 Menschen verletzt, berichtete die amtliche Nachrichtenagentur IRNA am Montag unter Berufung auf den Polizeichef der Provinz. Unter den Verletzten seien auch Gefängniswärter.

Die Verwandten des Häftlings seien umgehend festgenommen worden, hieß es weiter. Einer habe noch den Stift der Granate in der Hand gehabt, ein anderer eine weitere Handgranate. Der wegen Mordes verurteilte Verwandte sei ungeachtet des Vorfalls erhängt worden.

Zweithöchste Hinrichtungsrate

Im Iran kann die Todesstrafe unter anderem für Mord, Vergewaltigung, bewaffneten Raub, Drogenhandel und Ehebruch verhängt werden. Opferfamilien können die Vollstreckung fordern, sich aber auch dafür einsetzen, dass der Täter nicht hingerichtet wird. In diesem Fall erhält der Verurteilte eine Gefängnisstrafe und muss ein Blutgeld von 1,26 Milliarden Rial (rund 37.000 Euro) zahlen.

Die UNO und Menschenrechtsorganisationen kritisieren den Iran immer wieder für das Verhängen und Vollstrecken der Todesstrafe. Laut Amnesty International wurden 2012 im Iran 314 Exekutionen bekannt, die tatsächliche Zahl dürfte jedoch höher liegen. Die NGO Human Rights Watch geht von mehr als 500 Hinrichtungen im Vorjahr aus. Seit dem Amtsantritt des als gemäßigt geltenden Präsidenten Hassan Rouhani Anfang August wurden mindestens 125 Menschen hingerichtet. Damit liegt der Iran bei der Zahl der Hinrichtungen auf Platz zwei hinter China.

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