Skandalfilme und „Jahrhundertring“
Der Regisseur Patrice Chereau ist tot. Nach Angaben seiner Angehörigen ist er nach langer Krankheit am Montag im Alter von 68 Jahren verstorben. Der Franzose, der auch in Wien mit Regiearbeiten begeisterte, gehörte zu den bedeutendsten Film-, Theater- und Opernregisseuren Europas.
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Noch im Juli hatte seine Neuinszenierung der „Elektra“ von Richard Strauss beim Festival im südfranzösischen Aix-en-Provence stürmischen Beifall bekommen. „Seine Vitalität war bis zum Schluss außerordentlich“, sagte die Ko-Chefin seiner Künstleragentur Artmedia, Elisabeth Tanner, der Nachrichtenagentur AFP. Der Regisseur Olivier Py, einstiger Leiter des Odeon-Theaters in Paris, beteuerte seine „ungeheure Traurigkeit“ über den Tod des Kollegen. Chereau sei vor allem von einer „enormen Feinfühligkeit“ geprägt gewesen. „Ich habe auch seine Filme sehr geliebt“, sagte Py.
Jüngster Theaterregisseur Frankreichs
Chereau war mit 19 Jahren der jüngste Theaterregisseur Frankreichs, mit 22 Theaterleiter und als knapp 32-Jähriger sorgte er mit seiner mittlerweile legendären „Ring“-Inszenierung in Bayreuth für ein kulturelles Jahrhundertereignis. Als Filmregisseur schaffte Chereau seinen Durchbruch im Jahr 1975 mit „Das Fleisch der Orchidee“, dessen Drehbuch er auch schrieb.

AP/Berlinale
Chereau bei Dreharbeiten zu „Intimacy“
„Die Bartholomäusnacht“ von 1994 mit Isabelle Adjani wurde zweimal in Cannes sowie mit fünf Cesars ausgezeichnet. Mit dem Sex- und Skandalfilm „Intimacy“, mit dem er den Goldenen Bären auf der Berlinale 2001 gewann, ging er in die Annalen der Filmgeschichte ein. Und dennoch zweifelte er an seinen Qualitäten: „Ich habe nie das Gefühl, dass das, was ich mache, geglückt ist.“
Erfolge auch in Wien und Salzburg
Auch seine Arbeiten für Wien waren von Erfolg gekrönt: Im Jahr 2006 hatte Chereau mit seiner Version von „Cosi fan tutte“ einen Beitrag zum Wiener Mozartjahr geleistet, seine Inszenierung von Leos Janaceks Oper „Aus einem Totenhaus“ für die Wiener Festwochen 2007 wurde von Opernkritikern zur Aufführung des Jahres gewählt. Bereits 1996 begeisterte Chereau bei den Salzburger Festspielen, als seine Inszenierung von „In der Einsamkeit der Baumwollfelder“ auf der Pernerinsel zu Gast war.
Haneke und Cannes
Einen Wermutstropfen gab es allerdings bei der Zusammenarbeit mit dem Filmemacher Michael Haneke: Dessen erstmals rein französisch (u. a. mit Isabelle Huppert) besetzte österreichisch-französische Koproduktion „Wolfzeit“ über eine Familie, die nach einer Katastrophe aus der Großstadt aufs Land flüchtet, lief 2003 in Cannes außer Konkurrenz, weil auch der damalige Jurypräsident Chereau mitspielte.
Düstere Bilder und das Thema Homosexualität
In seinen Filmen und Inszenierungen überschritt Chereau Grenzen, Konventionen, Normen und Denkmuster. Seine Bilder sind oft düster, von radikalem Pessimismus und teilweiser Emotionslosigkeit geprägt. Er hasse Sentimentalitäten und glaube nicht, dass man glücklich sein kann, hatte der Theaterstar einst erklärt.
Chereau hat aus seiner Homosexualität, die er in vielen seiner Filme wie „Der verführte Mann“ und „Sein Bruder“, für den er 2003 auf der Berlinale den Silbernen Bären als bester Regisseur erhielt, nie ein Hehl gemacht. „Es wäre ein Fehler, die Inhalte meiner Arbeit ausschließlich darauf zurückzuführen“, betonte er jedoch. 2009 erhielt Chereau für seinen Film „Persecution“ eine Einladung in den Wettbewerb der 66. Filmfestspiele von Venedig.
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