Themenüberblick

Das Rennstall-Feeling der 70er Jahre

Niki Lauda, Formel-1-Held, Unternehmer und notorischer Adabei, hat den Rennsport einmal mit „blöd im Kreis herumfahren“ beschrieben. Nun versucht der Film „Rush - Alles für den Sieg“ über Laudas Schicksalsjahr 1976 zu erklären, was die Faszination des Sports ausmacht - und er versucht, den Kick der Fahrer auf die Zuschauer zu übertragen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Autorennen zu fahren hieß früher etwas anderes als heute. Von den 25 Fahrern im Formel-1-Zirkus starben in den 60er und 70er Jahren pro Jahr im Durschnitt zwei. Die Wahrscheinlichkeit, das Leben zu verlieren, war also denkbar hoch. Niemand, der normal tickt, würde unter solchen Umständen arbeiten. Formel-1-Fahrer galten als jene, die dem Tod trotzen und vor Testosteron strotzen.

Schauspieler Daniel Brühl und Chris Hemsworth als James Hunt und Niki Lauda

Universum Film GmbH

Chris Hemsworth als James Hunt, Daniel Brühl als Niki Lauda

Als Regisseur Ron Howard, zweifach oscarprämiert für „A Beautiful Mind“, gefragt wurde, ober den Film machen möchte, sagte er rasch zu, wie er im Interview mit der APA erklärt: „Die Formel 1 ist sehr kinematographisch, sehr visuell, der Klang, das Drama. Sie gehört geradezu auf die große Leinwand.“ Und dazu kommen die Typen. Howard fokussierte auf den nervenzerreißenden Konkurrenzkampf zwischen Lauda und James Hunt im Jahr 1976.

Sprachkurs für österreichisches Englisch

Howard und sein Team recherchierten viel, und die Akribie hat sich ausgezahlt. „Rush“ lebt nicht zuletzt von der detailverliebten Authentizität, von den Rennautos über die Mode bis hin zur 70er-Jahre-Ästhetik des Films. Ein paar Details wurden dramaturgisch verändert, der persönliche Konflikt zwischen Hunt und Lauda deutlich zugespitzt. Sonst scheint alles zu passen - dafür garantierte Lauda selbst, der eng mit Howard und Lauda-Darsteller Daniel Brühl zusammenarbeitete.

Programmhinweis

ORF Sport + und ORF eins bieten einen Programmschwerpunkt zum Film - mehr dazu in programm.ORF.at.

Der Deutsche Brühl erhielt wochenlang Sprachtraining, um genauso österreichisch Englisch sprechen zu lernen wie Lauda. Noch vom Cockpit des Formel-1-Wagens aus rief er, bereits von Kameras umringt, Lauda an, um zu fragen, ob man sich als Fahrer zuerst den Helm aufsetzt oder die Handschuhe anzieht. Er sah sich historische Aufnahmen an, verbrachte Zeit mit Lauda und wird wohl auch dessen Autobiografie gelesen haben.

„Wirklich so, wie wir damals waren“

Bei so viel Lauda sollte man meinen, der Film sei eine distanzlose Hommage geworden. Wurde er nicht. Von Anfang an warnte Howard Lauda, dass er sich nicht dreinreden lassen würde, wie Lauda in „Rush“ am Ende rüberkommt. Der Film baut auf zwei zugespitzten Charakterstudien auf: Hunt, der Frauenheld, Macho und Partytiger gegen Lauda, den unsympathischen Technokraten, der rationalisiert, wo sonst Gefühl vorherrscht.

Archivfoto von Niki Lauda und James Hunt

picturedesk.com/EXPA/Sutton/Phipps

Der echte Lauda, der echte Hunt

Im Interview mit der APA berichtet Lauda davon, wie er den Film zum ersten Mal sah: „Ich habe mir damals gedacht: Boah - wenn ich damals wirklich so unsympathisch war, wie Peter das schildert, wundert mich das schon. Aber jetzt habe ich den Film das dritte Mal gesehen, wie ein normaler Kinogänger. Und jetzt hat er mir wirklich gut gefallen, weil der Film auf zwei unterschiedlichen Persönlichkeiten aufgebaut ist, die um die Weltmeisterschaft kämpfen. Da war ein gewisses Verständnis da, aber auch ein beinharter Konkurrenzkampf. Der Film ist sehr gut gemacht und stellt uns wirklich so dar, wie wir damals waren.“

Sekt und Joint - vor dem Rennen

Der Film setzt ein, als Lauda und Hunt noch Formel-3-Fahrer waren. Hunt trank ein Glas Sekt und rauchte einen Joint vor dem Rennen, Lauda kümmerte sich um den Wagen und bereitete sich vor. Dann geht es weiter mit der Formel-1-Saison 1975, als Lauda den Weltmeistertitel holte. 1976 fuhr Lauda für Ferrari, Hunt hatte zu McLaren gewechselt. Sie waren nun ernsthafte Gegner um den Titel.

