Viele Quellen integriert
Marburger Wissenschaftler nehmen seit 1980 in der mittelhessischen Unistadt Dramen wie „Dantons Tod“ oder „Woyzeck“ systematisch unter die Lupe, seit dem Jahr 2000 arbeiten sie daran, das Gesamtwerk Georg Büchners umfassend zu analysieren.
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„Ich glaube, wir haben bislang zu allem Überraschendes gefunden“, sagt Burghard Dedner, der Leiter der „Forschungsstelle Georg Büchner“ an der Universität Marburg. Etwa, wie der Autor fremde Quellen in seine Stücke einfließen ließ und die Spuren dann verwischte.
„Wir folgen der Regel: Nichts ist erfunden, sondern alles ist gefunden.“ Nach diesem Prinzip machen sich die Forscher auf die Suche nach Büchners Quellen. In die Ecke der Plagiatoren dürfe man ihn aber nicht stellen, betont der emeritierte Professor. Das „Abschreiben“ sei im Fall des dichtenden Republikanhängers ein Stilmittel. Es habe dokumentarischen Charakter und diene der Authentizität. „Wenn ich Figuren aus der Französischen Revolution sprechen lassen will, nehme ich am besten die vorhandenen Quellen dazu.“ Büchner habe die fremden Texte auch für Phrasenkritik verwendet, um den beredten Herrschenden einen Spiegel vorzuhalten.
„Bei Goethe wäre es viel schwerer“
Wie geschickt der Autor Motive und Passagen von Goethe, Shakespeare oder Texte französischer Revolutionäre verwendete, habe erst die umfassende Analyse ans Licht gebracht, erzählt Dedner. An dem Institut, das auch eine Arbeitsstelle der Mainzer Akademie der Wissenschaften und der Literatur ist, entsteht derzeit die auf 18 Bände angelegte „Marburger Büchner-Ausgabe“. Darin werden die Erkenntnisse der Untersuchungen zusammengefasst. Kein Text wird ausgelassen. Mittlerweile ist das Projekt beendet, die Gesamtausgabe erschienen.
„Weltweit ist es wohl einzigartig, dass man ein Gesamtwerk so auseinandernimmt, wie wir es machen“, sagt Dedner. „Bei Goethe wäre es natürlich sehr viel schwerer, weil es viel mehr Werke von ihm gibt.“ Das Erbe Büchners ist dagegen überschaubar. Der in Goddelau bei Darmstadt geborene Literat starb am 19. Februar 1837 mit nur 23 Jahren - hinterließ aber Weltliteratur.
Entstehungsprozessen auf die Spur kommen
Zur Arbeit der Experten gehört vor allem das Vergleichen. Nicht nur, um genutzte Quellen zu finden. Es geht auch darum, dem gesamten Entstehungsprozess eines Textes auf die Spur zu kommen. Oder darum, welche Worte Büchner wirklich verwenden wollte. In manchen Handschriften fehlen Buchstaben - Absicht oder Fehler? War etwa „heut“ oder „heute“ gemeint? „Das macht im Theater viel aus“, sagt Dedner. Texte von Büchners Zeitgenossen sollen helfen, die damals gängige Schreibweise herauszufinden.
Carolin Eckenfels, dpa
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