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Polizeichef: „Rettung ist nah“

Islamistische Terroristen haben in einem Einkaufszentrum in Nairobi ein Blutbad mit mindestens 68 Toten und 175 Verletzten angerichtet und damit weltweit Entsetzen ausgelöst. Nach mehr als 24 Stunden begannen Sonntagabend die Einsatzkräfte mit der Erstürmung des Gebäudes, in dem ein Terrorkommando der radikalislamischen Al-Schabab-Miliz noch immer Dutzende Geiseln in seiner Gewalt hält.

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Der Chef der kenianischen Spezialeinsatzkräfte bat am Sonntagabend Blogger und Nutzer von Sozialen Medien, die Geiseln im Einkaufszentrum Westgate über ihre nahende Rettung zu informieren. Die Botschaft des Polizeichefs David Kimaiyo kam wenige Stunden, nachdem Sicherheitskräfte und Scharfschützen weiter in das Gebäude vorgedrungen waren.

Explosionen und Schüsse in Shoppingcenter

Über die Lage im Einkaufszentrum selbst gibt es kaum Informationen. Ein Blogger, der mit den Geiseln in Kontakt stand, teilte im Kurznachrichtendienst Twitter mit, die Extremisten hätten am Abend weitere Geiseln ermordet und aus einem Fenster geworfen, nachdem Helikopter der Polizei auf dem Dach des Einkaufszentrums gelandet seien.

Ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP hörte eine starke Explosion und den Lärm der Rotorblätter von Hubschraubern, die über dem Gebäudekomplex der Westgate Shopping Mall im Einsatz waren. Zudem waren immer wieder Schüsse zu hören. Vonseiten der Polizei hieß es, die Zahl der Getöteten könne am Ende noch weit höher liegen.

Auch Frauen unter den Angreifern

Die Islamisten werden offenbar von den kenianischen Sicherheitskräften immer weiter zurückgedrängt. „Die Kriminellen befinden sich jetzt an einem einzigen Ort in dem Gebäude“, sagte Präsident Uhuru Kenyatta am Sonntagnachmittag. „Wir haben eine gute Chance, die Terroristen zu neutralisieren.“

Soldaten sitzen auf einem Militär-Lkw

AP/Ben Curtis

Kenianische Soldaten auf einem Militärfahrzeug

Unter den zehn bis 15 Angreifern seien offenbar auch Frauen, erklärte Kenyatta. Bei den Tätern handle es sich um „Feiglinge“. Er forderte die Bevölkerung zu Ruhe und Geduld auf. Die Sicherheit im ganzen Land sei verstärkt worden. „Ich fühle den Schmerz unserer Nation“, betonte er und fügte hinzu, er selbst habe bei der Attacke seinen Neffen und dessen Verlobte verloren. „Lasst uns zusammen als eine Nation trauern.“ Zuvor hatte Kenyatta Überlebende in einer Klinik besucht.

USA: „Sinnloser Akt“

UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon brachte sein Entsetzen über die Attacke am Sonntag in einer Liveansprache zum Ausdruck, die von den Vereinten Nationen (UNO) in New York online übertragen wurde. Darin nannte der UNO-Chef den Überfall auf ahnungslose Zivilisten „moralisch total verwerflich“.

Die Mitglieder des UNO-Sicherheitsrats verurteilten den Überfall auf das Schärfste. Die USA sprachen von einem „sinnlosen Akt der Gewalt“. Unter den Toten sind mehrere Ausländer, darunter mindestens drei Briten und zwei Franzosen. Nach Angaben des US-Außenministeriums wurden mehrere US-Bürger verletzt. Zu Berichten über ein israelisches Eingreifen gegen die Geiselnehmer in Nairobi sagte eine Armeesprecherin in Tel Aviv: „Wir kommentieren ausländische Berichte nicht.“

Mehrere Geiseln befreit

Dem Katastrophenschutz zufolge waren sowohl Angestellte als auch Kunden in der Gewalt der Angreifer. In der Nacht konnten demnach bereits fünf Geiseln befreit werden. Die Polizei ging von bis zu zehn Geiselnehmern aus. Wie aus Polizeikreisen weiter verlautete, wurde ein mutmaßlicher Angreifer festgenommen und verletzt ins Krankenhaus gebracht. Er werde als Verdächtiger behandelt und befragt, hieß es.

Soldat mit Sturmgewehr in einem Panzer

Reuters/Noor Khamis

Einsatzkräfte haben das Einkaufszentrum abgeriegelt

Interpol bietet Hilfe an

Die internationale Polizeibehörde Interpol hat der kenianischen Regierung umfassende Hilfe angeboten. Jede Informationsanfrage der kenianischen Behörden werde von der Interpol-Außenstelle in Nairobi „mit Vorrang“ behandelt, teilte die Organisation an ihrem Sitz im französischen Lyon mit.

Sie schlug auch die Entsendung von Gerichtsmedizinern, Anti-Terror-Experten und Analysten sowie Hilfe bei der Überprüfung von Fingerabdrücken und DNA-Spuren vor. Auf Anfrage könne die Behörde zudem Verdächtige international zur Fahndung ausschreiben und bei nationalen Polizeibehörden Festnahmen beantragen.

Feuer auf „Ungläubige“

Am Samstagmittag hatten maskierte und mit automatischen Waffen und Handgranaten bewaffnete Männer die beliebte Westgate Shopping Mall angegriffen und das Feuer auf in ihren Augen „Ungläubige“ eröffnet. Die somalische Al-Schabab-Miliz schrieb später in dem Internetdienst Twitter, ihre Kämpfer hätten „mehr als hundert ungläubige Kenianer getötet“. Im Einkaufszentrum anwesende Muslime seien verschont und vor dem Angriff „nach draußen eskortiert“ worden.

Menschen flüchten nach einem Terroranschlag auf ein Einkaufszentrum in Nairobi

AP/Jonathan Kalan

Kunden und Angestellte bringen sich in Sicherheit

Die Attacke sei eine Vergeltungstat für die in Somalia begangenen „Verbrechen ihrer Soldaten“, erklärte die Miliz. Die Botschaft laute: „Zieht eure Truppen aus unserem Land ab.“ Ein Sprecher der Miliz erklärte später, die Gruppe habe Kenia „vor solchen Angriffen gewarnt“, das sei aber ignoriert worden. Die kenianische Armee unterstützt die somalischen Regierungstruppen im Kampf gegen die Al-Schabab-Miliz. Im Jahr 2011 war die kenianische Armee zur Unterstützung in Somalia einmarschiert.

Verzweifelte Fluchtversuche

Kenyatta sagte am Samstagabend in einer TV-Ansprache: „Wir werden den Terrorismus besiegen.“ Kenia habe schon „früher Terrorangriffe überstanden“. Er selbst habe „Familienmitglieder in der Westgate-Attacke verloren“, sagte Kenyatta. Das Rote Kreuz rief zu Blutspenden für die Opfer auf.

Augenzeugen schilderten, dass die Angreifer ihre Opfer regelrecht hingerichtet hätten. „Die Angreifer wollten mir in den Kopf schießen, aber sie haben mich verfehlt“, sagte Sudjar Singh der Nachrichtenagentur AFP. Binnen Sekunden nach dem Überfall brach Panik aus, Familien rannten mit ihren Kindern auf der verzweifelten Suche nach einem Ausgang umher, auf dem Boden lagen verletzte, blutende Menschen.

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