Zunächst lief es nicht gut für Hunt, bei sechs Rennen kam er viermal nicht ins Ziel, es gab Probleme mit den Autos und dann auch mit der Rennleitung - ein Sieg wurde ihm wegen der Breite des Autos zunächst ab- und dann wieder zuerkannt. Lauda lag mit deutlichem Respektabstand in Führung - bis es am 1. August zum geschichtsträchtigen, dramatischen Unfall auf dem deutschen Nürburgring kam.

Weiterfahren statt Frühpension

Der Unfall war eine Zäsur für Lauda - und er ist eine Zäsur im Film. Es verwundert, dass die Geschichte nicht schon längst für das Kino adaptiert wurde. Lauda steckt fast 50 Sekunden in seinem brennenden Wagen fest, bevor er gerettet wird. Sein Ohr verbrennt, dazu Teile seines Gesichts. Jeder andere wäre in Frühpension gegangen. Lauda saß sechs Wochen später wieder bei einem Rennen im Cockpit und fuhr mit blutigem Kopfverband Platz vier ein. Danach folgte eine atemberaubende Aufholjagd, erst im letzten Rennen der Saison wurde entschieden, wer den Titel holt.

„Ein paarmal weniger saufen gehen“

Hunt versucht im Film mehrfach, Lauda zu erklären, was die Formel 1 so attraktiv macht: die Nähe zum Tod, der Glamour, der Wahnsinn. Lauda antwortet mit Statistiken und spricht darüber, wie er durch harte Arbeit und kluge Entscheidungen das Risiko minimieren kann, ohne langsamer zu werden. Lauda hat sich seit damals offenbar kaum verändert. Heute ist er Mercedes-Aufsichtsrat. Vor kurzem sagte er über einen möglichen Wechsel des finnischen Formel-1-Piloten Kimi Räikkönen von Lotus zu Red Bull:

„Wenn Kimi nicht zu Red Bull geht, ist er ein Schlappschwanz. Die Frage ist, was er will: Freiheiten, wenig Geld und nichts leisten müssen? In diesem Paket sind aber eben auch ein paar mehr Arbeitstage enthalten. Muss er halt ein paarmal weniger saufen gehen!“ Ganz Ähnliches sagt der in jeder Gestik und Mimik überzeugende Film-Lauda Brühl zu dem ebenfalls überaus glaubwürdigen Film-Hunt Chris Hemsworth.

Am Ende war auch Lauda berührt

Der Film lebt von einer etwas vereinfachten Story, in der zwei Welten aufeinanderprallen, von in Bild und Ton beeindruckend in Szene gesetztem 70er-Jahre-Rennstall-Feeling und von dem beinharten Duell zwischen Lauda und Hunt auf der Rennstrecke. Selbst wenn man Lauda mit seiner alten Diagnose vom „Blöd-im-Kreis-Fahren“ recht gibt, kann man sich dem emotionalen Sog der Story und dem atemberaubenden Kampf der Bolidengladiatoren nicht entziehen.

Ausgerechnet Lauda, von dem man vermuten müsste, er würde durch den Streifen retraumatisiert, sagt: „Es hat schon Emotionen ausgelöst bei den Menschen. Bei mir natürlich weniger, denn ich habe ja alles erlebt.“ Er habe den Film gemeinsam mit Lewis Hamilton und Nico Rosberg (den beiden derzeitigen Mercedes-Piloten) gesehen und sie danach beruhigt: „Die beiden saßen ängstlich neben mir, und Lewis fragte mich, ob die Spitalszenen wirklich so abgelaufen sind. Ich habe nur gemeint: Mach dir keine Sorgen, ich bin eh da.“ Immerhin, ganz kalt dürfte der Film auch Lauda selbst nicht gelassen haben: „Die Szenen aus dem Spital nach dem Unfall sind auch für mich brutal gewesen, da ich das ja nie so in der Außensicht gesehen habe.“

Simon Hadler, ORF.at

Link: