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„Zusammenstoß wäre nicht passiert“

Eine Woche nach der Bergung der „Costa Concordia“ von den Klippen der italienischen Insel Giglio hat der angeklagte Schiffskapitän Francesco Schettino am Montag im Gerichtssaal eine Wende in seiner Verteidigungsstrategie vollzogen. Er behauptet nun, dass das Unglück am 13. Jänner 2012 in der Verantwortung des Steuermanns gelegen sei.

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Der indonesische Steuermann habe seine auf Englisch gegebenen Anweisungen nicht verstanden und einen gravierenden Fehler beim Manöver zur Verhinderung des Zusammenstoßes mit dem Felsen gemacht, gab Schettino im Gericht in Grosseto zu Protokoll. Es war das erste Mal in dem Monsterprozess, dass Schettino selbst über die Nacht des Unglücks, das 32 Menschenleben forderte, sprach.

13 Sekunden Verspätung

Der Steuermann habe mit einer Verspätung von 13 Sekunden auf eine Anweisung reagiert, unterstrichen Schettinos Verteidiger. Er selbst betonte, es hätte den Crash sonst „gemäß meiner Erfahrung“ nicht gegeben: „Hätte es den Fehler des Steuermanns nicht gegeben, dass er die Pinne nicht nach links gerichtet hätte, hätte es auch keinen Schlenker (in Richtung des Riffs, Anm.) gegeben - und der Zusammenstoß wäre nicht passiert“, erklärte Schettino.

Ein Polizeiboot vor dem zerstörten Wrack der Costa Condordia

Reuters/Tony Gentile

Die Arbeiten am gehobenen Wrack der „Costa Concordia“ dauern an

Der Steuermann hatte sich bereits zuvor gemeinsam mit fünf weiteren wegen des Unglücks Angeklagten schuldig bekannt. Wegen der Abmachung mit der Anklagebehörde vor Verhandlungsbeginn wurden die fünf Angeklagten zu milden Strafen verurteilt, der Steuermann zu 20 Monaten wegen fahrlässiger Tötung. Schettino bleibt somit als einziger Angeklagter des Unglücks übrig, was auch bei Opfern und Hinterbliebenen der Getöteten für Empörung sorgt.

Schiff „wäre so oder so auf Grund gelaufen“

Sachverständige bestätigten die verspätete Ausführung des Ausweichmanövers, das Schiff wäre demnach aber „so oder so auf Grund gelaufen“. Schettinos Verteidiger wiederum sprachen außerdem von „gravierenden technischen Mängeln“ an Bord des Schiffes, vor allem in Bezug auf Sicherheitskorridore und den Stromgenerator. Diese Vorwürfe wollen die Verteidiger mit einer Durchsuchung des Schiffswracks untermauern. Auch Zivilkläger drängen darauf, um ihre Schadenersatzansprüche gegen die Reederei zu stützen.

Kapitän Schettino verlässt den Gerichtssaal

AP/Andrew Medichini

Schettino beim Verlassen des Gerichts am Montag

Der Prozess war am Montag nach der Sommerpause wieder aufgenommen worden. Schettino betrat in der Früh mit seinen Anwälten ohne Kommentar das Gericht. Der 52-Jährige muss sich unter anderem wegen fahrlässiger Tötung und Körperverletzung sowie dem Verlassen des Schiffs verantworten. Bis zum kommenden Freitag sind täglich Anhörungen angesetzt, ein Urteil wird jedoch erst in einigen Monaten erwartet.

Monsterprozess mit Hunderten Zeugen

Schon jetzt steht die Ladung von mehr als 400 Zeugen fest. Schettino nimmt persönlich an allen Prozesstagen teil. Unterdessen gehen auch an dem Wrack vor der Mittelmeerinsel Giglio die Bergungsarbeiten weiter. Zudem sollte am Montag oder Dienstag die Suche nach den zwei bis heute vermissten Opfern des Unglücks - einer italienischen Passagierin und einem Inder, der als Kellner auf dem Schiff arbeitete - neu beginnen.

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