Themenüberblick

Wahlprogramme mit ungleichem Umfang

Wer seine Wahlentscheidung tatsächlich von den Wahlprogrammen der Parteien abhängig machen will, für den bietet der Wahlkampf reichlich Lesestoff. Wobei es die Parteien durchaus unterschiedlich angehen: Während Grüne, ÖVP und SPÖ dicke Broschüren abgeliefert haben, passt das Wahlprogramm des Teams Stronach (TS) auf zwei A4-Blätter.

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Auch das BZÖ zeigt Mut zur Lücke und hat etwa Europa und Migration komplett ausgespart. Anders die FPÖ, bei der sich das „Ausländerthema“ als nahezu omnipräsente Querschnittsmaterie durch das - ebenfalls knapp gehaltene - Wahlprogramm zieht. Eines haben die Wahlprogramme gemeinsam: Eine Angabe darüber, wie viel die Umsetzung der Forderungen und Wahlversprechen in Summe kosten würde, findet sich bei keiner Partei - was angesichts der häufig recht vage gehaltenen Ankündigungen (etwa in der Steuerpolitik) auch schwer zu berechnen wäre.

Weltanschauliche Konfliktlinien klar

Immerhin wird bei einigen Themen klar, wohin die Reise gehen soll und wo die (weltanschaulichen) Konfliktlinien verlaufen: So treten SPÖ und Grüne klar für die Gesamtschule und für Vermögenssteuern ein, ÖVP und BZÖ für Studiengebühren. ÖVP, FPÖ, BZÖ und TS (wenn auch nicht im eigentlichen Wahlprogramm, das den Familienbereich völlig ausspart) plädieren für die steuerliche Entlastung der Familien, während SPÖ und Grüne einen Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung ab dem ersten Lebensjahr fordern.

In der Europapolitik lehnen ÖVP und FPÖ den (Voll)Beitritt der Türkei ab, während SPÖ und Grüne für europaweite soziale Mindeststandards plädieren. Das längste Wahlprogramm haben die Grünen: eine 130 Seiten starke Broschüre mit über 41.000 Wörtern, während das TS mit nur gut 800 Wörtern auskommt. Dazwischen liegen ÖVP (rund 18.000 Wörter), SPÖ (rund 15.000 Wörter), BZÖ (rund 4.000 Wörter) und FPÖ (rund 1.400 Wörter).

Wesentliche Themen ausgespart

Insbesondere die knappen Wahlprogramme der drei rechten Oppositionsparteien wurden mit Mut zur Lücke verfasst: So spart das TS das Thema Familie im Wahlprogramm aus, beim Wirtschafts- und Sozialprogramm des BZÖ fehlt das Europathema und - bei einer FPÖ-Abspaltung eigentlich überraschend - auch die Migration. Umgekehrt ist es die FPÖ angegangen: Hier zieht sich das „Ausländerthema“ als Querschnittsmaterie durch gut die Hälfte der zehn knappen Kapitel - egal ob es um Bildung, Soziales oder Familien geht.

Auf wirklich breite Wählerschichten dürften die Wahlprogramme der Parteien allerdings nicht abzielen, wie der Politikwissenschaftler Peter Filzmaier erklärt. Demnach haben Untersuchungen bei vergangenen Wahlen nämlich ergeben, dass nur drei bis sechs Prozent der Wähler die Programme tatsächlich lesen. Zielpublikum umfangreicher Wahlprogramme seien daher wohl eher „die eigene Parteiöffentlichkeit“ und diverse Multiplikatoren (etwa Medien), für die noch einmal die jeweiligen Grundpositionen festgeschrieben werden.

Filzmaier: „Sammlung von Wahlversprechen“

Dass die Parteien im Wahlkampf allzu detaillierte Festlegungen scheuen und sich mitunter in „Allgemeinplätze“ flüchten, liegt für Filzmaier auch daran, dass sich die Wahlprogramme als „Sammlung von Wahlversprechen“ interpretieren lassen, an denen man sich bei den Koalitionsverhandlungen nach der Wahl messen lassen müsse.

Angesichts der geringen Reichweite könnten sich die Parteien Wahlprogramme möglicherweise sparen, meint der Politikwissenschaftler. „Das Problem ist: Ich darf nicht der Einzige sein (der verzichtet, Anm.). Wenn das alle tun würden, würde es wahrscheinlich niemandem abgehen. Das Risiko ist nur keiner bereit zu tragen.“

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