„Fühle mich sehr geehrt“
Der Generaldirektor der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW), Ahmet Üzümcü, hat die Zuerkennung des diesjährigen Friedensnobelpreises als „extrem wichtige“ Stütze für seine Mitarbeiter bei ihrem Einsatz in Syrien gewertet. „Ich fühle mich sehr geehrt“, sagte Üzümcü am Freitag im norwegischen Rundfunk.
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Er betrachte den Preis als eine Bestätigung für den Beitrag, den seine Organisation in den vergangenen 16 Jahren zum Frieden geleistet habe. „Ich sehe ihn auch als eine Anerkennung der Bemühungen unserer Mitarbeiter, die jetzt in Syrien sind und die sehr mutige Anstrengungen unternehmen, um ihre Aufgabe zu erfüllen.“
„Unser Mitgefühl gilt den Menschen in Syrien“
Bei ihrem Einsatz zur Vernichtung der syrischen Chemiewaffen wollen sich die OPCW-Experten des in sie gesetzten Vertrauens würdig erweisen, so Üzümcü bei einer Pressekonferenz in Den Haag. Der Giftgasangriff im August habe auf tragische Weise gezeigt, dass die Aufgabe der Vernichtung solcher Waffen aktuell sei. „Unser Mitgefühl gilt den Menschen in Syrien, die Opfer des Horrors chemischer Waffen wurden“, sagte Üzümcü. Die Organisation ist für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention aus dem Jahr 1997 zuständig. Sie soll die Chemiewaffenbestände der Vertragsstaaten überprüfen und deren Vernichtung kontrollieren.
„Anfang eines schwierigen Prozesses“
Nach außen hin stets diplomatisch zurückhaltend, gilt Üzümcü seinen Kollegen als leidenschaftlicher Vorkämpfer der Abrüstung. „Das Motto unserer Organisation lautet ‚Gemeinsam arbeiten für eine Welt frei von chemischen Waffen‘“, sagte er zur am Montag anstehenden Aufnahme Syriens als 190. Mitgliedsland der OPCW.

Reuters/Toussaint Kluiters/United Photos
OPCW-Chef Ahmet Üzümcü
„Die internationale Gemeinschaft hat sich auf sichtbare und bedeutende Art und Weise zusammengefunden, um zu zeigen, dass das möglich ist“, sagte Üzümcü - ohne ausdrücklich zu erwähnen, dass Syriens Einlenken erst durch den Druck der USA, die mit Militärschlägen drohten, sowie Russlands erreicht wurde.
Wie gewaltig die Aufgabe der Chemiewaffenabrüstung in Syrien ist, wissen alle Mitarbeiter Üzümcüs. „Das ist eine außerordentliche Situation für die OPCW, sie ist beispiellos. Wir stehen am Anfang eines schwierigen Prozesses voller großer Herausforderungen. Doch die OPCW ist darauf eingestellt und verfügt über das Fachwissen und die Erfahrungen, um ihr Mandat wahrzunehmen.“
USA und Russland Rute ins Fenster gestellt
Die OPCW werde wegen ihrer „umfassenden Arbeit für die Abschaffung chemischer Waffen“ mit dem Preis ausgezeichnet, hatte Komiteechef Thorbjörn Jagland bei der Bekanntgabe des Friedensnobelpreisträgers am Vormittag gesagt. Gewisse Länder seien der Organisation noch immer nicht beigetreten. Andere Staaten hätten die Frist, um ihre Waffen zu zerstören, nicht eingehalten, sagte Jagland nach Bekanntgabe des Preisträgers. Das gelte insbesondere für die USA und Russland.
„Entwaffnung spielt in Alfred Nobels Willen eine wichtige Rolle“, führte Jagland in der Begründung aus. Das norwegische Nobelkomitee habe mit zahlreichen Preisen den Bedarf unterstrichen, Nuklearwaffen zu vernichten. „Mit diesem Preis an die OPCW will das Komitee zur Zerstörung von Chemiewaffen beitragen“, sagte Jagland. „Aktuelle Ereignisse in Syrien, wo Chemiewaffen erneut eingesetzt wurden, haben das Bedürfnis unterstrichen, die Bemühungen, solche Waffen zu zerstören, zu erhöhen“, führte das Nobelkomitee aus.
