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Hunderte Arbeitsplätze über Monate

Für das Wrack der „Costa Concordia“ stehen nach dem Beginn der Bergung die Interessenten bereits Schlange. Mehrere Häfen lieferten einander einen heftigen Konkurrenzkampf, berichteten italienische Medien. Im Inneren des Schiffs werden noch Wertsachen für Millionen vermutet, die Passagieren und der Reederei gehören. Das wirklich große Geschäft ist das Abwracken des Kreuzfahrtschiffs.

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Die italienische Tageszeitung „La Repubblica“ berichtete am Mittwoch letzter Woche von einem regelrechten „Krieg“ zwischen den Häfen um das Wrack: Piombino in der Toskana, Palermo auf Sizilien, Genua in Ligurien. Außerdem zeigen Livorno in der Toskana, Civitavecchia in der Provinz Rom und Neapel in Süditalien ebenso Interesse, wollte der „Corriere della Sera“ wissen.

Bis zu einer endgültigen Entscheidung werde es aber noch dauern, so die „Repubblica“. Ausschlaggebend dafür seien die Punkte Wassertiefe, technische Voraussetzungen und Fachkenntnisse. Der havarierte Luxusliner ist knapp über 290 Meter lang, über 50 Meter hoch und über 35 Meter breit. In fahrbarem Zustand hatte das Schiff einen maximalen Tiefgang von über acht Metern, zuletzt lag es in einer Tiefe von mehr als 18 Metern im Wasser.

Das aufgerichtete Wrack der "Costa Concordia"

Reuters/Tony Gentile

Nach dem Aufrichten des Wracks laufen Bergungsarbeiten nahtlos weiter

Umfangreiche logistische Vorbereitungen nötig

Egal welcher Hafen den Zuschlag bekommt, an umfangreichen Vorarbeiten und Investitionen dürfte er nicht vorbeikommen. Besonders die Toskana hätte das Großprojekt als eine Art „Kompensation“ für die Schiffskatastrophe vor ihrer Küste gerne in der Region behalten, hieß es mehrfach. Aber auch andere Interessenten lassen nicht locker: Die Entscheidung müsse jedenfalls nach technischen, nicht nach politischen Gesichtspunkten fallen, sagte der Vorstand der Hafenbehörde in Genua, Luigi Merlo, der „Repubblica“.

Genua könnte den Hafen bis auf 20 Meter vertiefen, damit das Wrack angedockt werden könne. Civitavecchia sei ebenfalls „bereit“, sagte der Chef der dortigen Hafenbehörde, Pasqualino Monti, dem „Messaggero“. Die Entscheidung würden am Ende der Inhaber, die Reederei Costa Crociere und die Versicherungen, die für den Schaden aufkommen, treffen.

Weites Schleppen teuer und riskant

Gegenüber der „Neuen Zürcher Zeitung“ („NZZ“) hatte schon Anfang letzter Woche - noch vor dem Aufrichten des Schiffs - ein deutscher Experte Livorno gute Chancen auf den Zuschlag eingeräumt. Die dortige Fincantieri-Werft liege nicht nur nahe der Insel Giglio, vor der der Kreuzfahrtriese Mitte Jänner 2012 gesunken war, sondern das Unternehmen habe den Luxusliner seinerzeit auch gebaut, „die haben also noch Baupläne und wahrscheinlich auch Leute, die das Schiff kennen“, so Henning Gramann, Inhaber der Beraterfirma Green Ship Recycling Services im deutschen Lüneburg.

Das aufgerichtete Wrack der "Costa Concordia"

Reuters/Tony Gentile

Die „Costa Concordia“ wurde bei dem Schiffsunglück im Vorjahr stark beschädigt

Ein Abschleppen über weite Distanzen, eventuell sogar nach Asien, über das ebenfalls spekuliert worden war, zweifelte Gramann stark an. „Das kostet zu viel, und das Risiko ist zu hoch - ein Versicherer wird das nicht tragen wollen.“ Viele ausgediente Schiffe landen wegen der niedrigeren Kosten für das Abwracken etwa in Ländern wie Indien.

Erneut Suche nach den letzten zwei Opfern

Wann das Schiff aus den Gewässern vor Giglio weggeschleppt wird, ist immer noch nicht klar. Es dürfte aber nicht vor dem Frühjahr sein. Das bestätigte auch der Projektleiter des italienisch-US-amerikanischen Bergungskonsortiums Micoperi-Titan, Nick Sloane, gegenüber italienischen Medien. Ihm und seinem Team aus Hunderten Mitarbeitern war es gelungen, die „Costa Concordia“ aufzurichten.

Bevor man das Schiff nicht genau überprüft habe und über dessen Stabilität genau Bescheid wisse, sei ein Schleppen zu riskant, sagte Sloane. Außerdem dürften sich noch zwei Leichen in dem Wrack befinden. Zwei von 32 Opfern der Tragödie vom 12. Jänner 2012 wurden nie gefunden. Tauchertrupps sollen demnächst erneut nach ihnen suchen.

Schließfächer und Kabinen werden geöffnet

Laut „Messaggero“ sollen in den nächsten Tagen die Kabinen und die 1.500 Schließfächer der „Costa Concordia“ in Anwesenheit von Staatsanwälten geöffnet werden. Ihr Inhalt wird untersucht und wenn möglich den Passagieren zurückgegeben.

Experten schätzen, dass sich im Schiff noch Geld und Schmuck im Wert von zehn Millionen Euro befinden, die die Passagiere vor der Havarie nicht in Sicherheit bringen konnten. Schmuck befindet sich auch in den Juweliershops und der Bank des Luxusliners. An Bord hingen außerdem Gemälde von namhaften Künstlern, die einen beträchtlichen Wert hätten, so die römische Zeitung - sofern sie nicht beschädigt sind oder die letzten 20 Monate im Wasser lagen.

Verwertbare und gefährliche Materialen

Um noch viel mehr Geld geht es aber bei der Demontage, insgesamt um Hunderte Millionen Euro, so „Repubblica“ und „Corriere della Sera“. Das Projekt würde über Monate hin Hunderte Arbeitsplätze sichern. Technisch ist das Abwracken eines derartigen Riesenschiffs eine Herausforderung für sich selbst, wie Experte Gramann gegenüber der „NZZ“ erklärte.

Die Planung sei wichtig, die Arbeiten müssten sich an der Bauart des Schiffs orientieren. Außerdem gebe es auf derartigen Luxuslinern, die der Experte mit schwimmenden Kleinstädten vergleicht, eine Unmenge an gefährlichen Stoffen, die beseitigt werden müssten: Schweröl, Klärschlamm, Kühlmittel aus Klimaanlagen, Schwermetalle. Für das Zerlegen brauche es speziell ausgebildete Arbeiter und auch Notfallpläne für Unfälle.

Geld einbringen dürfte die “Costa Concordia“ - außer über den indirekten Weg - keines mehr. Für ein funktionstüchtiges Schiff könne man mit rund 300 bis 400 Dollar (225 bis knapp 300 Euro) pro Tonne Schiffsgewicht rechnen, so der deutsche Experte. Auch der allergrößte Teil der „Costa Concordia“ dürfte verwertbar sein. Allerdings sei das Abwracken derart kompliziert, dass es für die Eigentümer wohl kein Geschäft werde - im Gegenteil: Sie müssten wohl noch einmal tief in die Tasche greifen. Bis zuletzt hatten sich die Kosten für die Bergung des Luxusliners auf bereits 600 Mio. Euro summiert.

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