Priebke erschoss mindestens zwei Geiseln
Der Fall des in Hennigsdorf in Brandenburg geborene Erich Priebke, der am 11. Oktober in Rom im Alter von 100 Jahren gestorben ist, war einer der großen NS-Kriegsverbrecherfälle der vergangenen Jahrzehnte.
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Insgesamt 335 Zivilisten wurden im März 1944 in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom mit Genickschüssen getötet, als Vergeltung für ein Partisanenattentat in der römischen Innenstadt, bei dem einen Tag zuvor 33 Angehörige einer SS-Polizeigrenadierdivision ums Leben gekommen waren. Die Erinnerung an das Massaker ist bis heute in Rom allgegenwärtig. Der Ort des Verbrechens ist eine vielbesuchte Gedenkstätte, in der ganzen Stadt erinnern Marmortafeln an die Opfer des SS-Terrors.
SS-Hauptsturmführer Priebke, damals 30 Jahre alt, und SS-Sturmbannführer Karl Hass, damals 31, töteten je zwei Geiseln. Das haben sie selbst nie geleugnet. „Wir mussten es tun, das war ein Befehl“, lautete ihre Rechtfertigung. Persönliche Schuld räumten sie nie ein. Adolf Hitler soll höchstpersönlich den Vergeltungsakt angeordnet haben. Der Chef des Sicherheitsdienstes in Rom, Herbert Kappler, organisierte das Massaker. Nach dem Krieg wurde er zu lebenslanger Haft verurteilt. Ihm gelang 1977 unter bis heute ungeklärten Umständen die Flucht.

AP/Peter Franke
Priebke (M.) 1995 bei seiner Auslieferung nach Italien
Priebke führte die Todesliste
Priebke spielte als Mitarbeiter Kapplers - er war Verbindungsoffizier zur italienischen Polizei - bei dem Massaker eine zentrale Rolle, denn dem Urteil zufolge führte er die Namensliste der Todeskandidaten. Er bestritt das jedoch hartnäckig. Wie alle anderen anwesenden Offiziere, darunter Hass, musste Priebke zumindest zwei Geiseln selbst erschießen. Eigentlich hätten „nur“ 330 Geiseln sterben sollen - zehn je getöteten SS-Mann. Dass letztlich fünf mehr starben, wurde Kappler bei seinem Prozess zum Verhängnis.
Auf der Liste der Opfer der Ardeatinischen Höhlen standen politische Häftlinge ebenso wie einfache Kriminelle. 75 römische Juden, die ursprünglich in ein Vernichtungslager transportiert werden sollten, kamen ebenfalls auf die Todesliste, darunter zwei 15-jährige Jugendliche. Nach dem Massaker sprengte die SS den Eingang der Höhle, um jeden Zutritt zu verhindern. Doch bereits in der folgenden Nacht machen Gerüchte über den Massenmord die Runde in Rom.
Unbehelligt in Argentinien
Nach Kriegsende waren er und Hass wie Zehntausende andere SS-Angehörige ungeschoren davongekommen. Hass begann in der Schweiz unter seinem eigenen Namen ein neues Leben. Priebke ging nach Argentinien, wo er im Anden-Ort Bariloche einen Feinkostladen führte und mit seiner Frau zwei Söhne großzog. Er leitete auch den örtlichen deutschen Kulturverein. Sowohl die deutsche als auch die italienische Justiz ließen ihn unbehelligt.
Bis 1994 lebte Priebke unbehelligt unter seinem echten Namen in Bariloche. Dann entdeckte ihn ein nach Nazis recherchierender US-Journalist, und Priebke wurde nach Italien ausgeliefert. Priebke kam als angeklagter Kriegsverbrecher in das römische Militärgefängnis Forte Boccea.
Im Mittelpunkt des Prozesses gegen ihn stand die Frage, ob er die Mitwirkung an dem Massaker hätte verweigern können. „Ich wäre selbst erschossen worden, wenn ich mich geweigert hätte“, sagte Priebke. Historiker bezweifelten das. 1996 erging das Urteil. Es war ein Freispruch, der weltweite Empörung hervorrief. Priebkes Verantwortung sei eindeutig, doch wegen seines hohen Alters könne er nicht mehr verurteilt werden, befand das Militärgericht.
In neuem Verfahren verurteilt
Schließlich wurde aber das italienische Urteil aufgehoben, und Priebke musste erneut in Rom vor Gericht. Im neuen Prozess 1997 wurde Priebke zu 15 Jahren verurteilt, Hass zu zehn. Je zehn Jahre wurden ihnen erlassen, Hass war damit sofort frei. Beim Berufungsprozess ein Jahr später kam jedoch wieder alles anders. Lebenslang für beide Angeklagte lautete das Urteil am 7. März 1998. Seit 1999 stand Priebke wegen seines hohen Alters in Rom unter Hausarrest, bis er am 11. Oktober 2013 im Alter von 100 Jahren in Rom starb.
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