Sizilien erwägt Notstandsgesetz
„Beim nächsten EU-Gipfel werde ich den Tisch erst verlassen, wenn es eine reale Lösung gibt.“ Mit diesen Worten hat der Premier der Mittelmeer-Insel Malta, Joseph Muscat, bei einem Telefonat mit dem EU-Ratspräsidenten Herman van Rompuy deutlich gemacht, dass es in der anhaltenden Flüchtlingsproblematik im Mittelmeer nun endlich konkreter Maßnahmen bedürfe.
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Am Tag zuvor kenterte in maltesischen Gewässern neuerlich ein Flüchtlingsboot. Für 34 Menschen kam jede Hilfe zu spät, die rund 140 Geretteten wurden nach Malta gebracht, wo sie nun in Auffanglagern untergebracht werden. Der Flüchtlingsstrom ist unterdessen auch am Samstag nicht abgerissen. Italienischen Medienberichten zufolge gerieten neuerlich mehrere Boote in Seenot. Rund 300 Menschen mussten nach Angaben der Nachrichtenagentur ANSA von italienischen Marineschiffen gerettet werden.
Bereits über 350 Tote vor Lampedusa geborgen
Erst am Donnerstag vor einer Woche waren bei einem Schiffsunglück vor Lampedusa über 300 afrikanische Flüchtlinge gestorben, 155 konnten gerettet werden. Bis Samstag wurden laut ANSA 359 Leichen geborgen. Seit dem Unglück wird in der EU heftig über die europäische Flüchtlingspolitik diskutiert. Als erste Maßnahmen wurden bisher allerdings nur eine schärfere Überwachung des Mittelmeeres und die Zahlung von 30 Millionen Euro Soforthilfe beschlossen.

APA/ORF.at
Lampedusa und Malta sind für viele Flüchtlinge das erhoffte Tor nach Europa
Auf Malta und auch in Italien wird allerdings weit größerer Handlungsbedarf geortet. Die beiden Länder können laut Muscat das Problem nicht allein lösen. Unverständnis zeigte der Premier in diesem Zusammenhang laut britischen Medienberichten, dass die EU auf der Suche nach Lösungen in der laufenden Wirtschaftskrise weit mehr Tempo gezeigt habe als bei der Rettung von Menschenleben.
„Leere Worte der Solidarität sind nicht mehr genug“, so Muscat, der im BBC-Interview davor warnte, dass „unser eigenes Mittelmeer zum Friedhof“ werde. Muscat verwies laut „Daily Mail“ zudem darauf, dass in der EU das kleinste Mitgliedsland vom zunehmenden Flüchtlingsproblem am stärksten betroffen ist. In Malta gestrandete Flüchtlinge sitzen demnach auf der Insel fest - auf Lampedusa werden diese nach einem kurzen Zwischenstopp in einem Durchgangslager nach Sizilien bzw. in andere Teile Italiens gebracht.
Derzeitiges System wie „Todesurteil“
Wegen des neuen Flüchtlingsdramas erschüttert zeigte sich auch die Bürgermeisterin von Lampedusa, Giusi Nicolini. „Europa muss endlich etwas unternehmen, um den Flüchtlingsstrom zu stoppen. Lampedusa ist zu klein, um allein dieser Situation standzuhalten“, sagte Nicolini. Die sich wiederholenden Tragödien im Mittelmeer seien angesichts des derzeitigen - einem „Todesurteil“ gleichkommenden - Systems allerdings wenig verwunderlich, so Nicolini laut ANSA weiter.
So wie Nicolini rief zuletzt auch der Präsident der Region Sizilien, Rosario Crocetta, die Regierung in Rom und Brüssel zu sofortigem Handel auf. „Wir müssen verhindern, dass weitere Flüchtlinge ums Leben kommen. Ich bin bereit, auf Sizilien den Notstand auszurufen, damit man endlich konkrete und einschneidende Maßnahmen gegen den Menschenhandel ergreift“, so Crocetta weiter. Der italienische Premier Enrico Letta bestätige, dass in Europa dringend Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Flüchtlingsströme im Mittelmeerraum ergriffen werden müssten.
„Maßnahmen gegen Ursachen“ gefordert
Dringender Handlungsbedarf wird auch bei den Vereinten Nationen (UNO) geortet: UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon rief „die internationale Gemeinschaft als Ganze auf, solche Tragödien in Zukunft zu verhindern“, erklärte die UNO am Samstag in New York. „Das heißt auch, dass es Maßnahmen gegen die Ursachen des Problems geben muss und dass die Verwundbarkeit und die Menschenrechte der Migranten im Zentrum der Antwort stehen müssen.“
Der Präsident von Mali, Ibrahim Boubacar Keita, regte unterdessen einen Internationalen Migrationsgipfel an. Bei diesem Gipfeltreffen unter Beteiligung der Herkunftsländer und der Aufnahmeländer der Migranten müsse die Gefahr neuer „Tragödien gebannt“ werden, forderte Keita in einer vom Präsidialamt in Bamako verbreiteten Erklärung.
Die Zeit sei reif für „tiefgreifende Handlungen“, um die bisherigen Verhältnisse in der Auswanderung zu überwinden, erklärte Keita. In Afrika müssten die vorhandenen Ressourcen richtig eingesetzt, die Korruption müsse überwunden werden. „Alleine kann Afrika das aber nicht schaffen“, fügte Keita hinzu. Afrika sei auf „Solidarität“ angewiesen, aber nicht auf „vordergründige“, sondern auf „substanzielle“ Solidarität.
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