„Parodie der Gerechtigkeit“
Seit Anfang September steht der amtierende Vizepräsident Kenias, William Ruto, vor dem Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) in Den Haag. Ihm werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. Ein Vorwurf, den die Staatsspitze entschieden zurückweist. Vielmehr bringt diese vor, der IStGH sei voreingenommen - niemals würde ein europäischer Politiker angeklagt werden.
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Das Tribunal sei zu einseitig orientiert und gegenüber dem afrikanischen Kontinent voreingenommen, so auch die Meinung des afrikanischen Nachbarlandes Uganda. „Der Internationale Strafgerichtshof soll damit aufhören, immer nur afrikanische Spitzenpolitiker ins Visier zu nehmen“, drängte der ugandische Außenminister Henry Okello Oryem. „Der IStGH wird nie gegen reiche Länder in Europa oder gegen die USA aktiv, wo Politiker ebenfalls schreckliche Taten verübt haben“, so Oryem weiter.
Kenia wollte selbst verhandeln
Kenia hatte bereits im Mai gefordert, den Prozess gegen den Vizepräsidenten William Ruto zurück an die Justiz in Nairobi zu verweisen. „Kenia hat mittlerweile eine neue Verfassung, und das Land hat sein Justizwesen komplett reformiert, deshalb sollte es derartige Fälle selbst behandeln“, sagte die Kommissionschefin der Afrikanischen Union (AU), Nkosazana Dlamini-Zuma.
Die kenianische Resolution dafür habe eine breite Zustimmung unter den Spitzenpolitikern des Kontinents gefunden, „der IStGH könnte nun im Grunde freiwillig entscheiden, den Fall zurück an die kenianischen Behörden zu verweisen“.

APA/AP/Michael Kooren
Vizepräsident William Ruto und sein Anwalt Karim Khan vor dem IStGH
Doch der IStGH entschied sich dagegen: William Ruto muss sich seit Anfang September vor dem Tribunal in Den Haag verantworten. Der Prozess gegen Kenias Präsidenten Uhuru Kenyatta ist für den 12. November angesetzt. Ihnen werden unter anderem Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen. So soll Ruto nach der Präsidentschaftswahl 2007 blutige Unruhen organisiert haben. Kenyatta wird unter anderem für die Verbrechen des Mordes, der Vergewaltigung und der Vertreibung verantwortlich gemacht.
Bei den Unruhen wurden bis zu 1.500 Menschen getötet und mehr als 600.000 Menschen vertrieben. Angeheizt wurde die Situation durch ethnisch motivierte Gewaltakte in mehreren Landesteilen, die für einen Wechsel an der Spitze des politischen Systems stimmten.
Petition für IStGH-Austritt angenommen
Sowohl Ruto als auch Kenyatta wiesen die Vorwürfe zurück, kündigten aber an, mit dem Gericht zusammenarbeiten zu wollen, obwohl sie das Verfahren vor dem IStGH als einzige Farce und als „Parodie der Gerechtigkeit“ bezeichneten. Erst kürzlich stimmte das kenianische Parlament für einen Ausstieg aus dem Internationalen Strafgerichtshof. Nun muss die kenianische Regierung über den Gesetzesentwurf abstimmen.
„Jedes Gesetz in diesem Land oder international kann zurückgenommen werden“, so Asman Kamama, einer von mindestens 30 Abgeordneten, die den Antrag unterstützen. Ein Amtskollege ging sogar weiter und bezeichnete den IStGH als „Jauchengrube der Geschichte“. Ein Austritt aus dieser „neokolonialistischen Institution“ würde das Ansehen Kenias rehabilitieren.
Der oppositionelle Parlamentarier sprach hingegen von einem „schwarzen Tag“ für Kenia, weil eine Aufkündigung der Mitgliedschaft das Ansehen des Landes schwer beschädigen würde. Wenn diese Parlamentsinitiative Erfolg hätte, wäre Kenia das erste Land, das vom IStGH austreten würde. Dennoch können die laufenden Verfahren gegen die kenianische Staatsspitze nicht mehr gestoppt werden.
„Ruto bekommt ein faires Verfahren“
Die Chefanklägerin des Weltstrafgerichtshofs, Fatou Bensouda, verurteilte die Vorwürfe eines politischen Verfahrens auf das Schärfste. „Ruto bekommt ein faires Verfahren“, betonte sie zu Prozessbeginn in Den Haag. Fakt ist jedoch auch, dass sich die bisher vor den IStGH gebrachten Fälle alle mit der Lage in afrikanischen Staaten befassen. In Verfahren vor dem IStGH involviert sind demnach Uganda, der Sudan, Mali, Kenia, die Demokratische Republik Kongo, die Zentralafrikanische Republik, Libyen und die Elfenbeinküste.
In Afrika heißt es deshalb, das Gericht wolle ein Exempel statuieren, weil es bisher nur afrikanische Fälle behandelt. „Es sollte kein Gericht im Norden geben, das über Menschen im Süden urteilt“, sagte der AU-Kommissar für Frieden und Sicherheit, Ramtane Lamamra. „Das heißt jedoch nicht, dass Afrika Straffreiheit will.“
IStGH wies Vorwürfe zurück
Der IStGH wies die Vorwürfe zurück. „Entscheidungen werden unabhängig auf der Grundlage des Rechts und der verfügbaren Beweise genommen und beruhen nicht auf regionalen oder ethnischen Erwägungen“, hieß es in einer vom Gericht in Den Haag verbreiteten Erklärung Ende Mai. Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die meisten Ermittlungsverfahren auf Initiative der betroffenen afrikanischen Staaten selbst in Gang gesetzt worden seien.
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