„Gerechte Verteilung“
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hat sich nach der Flüchtlingstragödie von Lampedusa für eine bessere Flüchtlingsaufteilung in der EU ausgesprochen. „Ich halte sehr viel davon, ein System zu finden, das einfach mehr die Verantwortung gerecht aufteilt“, sagte Mikl-Leitner am Dienstag vor Beratungen der EU-Innenminister in Luxemburg.
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Österreich sieht die Ministerin dabei nicht in der Pflicht, zusätzliche Flüchtlinge aufzunehmen. „Österreich kommt der Flüchtlingstradition sehr wohl nach, nicht umsonst ist Österreich an vierter Stelle, was die Asylquote (in der EU, Anm.) betrifft“, betonte Mikl-Leitner.
„Wir wissen, dass die Verteilung in ganz Europa nicht gerecht ist.“ Es gebe EU-Staaten, die weniger Verantwortung übernehmen. „Wir müssen uns hier Regeln überlegen, damit die Verantwortung auch gerecht verteilt ist.“ Mikl-Leitner appellierte an andere EU-Staaten mit geringer Asylquote, auch ihre Asylstandards zu verbessern.
Kampf gegen Schlepperei
Nach der Flüchtlingstragödie von Lampedusa muss nach Worten von Mikl-Leitner weiter der Kampf gegen die Schlepperei im Mittelpunkt stehen. „Die Schuldigen sind die Schlepper, die die Toten am Gewissen haben.“ Den Schleppern gehe es vor allem um schnelles Geld, nicht um menschliche Schicksale.
Die EU brauche auch eine gemeinsame europäische Strategie ihrer Entwicklungshilfe. Das sei zwar ein Langzeitprojekt, räumte die Innenministerin ein, doch müssten die Lebensbedingungen in den Herkunftsländern verbessert werden, damit Menschen nicht mehr gezwungen würden, ihr Land zu verlassen.
Keine Änderung der Erstaufnahmeregeln
Eine Änderung an den Erstaufnahmeregeln der Dublin-II-Verordnung erachtet Mikl-Leitner dagegen nicht für notwendig. Das sei Teil des gemeinsamen europäischen Asylsystems, das erst im Juni beschlossen wurde. Deshalb müsse es jetzt auch sofort umgesetzt werden. Die Verordnung sieht vor, dass EU-Staaten Asylwerber in jenen Staat abschieben dürfen, in dem sie erstmals EU-Territorium betreten haben. Die Tageszeitung „Österreich“ berichtete am Dienstag unter Berufung auf die Fremdenpolizei, dass allein in Tirol zwischen Juli und September 494 syrische Flüchtlinge aufgegriffen und nach Italien abgeschoben worden seien.
ÖVP für innereuropäischen Aufteilungsschlüssel
Vor allem das italienische Gesetz, wonach Fischer im Fall der Rettung solcher Bootsflüchtlinge wegen Beihilfe zur illegalen Migration angeklagt werden können, löste unter österreichischen EU-Abgeordneten durchgehend Empörung aus. Der Vizepräsident des EU-Parlaments und ÖVP-Delegationsleiter Othmar Karas betonte, eine solche Regelung könne vor dem EuGH nicht bestehen.
Es seien alle nationalen Gesetze nun zu überprüfen, in allen Ländern. Angesprochen auf eine Quotenregelung für die Aufteilung von Flüchtlingen sagte Karas, eine solche allein löse kein Problem. „Aber wir brauchen einen innereuropäischen Solidaritätsausgleich, einen innereuropäischen Aufteilungsschlüssel“, sagte Karas.
Jedenfalls „sehe ich nicht die Einzelmaßnahme, die morgen ein Lampedusa dieser Art verhindern kann. Ich glaube auch nicht, dass die temporäre Schutzklausel langfristig bei der Problemlösung helfen wird.“ Die Flüchtlingstragödie habe jedenfalls zu einem „neuen Weckruf“ für die EU geführt.
Wirtschaftshilfe für Afrika
Sein Fraktionskollege Hubert Pirker trat für ein dreistufiges Verfahren ein. So müsse es langfristig mehr Wirtschaftshilfe für die betroffenen afrikanischen Länder geben, aus denen die Flüchtlinge kommen. Dann sei eine Aufklärungskampagne in diesen Staaten auch angesichts der Schleppertätigkeiten unumgänglich, und schließlich müsse mit Hilfe der EU-Grenzschutzagentur FRONTEX konkret mehr gegen die Schlepper getan werden.
SPÖ: Rettung nicht unter Strafe stellen
Der SPÖ-EU-Delegationsleiter Jörg Leichtfried bezeichnete das italienische Gesetz über Strafe für helfende Fischer als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“. Das sei absolut inakzeptabel. Das Mindeste, was der frühere italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi zu tun habe, „wenn er zu Sozialdiensten verurteilt wird, ist, dass er in Sizilien Leute aus dem Meer herausfischen soll“.
Die italienische Regelung gehöre jedenfalls „sofort sistiert“. Als unerhört bezeichnete es Leichtfried, dass es im EU-Parlament Gruppen gebe, die dafür seien, dass moderne Überwachungstechnologien nach Afrika geschickt werden sollen, aber die gleichen Leute regten sich zu Hause über diese Technologieanwendung auf. Das sei eine „Scheinheiligkeit“.
FPÖ: FRONTEX verstärken
Der FPÖ-Europaabgeordnete Andreas Mölzer bezeichnete die italienische Regelung als „puren Schwachsinn“. Trotzdem müsse die EU ihre Flüchtlingspolitik überdenken. Es sei ein „Unding“, wenn solche Boote von der afrikanischen Küste aus Richtung EU überhaupt in See stechen dürfen. FRONTEX sollte verstärkt werden, um das zu verhindern. Es müsse mindestens eine „Verzehnfachung“ des Personals für FRONTEX geben.
Grüne für „humanitäre Visa“
Die grüne EU-Abgeordnete Ulrike Lunacek forderte, den menschlichen Tragödien von Flüchtlingen im Mittelmeer endlich ein Ende zu setzen. „Ich bin entschieden gegen diese Art der Auslagerung von Grenzkontrollen in Drittstaaten. Wir fordern stattdessen die Einführung von humanitären Visa für Flüchtlinge, wie sie auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen fordert.“
Menschen, die darlegen können, dass ihr Leben bedroht ist, könnten damit in den Auslandsvertretungen der EU und ihrer Mitgliedsstaaten ein Visum für die Einreise in die EU beantragen. Damit würden sie sicher und legal nach Europa gelangen, statt in seeuntüchtigen Booten die gefährliche Reise über das Mittelmeer antreten zu müssen. Außerdem beweise die Flüchtlingskatastrophe vor Lampedusa erneut die Unzulänglichkeit des Dublin-II-Systems, dem zufolge Flüchtlinge nur in dem Land, in dem sie zuerst EU-Territorium betreten, um Asyl ansuchen können.
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