Benes: „Das ist das Ende“
Das Münchner Abkommen ist ein in der Nacht vom 29. auf den 30. September 1938 geschlossener Vertrag zur Lösung der deutsch-tschechoslowakischen Krise um die Sudetengebiete. Deutschland, Italien, Großbritannien und Frankreich unterzeichneten das Abkommen, das die Tschechoslowakei zur Abtretung eines Fünftels ihres Staatsgebiets an Nazi-Deutschland zwang.
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Seit Adolfs Hitlers Machtergreifung 1933 hatte die Sudetendeutsche Partei und ihr Anführer, der Turnlehrer Konrad Henlein, ständig neue Anschläge auf die staatliche Integrität der Tschechoslowakei vorbereitet. Im Mai 1938 spitzte sich die Lage zu. In Abstimmung mit Berlin provozierte die Henlein-Gefolgschaft eine Reihe von Zusammenstößen. Prag ordnete daraufhin eine Teilmobilmachung an.
Am 12. September erklärte Hitler auf dem Nürnberger Reichsparteitag der NSDAP, die „Unterdrückung von dreieinhalb Millionen Deutschen durch Herrn Benes“ - gemeint war der tschechoslowakische Staatspräsident Edvard Benes - müsse aufhören. Henlein floh über die Grenze nach Deutschland, wo er am 15. September den „Anschluss“ des Sudetenlandes forderte. „Heim ins Reich!“, lautete die Parole.
Zerschlagung der Tschechoslowakei
Im „Braunen Haus“ am Münchner Königsplatz trafen sich am 29. September 1938, 13.45 Uhr, Reichskanzler Adolf Hitler, der britische Premierminister Neville Chamberlain, der französische Ministerpräsident Edouard Daladier und der italienische „Duce“ Benito Mussolini. Hitler erklärte, die „unterdrückten Sudetendeutschen“ müssten „befreit“ werden. Drei Tage zuvor hatte er im Berliner Sportpalast betont: „Es ist die letzte territoriale Forderung, die ich in Europa zu stellen habe.“

Bundesarchiv/CC-BY-SA
Chamberlain, Daladier, Hitler, Mussolini und der italienische Außenminister Graf Galeazzo Ciano (vordere Reihe v. l.) bei der Unterzeichnung des Münchner Abkommens
Mussolini pflichtete bei, Chamberlain und Daladier zögerten. Nach Mitternacht stimmten sie schließlich einem Papier zu, das das deutsche Außenministerium ausgearbeitet hatte und das von Mussolini vorgelegt worden war. Die Tschechoslowakische Republik wurde vor vollendete Tatsachen gestellt. Ein Vertreter aus Prag war in München erst gar nicht eingeladen.
„Betrug, der sich selbst bestrafen wird“
Die Tschechoslowakei musste 29.000 Quadratkilometer, ein Fünftel ihres Staatsgebiets mit rund 3,5 Millionen Einwohnern, an Nazi-Deutschland abtreten. Am Tag der Besetzung setzte eine Welle der Vertreibung ein. Die Tschechen mussten binnen Stunden die Sudetengebiete verlassen. Lange Kolonnen von Flüchtlingen mit ihren wenigen Habseligkeiten machten sich auf den Weg ins Landesinnere. Neben Tschechen verließen auch sudetendeutsche Sozialdemokraten und Juden die ans Nazi-Reich angegliederten Gebiete.

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Grenzverschiebung nach dem Münchner Abkommen 1938
„Das ist das Ende. Das ist ein Betrug, der sich selbst bestrafen wird“, kommentierte Benes am 30. September 1938 das Münchner Abkommen. Er ging am 22. Oktober 1938 ins Exil nach London. „Das ist für uns ein Unglück, das wir nicht verdient haben. Ich weiß nicht, ob Ihren Ländern die in München getroffenen Entscheidungen von Nutzen sein werden. Wir sind aber sicherlich nicht die Letzten ... Nach uns wird es andere geben, die unter diesen Entscheidungen zu leiden haben werden“, sagte der tschechoslowakische Außenminister Kamil Krofta.
„Appeasement“-Politik gescheitert
International weckte das Abkommen zunächst Hoffnung auf Frieden. Doch Hitler gab sich mit diesem Erfolg keineswegs zufrieden. Mit der Begründung, dass die deutsche Minderheit durch die Tschechen unterdrückt werde, ließ er die Truppen der Wehrmacht im März 1939 in Prag einmarschieren. Der tschechische Landesteil wurde zum „Protektorat Böhmen und Mähren“, die Slowakei als „Marionettenstaat“ unter den „Schutz des Deutschen Reiches“ gestellt.
Die Art, wie die 1918 entstandene Tschechoslowakei zerstückelt wurde, machte die in den westlichen Ländern verwurzelte Angst deutlich, dass es wegen der Sudetenkrise zu einem Krieg kommen könnte. London und Paris waren entschlossen, Hitler keinen Anlass für einen bewaffneten Konflikt zu liefern, und versprachen, alle seine Wünsche zu erfüllen.
Als Hitler am 1. September 1939 Polen überfiel, kam das Ende der bis dahin von Großbritannien und Frankreich verfolgten „Appeasement“-Politik (Beschwichtigungspolitik). Mit ihrer Kriegserklärung an Deutschland begann der Zweite Weltkrieg.
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