Mensch für Erderwärmung verantwortlich
Die Weltgemeinschaft droht laut einem neuen Bericht des Weltklimarates (IPCC) ihr Ziel einer Begrenzung der Erderwärmung auf zwei Grad deutlich zu verfehlen. Die Durchschnittstemperaturen würden je nach Szenario bis zum Jahr 2100 um 0,3 bis 4,8 Grad steigen, heißt es in einer Zusammenfassung des ersten Teils des fünften IPCC-Sachstandsberichts, die am Freitag in Stockholm veröffentlicht wurde.
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Außerdem halten die Klimaforscher es für äußerst wahrscheinlich, dass der Mensch die Hauptursache der Erwärmung seit Mitte des 20. Jahrhunderts ist. Die Folgen sind extrem und „kaum beherrschbar“. Der Meeresspiegel wird deutlich schneller steigen als bisher gedacht. Im ungünstigsten Fall erhöht er sich bis zum Ende dieses Jahrhunderts um 82 Zentimeter, wie der Weltklimarat im ersten Teil seines neuen Berichts schreibt.

Reuters/Bertil Enevag Ericson/TT News Agency
259 Forscher haben vier Jahre lang Tausende Studien ausgewertet
Selbst wenn der Klimaschutz erheblich verstärkt wird, sind es noch mindestens 26 Zentimeter. „Während sich die Ozeane erwärmen und Gletscher und Eisdecken schmelzen, wird der globale Meeresspiegel weiter steigen, aber schneller, als wir es in den letzten 40 Jahren erlebt haben“, sagte einer der IPCC-Vorsitzenden, Qin Dahe.
Hitzewellen und Rekordniederschläge häufen sich
„Hitzewellen treten sehr wahrscheinlich öfter auf und halten länger an“, teilte der Weltklimarat mit. Im Zuge der Erderwärmung erwarten die Wissenschaftler, dass feuchtere Regionen auf der Welt mehr Niederschläge und trockenere noch weniger bekommen. „Es wird aber Ausnahmen geben.“
Nie war es dem Bericht zufolge seit Beginn der Wetteraufzeichnungen wärmer als zwischen 2001 und 2010. „Mehr Temperaturrekorde sind gebrochen worden als in jedem anderen Jahrzehnt“, sagte der Generalsekretär der Weltmeteorologieorganisation (WMO), Michel Jarraud. Die Eisdecken in Grönland und der Antarktis haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten an Masse verloren, Gletscher sind weltweit weiter geschrumpft, wie die Forscher schreiben.
Arktis schon 2050 eisfrei?
Die Arktis erlebte etwa im vergangenen Jahr eine Rekordeisschmelze. Laut der US-Behörde für Ozeanologie und Atmosphärenforschung (NOAA) verkleinerte sich die Eisfläche in der Arktis 2012 auf 3,41 Mio. Quadratkilometer. Das ist die kleinste Fläche seit Beginn der Satellitenbeobachtung der Region vor 34 Jahren und 18 Prozent weniger als der bisherige Niedrigrekord aus dem Jahr 2007. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Gewässer um den Nordpol bis 2050 im Sommer eisfrei sein werden.
Auch bei Gebirgsgletschern wird weltweit eine starke Eisschmelze beobachtet, etwa im Himalaya-Gebirge und in den südamerikanischen Anden. Die Gletscher der Pyrenäen zwischen Frankreich und Spanien könnten bis 2050 ganz verschwunden sein. Unter einem weiteren Temperaturanstieg wird auch die Tier- und Pflanzenwelt leiden. Ein Anstieg zwischen 1,5 und 2,4 Grad im Vergleich zu den 20 letzten Jahren des 20. Jahrhunderts würde dafür sorgen, dass 20 bis 30 Prozent aller Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht würden.
Ban lobt „unparteiischen“ Bericht
UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte in einer Videobotschaft, der neue „unparteiische“ Bericht des IPCC sei eine wesentliche Grundlage für ein neues, ehrgeiziges Klimaschutzabkommen. Der Kovorsitzende der Arbeitsgruppe I des IPCC, Thomas Stocker, mahnte in Stockholm: „Eine Begrenzung des Klimawandels erfordert eine substanzielle und anhaltende Verringerung der Treibhausgasemissionen.“
Für UNO-Klimachefin Christiana Figueres sind die Ergebnisse des neuen Klimaberichts ein „Weckruf“ für die internationale Staatengemeinschaft zum beschleunigten Handeln. Die bisherigen Bemühungen zur Begrenzung der Erderwärmung reichten nicht aus. „Um die Menschheit aus der hohen Gefahrenlage zu steuern, müssen die Regierungen die sofortigen Klimaschutzbemühungen verstärken und 2015 ein Abkommen bereitstellen, das dazu beiträgt, die globale Antwort auszuweiten und zu beschleunigen.“
Ähnlich kommentierte EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard den Bericht. „Es geht nicht darum, ob man an den Klimawandel glaubt oder nicht. Es geht darum, ob man sich an die Wissenschaft hält oder nicht“, so Hedegaard am Freitag in einer in Brüssel veröffentlichten Mitteilung. „An dem Tag, an dem alle Wissenschaftler Sie mit hundertprozentiger Sicherheit vor dem Klimawandel warnen, wird es zu spät sein.“
Weltklimakonferenz im November in Warschau
Die Regierungen werden bei der nächsten Weltklimakonferenz im November in Warschau darüber beraten, wie Figueres sagte. Zusammen mit weiteren IPCC-Berichten, die 2014 vorgelegt würden, lägen den Regierungen dann die „Werkzeuge“ vor, um das Gerüst und den Inhalt des neuen Weltklimavertrags zu erstellen.
Für den ersten Teil des aktuellen Klimaberichts haben 259 Hauptautoren in den vergangenen vier Jahren Tausende wissenschaftliche Studien ausgewertet. Ihre Kernthesen haben sie auf 30 Seiten zusammengefasst. Der vollständige Bericht erscheint am Montag. Teil zwei und drei des fünften Weltklimaberichts behandeln die Auswirkungen des Klimawandels und die politischen Möglichkeiten, ihn zu bremsen. Sie werden im Frühjahr 2014 in Japan und Deutschland vorgestellt.
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