Spekulationen in Medien
Nach der abgebrochenen Trauerfeier für den toten NS-Kriegsverbrecher Erich Priebke wird in Rom weiter über den Ort für seine Beisetzung diskutiert. „Ich weiß, dass über Entscheidungen nachgedacht wird, und ich schließe nicht aus, dass es Kontakte zwischen unserer Regierung und der deutschen geben wird“, sagte Roms Bürgermeister Ignazio Marino am Mittwoch.
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Der Leichnam des im Alter von 100 Jahren in Rom gestorbenen Priebke wurde in der Nacht zum Militärflughafen Pratica di Mare bei Rom gebracht. Die Trauerfeier für Priebke war zuvor von Handgreiflichkeiten und Protesten begleitet worden. Italienische Medien spekulierten, die Leiche könne möglicherweise nach Deutschland gebracht werden. „Wir werden versuchen, die Situation im Laufe des Tages zu lösen, es gibt Kontakte mit Deutschland“, sagte der römische Präfekt Giuseppe Pecoraro. Die deutsche Botschaft in Rom wollte das zunächst nicht kommentieren.

AP/Riccardo De Luca
Italienische Einsatzkräfte vor dem Gebäude der Piusbrüder
Rom verweigert Beisetzung
Seit Priebkes Tod am Freitag wird nach einem Ort für sein Begräbnis gesucht. Sowohl die Stadt Rom als auch Priebkes Geburtsort Hennigsdorf bei Berlin und sein langjähriger Wohnort Bariloche in Argentinien hatten eine Bestattung abgelehnt. „Rom kann kein Begräbnis eines Mannes akzeptieren, der aktiv an der Exekutierung von 335 Personen teilgenommen hat“, sagte Bürgermeister Marino.

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Priebke zeigte nie Reue
Bis zuletzt unter Hausarrest gelebt
Der frühere SS-Offizier Priebke war 1944 an einem der schlimmsten Nazi-Massaker in Italien beteiligt, als 335 Zivilisten in den Ardeatinischen Höhlen in der Nähe von Rom mit Genickschüssen getötet wurden. Priebke lebte lange Zeit unbehelligt in Argentinien, bis er 1995 ausgeliefert und später in Italien zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Er zeigte bis zu seinem Tod keine Reue und lebte unter Hausarrest in Rom.
Nach dem Beispiel des litauischen NS-Massenmörders Antanas Gecas könnte der in Rom verstorbene Priebke unter falschem Namen bestattet werden, schlug am Mittwoch der israelische Nazi-Jäger Efraim Zuroff vor. Wenn die Familie Priebkes damit einverstanden sei, könnte so „verhindert werden, dass das Grab des reuelosen Holocaust-Leugners zu einer Pilgerstätte für Rechtsextremisten wird“, sagte der Israel-Direktor des Simon-Wiesenthal-Zentrums im Gespräch mit der AFP.
Zuroff bekräftigte, dass die beste Lösung in seinen Augen sei, wie bei Adolf Eichmann den Leichnam Priebkes einzuäschern und die Asche dann in internationalen Gewässern ins Meer zu streuen. Der Organisator der Judendeportation war 1962 in Israel hingerichtet worden. Da die Familie einverstanden sein müsse, verweise er aber auch auf den Fall Gecas.
Berlin: Sache der Angehörigen
Im Streit über den Beisetzungsort fühlt sich die deutsche Regierung nicht zuständig. „Der Umgang mit sterblichen Überresten eines im Ausland verstorbenen Deutschen ist eine Angelegenheit der Angehörigen“, sagte ein Sprecher des Auswärtigen Amts am Mittwoch in Berlin. Nach dem Abbruch der umstrittenen Totenmesse für den ehemaligen SS-Offizier hatten italienische Stellen Kontakte nach Deutschland bestätigt.
„Ich kann keine Verantwortung, keine Rolle der Bundesregierung in dieser Frage erkennen“, sagte der Außenamtssprecher weiter und verwies darauf, dass es Medienberichten nach zu urteilen durchaus Hinterbliebene Priebkes gebe. Bis auf weiteres obliege „die Totenfürsorge den Behörden am Aufenthaltsort des Verstorbenen“. Vorerst bleibt der Sarg damit wohl auf dem Militärflughafen Pratica di Mare bei Rom.
Trauerfeier abgebrochen
Die erzkonservative Piusbruderschaft, der auch Holocaust-Leugner Richard Williamson angehörte, hatte am Dienstag überraschend eine Trauerfeier für Priebke ermöglicht. Die von der katholischen Kirche abgespaltenen Traditionalisten werden oft mit antisemitischen Tendenzen in Verbindung gebracht. Die Gedenkfeier war jedoch abgebrochen worden, weil die Behörden einen größeren Aufmarsch von Rechtsradikalen befürchteten. „Wir waren dazu gezwungen, das Begräbnis abzusagen, weil es das Risiko gab, dass es sich in ein Neonazi-Treffen verwandelt“, sagte Pecoraro. Zudem hatten Familienangehörige und Freunde die Kapelle nicht erreicht.
Zuvor war es zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Rechtsradikalen gekommen, die Polizei musste mehrmals eingreifen und verhaftete zwei Beteiligte. Hunderte Menschen hatten gegen die Trauerfeier für den Kriegsverbrecher demonstriert. Sie wollten mit Fußtritten und Faustschlägen verhindern, dass der Sarg die Kapelle erreicht, und riefen bei der Ankunft „Mörder“ und „Henker“.
Urlaub am Lago Maggiore im Hausarrest
Die Bedingungen des Hausarrests für Priebke hatten immer wieder für Wut bei den Angehörigen der Opfer des Massakers gesorgt. Einmal machte Priebke Urlaub am Lago Maggiore. Dann erstritt er sich das Recht, arbeiten zu dürfen. Mit dem Motorroller fuhr der da schon 93-Jährige munter in die Kanzlei seines Anwalts - welcher Arbeit er da nachging, blieb immer offen. Seinen 90. Geburtstag hatte er auf dem Land in einem Restaurant gefeiert - zusammen mit Neonazis.
Zum 100. Geburtstag rollten rechtsextremistische Gruppen vor der römischen Wohnung, in der Priebke unter Hausarrest lebte, sowie in anderen Orten der italienischen Hauptstadt Spruchbänder für den SS-Mann aus. „Alles gute Kapitän! Gott verurteile Deine Ankläger“, war auf einem Spruchband zu lesen. Dabei kam es zu Zusammenstößen mit der Polizei.
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