Hunderttausende bei Begräbnis von Gründer der Schas-Partei
Hunderttausende Israelis haben dem heute verstorbenen Gründer und geistlichen Führer der streng religiösen Schas-Partei das letzte Geleit gegeben. Rabbi Ovadia Josef starb im Alter von 93 Jahren, wie das Hadassah-Krankenhaus in Jerusalem bestätigte. An dem Begräbniszug nahmen nur wenige Stunden später nach Medienberichten rund 500.000 Menschen teil. Die Polizei bestätigte zunächst nur eine halb so große Zahl.
Angesichts der großen Menschenmassen bei dem Begräbnis sperrte die Polizei zahlreiche Straßen in Jerusalem. Der Trauerzug begann im Stadtzentrum nahe der Porat-Josef-Jeschiva und führte zum Sanhedria-Friedhof weiter nördlich, wo auch Josefs Frau begraben liegt. Sein Sohn, Israels Oberrabbiner Jizchak Porat, sagte bei der Traueransprache weinend: „Es gab nie jemanden wie ihn, und es wird nie wieder jemanden geben wie ihn.“
Peres am Sterbebett
Der mit ihm befreundete Staatspräsident Schimon Peres war nach Berichten über Josefs bevorstehenden Tod in die Klinik geeilt, in der der langjährige Großrabbiner seit Ende September behandelt wurde. Zahlreiche Angehörige und Anhänger des Geistlichen drängten sich in den letzten Stunden in dem Spital. Gemeinsam mit religiösen Juden im ganzen Land hatten sie bis zuletzt inständig für Josefs Gesundheit gebetet.
Großer politischer Einfluss
Josef hatte sich als jüdischer Religionsgelehrter einen Namen gemacht. In den letzten Jahrzehnten galt er als sehr einflussreich in der israelischen Politik. Seine streng religiöse Schas-Partei, gegenwärtig in der Opposition, war oft Zünglein an der Waage bei der Regierungsbildung.
Josef kämpfte vor allem für die Rechte der aus Nordafrika und dem Nahen Osten stammenden Juden (Misrachim und Sepharden). Dass er deren Interessen gegenüber dem vorwiegend aus Europa stammenden Establishment offensiv vertrat, machte ihn und seine Schas-Partei so erfolgreich.
Trotz seiner angeschlagenen Gesundheit empfing der Rabbiner, dessen Sohn Jizchak Ende Juli zum sephardischen Großrabbiner gewählt wurde, auch in den letzten Jahren regelmäßig die Spitzenpolitiker aller Lager.
Gesellschaftspolitisch liberal
Josef, der 1920 in Bagdad geboren wurde und im Alter von vier Jahren in das damalige britische Mandatsgebiet Palästina einwanderte, traf zahlreiche halachische (religionsgesetzliche) Entscheidungen. Er zeichnete sich dabei durch eine vergleichsweise liberale Haltung aus, die ihn und die ihm politisch zugeordnete Schas-Partei immer wieder zu einem wichtigen Partner machte.
Wegweisende gesellschaftliche Entscheidungen
Josef gelang es wie keinem anderen orthodoxen Geistlichen, sich die Anerkennung auch der säkularen Öffentlichkeit zu sichern. Er entschied etwa, dass Frauen Hosen tragen dürfen, dass das Zahlen von Steuern an den Staat für Orthodoxe zulässig und nötig ist - obwohl viele ultraorthodoxe Juden den zionistischen Staat ablehnen.
Vor allem entschied er religionsgesetzlich verbindlich, dass die äthiopischen Juden ein dem Volk Israel angehöriger Stamm sind. Diese und zahlreiche andere seiner halachischen Entscheidungen hatten nicht nur religiöse, sondern auch enorme gesellschaftliche Bedeutung. Zugleich sorgte Josef auch wiederholt durch umstrittene Aussagen wie den Aufruf, für die Zerstörung des Iran zu beten, für Aufsehen und Kritik.