Themenüberblick

Wegbereiter der Aufklärung

Denis Diderot war einer der bedeutendsten Wegbereiter der Aufklärung. Er setzte sich mit Kunst ebenso auseinander wie mit Naturwissenschaften und Technik, sprachtheoretischen Problemen und Fragen von Macht und Herrschaft. Ihm ging es darum, die Vernunft statt des Glaubens als höchste Berufungsinstanz in ihr Recht zu setzen. Und zugleich ließ Diderot Ironie und Witz nie zu kurz kommen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Sein umfangreiches Werk auf einen Nenner zu bringen ist unmöglich, denn zu den Besonderheiten des Diderot’schen Erzählens und Philosophierens gehören stets das Paradoxe und Dialektische, ohne je zu einem Ergebnis oder Schluss zu kommen, präsentiert aus verschiedenen Perspektiven und mit überraschenden Pointen. Seine Gedankenwelt entwickelte Diderot in verschiedensten literarischen Formen - so etwa der Skizze und der wissenschaftlichen Arbeit, dem Essay, Dialog, Traum, Brief, Reisebericht und letztlich dem Roman und dem Drama.

Bohemien in Paris

Geboren wurde er am 5. Oktober als Sohn des Messerschmieds Didier Diderot und seiner Ehefrau Angelique in Langres (Champagne). Nach dem Besuch des Jesuitenkollegs empfing er bereits im Alter von 13 Jahren die Tonsur, da er einmal die Kanonikuspfründe seines Onkels übernehmen sollte.

1728 ging Diderot nach Paris, wo er vermutlich das jansenistische College besuchte und dann an der Sorbonne studierte. Statt nach dem Abschluss der propädeutischen Studien 1732 Theologie zu studieren, was später sein jüngerer Bruder tun musste, führte Diderot das Leben eines Bohemiens, schlug sich mit Gelegenheitsarbeiten als Anwaltsgehilfe, Hauslehrer und Predigtenschreiber durch.

Er veröffentlichte erste Artikel in Zeitschriften, war als Übersetzer tätig und fand Anschluss an andere junge Intellektuelle - darunter Jean-Jacques Rousseau und Abbe de Condillac. Zum Desaster wurde 1743 seine Reise nach Langres, wo er den Segen seines Vaters für die Heirat mit der besitz- und aussteuerlosen Wäscherin Anne-Toinette Champion einholen wollte.

Provokateur der Kirche

Der Vater war entsetzt und ließ den „ungeratenen“ Sohn im Kloster nahe Troyes einsperren. Diese Erfahrung bestätigte Diderots Antipathie gegen die Kirche und ihre Institutionen, eine Antipathie, die sich später noch dadurch verstärken sollte, dass seine jüngste Schwester im Kloster psychisch erkrankte. In seinem Roman „Die Nonne“ setzte er sich 1761 mit dem Thema auseinander.

Nach der Flucht aus dem klösterlichen Gefängnis heiratete Diderot Champion heimlich in Paris und bekam vier Kinder mit ihr, von denen ihn nur eine Tochter überlebte. Die Ehe war jedoch unglücklich, und Diderot hatte schon bald zahlreiche Affären. Seine langjährige Beziehung mit Sophie Volland ab 1755 ist in vielen Liebesbriefen Diderots dokumentiert.

1746 erschienen die religionskritischen „Philosophischen Gedanken“ und 1748 der erotisch-satirische Roman „Die indiskreten Kleinode“, der ein Skandalerfolg wurde. Sein „Brief über die Blinden zum Gebrauch der Sehenden“ brachte Diderot 1749 eine mehrmonatige Haftstrafe wegen Gotteslästerung im Turmgefängnis von Vincennes ein. In diesem Werk stellte Diderot die Frage, wie es möglich sei, dass ein Blinder Gott erkennen könne. Die Antwort, dass das bestenfalls mit dem Tastsinn möglich sei, ließ die Zensur nicht auf sich sitzen.

