Tod, Trauer und Erwachsenwerden
Mit „Beyond Two Souls“ will das Entwicklerstudio Quantic Dream einmal mehr beweisen, dass Videospiele nicht wie oft kritisiert bloß gewalttätiger Zeitvertreib vor allem für Jugendliche sind, sondern mit tiefgründigen Geschichten auch gezielt Erwachsene ansprechen können - auch und gerade weil das Klischee vom Gamer-Nerd so nicht mehr stimmt.
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„Beyond Two Souls“ erzählt die Geschichte von Jodie Holmes über einen Zeitraum von 15 Jahren. Die junge Frau hat eine Begabung, die sich schon im Kindesalter bemerkbar macht - sie hat übersinnliche Kräfte. Der späteren CIA-Agentin steht das unsichtbare Wesen Aiden zur Seite, mit dessen Hilfe der Spieler von anderen Figuren Besitz ergreifen kann. Laut Guillaume de Fondaumiere, Geschäftsführer von Quantic Dream, dreht sich das Spiel um Themen wie Tod, Trauern und Erwachsenwerden - und die Emotionen, die damit einhergehen.

Jakob Polacsek/Sony PlayStation
Guillaume de Fondaumiere vor den Hauptfiguren des Films, dargestellt von Willem Dafoe und Ellen Page
Emotionen statt Spaß
Es gehe weniger um Spaß als viel mehr um eine Erfahrung, um Emotionen, die das Spiel auslöse - wie auch ein Buch oder Film. Durch die starke kinematographische Ausrichtung erscheine das Spiel auf den ersten Blick auch wie ein interaktiver Film, gibt De Fondaumiere zu, doch dahinter stecke mehr. Über 20 Enden gebe es in dem Spiel, jede Entscheidung wirkt sich auf das weitere Spielgeschehen aus. „Wir geben dem Spieler die Möglichkeit, durch sein Handeln die Geschichte zu verändern“, statt einen bestimmten Erzählstrang durchzuspielen, so De Fondaumiere.
Jedes Spielerlebnis ist anders
Das Spielerlebnis werde sich von Spieler zu Spieler unterscheiden, weil auch nicht jeder Spieler alle Szenen zu Gesicht bekomme - wie schon bei „Heavy Rain“. Der Unterschied sei allerdings der Einsatz der bekannten Schauspieler Willem Dafoe und Ellen Page, meint De Fondaumiere, durch ihr gemeinsames Schauspiel rücke das Spiel in eine neue Kategorie. Defoe und Page mussten gemeinsam und mit anderen Personen im Bild ihre Szenen spielen. Was bei Filmen naturgemäß Usus ist, ist bei Videospielen sonst nicht so üblich.

Sony Computer Entertainment
Jodie ist auf der Flucht vor der Polizei
Bei den eingesetzten Performance Capture Shootings wurde neben den Bewegungen gleichzeitig auch die gesamte Mimik aufgezeichnet. Dazu mussten die Schauspieler einen Anzug mit Punkten tragen, anhand derer das Computerprogramm die Bewegungen tracken kann. Auch im Gesicht müssen die Schauspieler solche Punkte tragen. Obwohl die Bewegungen im Spiel tatsächlich sehr realistisch anmuten und die Szenerien und Bilder zu beeindrucken wissen, lässt der mitunter stoische Blick nicht vergessen, dass die Figuren digital sind.
„Kinder sind nicht unsere Zielgruppe“
„Wir wollen Erwachsene ansprechen, Kinder sind definitiv nicht unsere Zielgruppe“, beschreibt De Fondaumiere die Zielsetzung des Spiels. Quantic-Dream-Mastermind David Cage, der das Drehbuch für „Beyond Two Souls“ geschrieben hat, plädiert seit Jahren für mehr intellektuellen Tiefgang bei Videospielen, damit diese auch ein älteres Publikum erreichen. Obwohl mittlerweile deutlich mehr und auch ältere Menschen Videospiele spielten, sei doch der Anspruch der Spiele auf eher niedrigem Niveau, argumentiert Cage. Durch eine Verbreiterung des Themenspektrums könnte sich der „Nischenmarkt“ Videospiele schließlich auch vergrößern, ist Fondaumiere überzeugt.

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Der Filmeindruck wird durch die ausgefeilte Grafik verstärkt
"‚GTA 5‘ („Grand Theft Auto 5", Anm.) wird weltweit wahrscheinlich 25 Millionen Spieler erreichen - bei einem Film wäre das ein relativ schlechter Wert“, sieht De Fondaumiere auch noch einen ausreichenden Abstand zwischen Spiel- und Filmindustrie. Ein Blockbuster erreiche alleine in Frankreich 20 Mio. Menschen. Um mehr Menschen ansprechen zu können, müssten Videospiele ihren Fokus ändern, „weil die meisten Menschen denken, dass Videospiele für Teenager sind und es vor allem ums Töten geht.“ Bis Videospiele ebenso akzeptiert sind wie Filme, werde es aber noch zumindest eine Generation brauchen, so De Fondaumiere.
„Kein frustrierter Filmemacher“
Er wolle das Medium Spiel voranbringen, Cage und er seien keine „frustrierten Filmemacher, ganz im Gegenteil“, er selbst sehe sich als interaktiver Geschichtenerzähler. „Wir finden es interessant, neue Geschichten zu erzählen, und solange es originelle Ideen gibt, werden wir sie erzählen“, so De Fondaumiere auch über die Entscheidung, warum das Spielestudio keine direkte Fortsetzung von „Heavy Rain“ umgesetzt hat, wie sonst in der Spielebranche oft üblich.
Erscheinungstermin
Das Spiel erscheint am 9. Oktober für Sonys PlayStation 3.
Natürlich seien Videospiele für Zwölf- bis 14-Jährige genauso legitim, wie etwa in der Straßenbahn zwischen zwei Stationen schnell „Tetris“ zu spielen, aber ihn interessiere, wie man Leute dazu bringen könne, Spiele genauso zu nutzen wie TV-Serien, Filme oder Bücher, sagt Fondaumiere. Durch Defoe und Page habe das Spiel auch das Potenzial, mehr Menschen zu erreichen, weil die erste Reaktion meist die Frage sei, ob es sich bei „Beyond Two Souls“ um einen neuen Film handle. „Vielleicht können wir so andere Leute erreichen und für uns interessieren.“
Nadja Igler, ORF.at
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