Organisation nicht ans Telefon bekommen
Selbst das Nobelkomitee hatte am Freitag Probleme, die OPCW ans Telefon zu bekommen. Deshalb bat das Komitee per Kurznachrichtendienst Twitter: „Nehmen Sie Kontakt zu uns auf, wir versuchen, zu Ihrem Büro durchzukommen.“ Wegen der Glückwünsche aus aller Welt zur Verleihung des Friedensnobelpreises an die OPCW schienen sämtliche Telefone der Organisation dauerbesetzt zu sein. Selbst noch einige Zeit nach der live übertragenen Verkündung kam zunächst kein Kontakt zustande: „The live webcast is now over. We are still trying to reach @OPCW“ („Die Liveübertragung im Internet ist vorüber. Wir versuchen immer noch, @OPCW zu erreichen“), teilte das Komitee mit.
Syrische Oppositionelle kritisch
OPCW-Experten halten sich zurzeit in Syrien auf, um die Zerstörung von Chemiewaffen zu beaufsichtigen. Das gesamte Waffenarsenal soll bis Mitte 2014 zerstört sein. Bisher hat die OPCW 189 Mitgliedsstaaten. Syrien soll ihr am Montag als 190. Staat beitreten. In den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückte die OPCW mit dem Giftgasangriff im August in Damaskus. Bei der Attacke mit dem Nervenkampfstoff Sarin wurden mehr als 1.400 Menschen getötet. Der Angriff sorgte weltweit für Empörung.
In der syrischen Opposition wird die Ehrung der OPCW kritisch gesehen. Das Mitglied der Nationalen Syrischen Koalition, Munser Machus, sagte der Nachrichtenagentur dpa: „Der Nobelpreis hätte an die syrischen Opfer solcher Angriffe gehen sollen - die 1.400 Menschen, die in Ghuta starben und an die Verletzten.“ Auch der Oppositionelle Samir Naschar sagte: „Die Opfer sollten ausgezeichnet werden und nicht die OPCW, die lediglich ihre Arbeit erledigt.“
Barroso: Große Anerkennung
Durchwegs positiv waren die internationalen Reaktionen auf die Verleihung des Friedensnobelpreises an die OPCW. Norwegens Ministerpräsident Jens Stoltenberg würdigte die Wahl als „hochaktuell“. Frankreichs Präsident Francois Hollande erhoffte sich dadurch einen zusätzlichen Schub für die Arbeit der OPCW. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sagte, der Einsatz der OPCW verdiene "unser aller Respekt.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Durao Barroso, der selbst den Friedensnobelpreis 2012 für die Europäische Union entgegengenommen hatte, versicherte der OPCW weitere Unterstützung. Die Entscheidung sei eine „große Anerkennung“ der Arbeit der Organisation.
Regierung will „in welcher Form auch immer“ helfen
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon gratulierte der OPCW. Die Organisation habe in hohem Maße zur Abrüstung und Nichtweitergabe von Waffen beigetragen. „Zu einem großen Teil dank ihrer Anstrengungen sind 80 Prozent der ausgewiesenen Chemiewaffenarsenale zerstört worden“, sagte Ban laut Mitteilung am Freitag. US-Außenminister John Kerry gratulierte ebenfalls. „Die Welt wird niemals den Verlust von über tausend unschuldigen Syrern vergessen, die am 21. August sinnlos mit chemischen Waffen getötet wurden“, so Kerry am Freitag.
Die österreichische Regierung will die OPCW bei ihrer heiklen Syrien-Mission unterstützen. In welcher Form das geschehen soll, sei noch unklar, hieß es seitens des Außen- und des Verteidigungsministeriums am Freitag gegenüber der APA. Man wolle der Mission „in welcher Form auch immer“ helfen, sagte Außenministeriumssprecher Martin Weiss. Vizekanzler Außenminister Michael Spindelegger (ÖVP) und Verteidigungsminister Gerald Klug (SPÖ) lobten die Entscheidung des Nobelkomitees.
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