Mammutprojekt „Enzyklopädie“

Mit dem Mathematiker und Physiker Jean Le Rond d’Alambert hatte Diderot 1746 am Projekt der „Enzyklopädie“ zu arbeiten begonnen, die trotz mehrfacher Verbote in den Jahren 1751 bis 1772 erschien, am Ende 28 Bände, 18.000 Seiten und 71.818 Artikel umfasste und zum Hauptwerk der französischen Aufklärung avancierte. Rund 160 Autoren arbeiteten an dem Mammutprojekt mit, Diderot fertigte mehr als 5.000 Artikel und die meisten Bildtafeln an.

Die „Enzyklopädie“ zielte darauf ab, „die auf der Erdoberfläche verstreuten Kenntnisse zu sammeln, das allgemeine System dieser Kenntnisse den Menschen darzulegen (...) und es den nach uns kommenden Menschen zu überliefern“. In einem Brief an Voltaire schrieb Diderot: „Unsere Devise lautet: kein Pardon für Abergläubische, Fanatiker, Unwissende, Narren, Bösewichter und Tyrannen.“

Tausendsassa am Zarenhof

1751 trug er in seinem „Brief über Taube und Sprachlose“ zu einer Grundlegung der philosophischen Ästhetik bei. Als Mitarbeiter an Melchior Grimms „Literarischer Korrespondenz“ beschäftigte er sich in den folgenden Jahren mit Kunstgeschichte und Kunstkritik. Als Naturwissenschaftler betätigte er sich in den „Überlegungen zur Deutung der Natur“ (1754), einem Plädoyer gegen den Cartesianismus.

1757 und 1758 erschienen seine Theaterstücke „Der uneheliche Sohn“ und „Der Familienvater“ einschließlich der theoretischen Grundlegung der neuen Gattung des bürgerlichen Trauerspiels „Über drastische Dichtung“. Mitte der 1750er Jahre zerbrach jäh die Freundschaft mit Rousseau aufgrund dessen schwieriger Persönlichkeit.

1765 erwarb Zarin Katharina II. Diderots Bibliothek und stellte ihn zugleich als Bibliothekar derselben an. Damit war Diderot, der zeitlebens unter Geldnot litt, endlich finanziell abgesichert. 1773 reiste er nach St. Petersburg und beschäftigte sich mit der Reformierung des russischen Erziehungssystems. Nach seiner Rückkehr zeigte sich Diderot jedoch enttäuscht über den aufgeklärten Absolutismus der Zarin.

„Rameaus Neffe“ und „Jacques der Fatalist“

Die traumatische Erfahrung der Haft in Vincenne und stetige Konflikte mit der Zensur ließen Diderot viele seiner Schriften anonym oder gar nicht publizieren. 1760/1761 entstand der Dialogroman „Rameaus Neffe“, der erstmals 1805 in deutscher Übersetzung durch Johann Wolfgang von Goethe gedruckt, 1821 ins Französische rückübersetzt und 1891 im Original wiederentdeckt wurde. Sein Roman „Jacques der Fatalist und sein Herr“ aus dem Jahr 1773 erschien erst 1796. In beiden Werken ließ Diderot eine Figur auftreten, die die Welt der moralischen und ständischen Ordnung auf den Kopf stellt.

Diderots philosophisches Hauptwerk „D’Alemberts Traum“, das er 1769 verfasste, konnte erst 1830 erscheinen. Darin wird der Mensch als Element einer dem Zufall und dem Chaos geweihten Materie beschrieben. In „Paradox des Schauspielers“ vertrat Diderot 1773 die These, dass nicht Gefühl und Leidenschaft, sondern Selbstkontrolle und Reflexion Voraussetzung der Schauspielkunst seien.

In seinem Spätwerk wandte sich Diderot auch politischen Fragen zu, so in den „Seiten gegen einen Tyrannen“ (1774), „Beobachtungen über den Nakaz“ (1774) und dem „Versuch über die Regentschaft von Claudius und Nero“ (1782). Im Februar 1784 erlitt Diderot einen Schlaganfall und starb am 31. Juli an Herzversagen.

Links: