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Krude Theorien, bizarre Rituale

Immer ein Lächeln auf den Lippen, perfekt geföhntes Haar und adrett gekleidet: Brynne Larson sowie Tess und Savannah Scherkenback wirken ganz so, als seien sie einer US-TV-Serie entsprungen. Hört man, was sie sagen, könnte man meinen, Zeuge einer Parodie zu sein. Doch die drei jungen Frauen meinen es ernst: Als „Teenage-Exorzistinnen“ treiben sie Dämonen aus, angeblich.

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Die achtzehnjährige Brynne aus Arizona traf die gleichaltrige Tess und ihre drei Jahre ältere Schwester Savannah vor acht Jahren in einer Karateschule. Alle drei haben den schwarzen Gürtel. Seit mehr als zwei Jahren haben sie mittlerweile ein zweites gemeinsames Hobby: Exorzismus.

Brynne Larson,Tess und Savannah Scherkenback mit Kreuzen in den Händen

BBC

Keine Soap-Opera-Darstellerinnen, auch wenn sie so aussehen

Oberexorzist als Vater und „Trainer“

„Trainiert“ wurden und werden sie von Brynne Larsons Vater, Bob Larson. Er ist ehemaliger Fernsehprediger, der wohl bekannteste selbst ernannte Exorzist der USA und Chef seiner eigenen Spiritual Freedom Churches, einer evangelikalen Bewegung. Seit über 30 Jahren führt Larson mittlerweile Exorzierungen durch, 15.000 Dämonen will er schon ausgetrieben haben. Er war in seiner Jugend Musiker in einer Band, nach ein paar Auftritten startete er aber seinen Kreuzzug gegen Satanismus und Okkultes, die er in jeder Form des Rock zu sehen glaubte.

„Demonstration der Macht Gottes“

Mitte der 80er Jahre wandte er sich dann dem Exorzieren zu, seine Popularität steigerte er mit eigenen Touren, Radioshows und Fernsehauftritten. Seine Ambitionen auf eigene Fernsehshow „The Real Exorcist“ blieben ihm bisher aber im Wesentlichen verwehrt. Wohl auch um seine Chancen dafür zu steigern, schreitet er nun in Begleitung der drei jungen Frauen zur Tat.

In einer BBC-Reportage sind die vier in Aktion zu sehen, wie sie in der Ukraine Menschen von angeblichen Dämonen befreien. Auch US-Fernsehkanäle haben solche Versammlungen mit den völlig kruden und teilweise auch recht brutalen Ritualen bereits gezeigt. Dass sie nur billige Showeffekte zeige, weist Brynne gegenüber der BBC zurück. „Wir demonstrieren nur die Macht Gottes“, meint sie.

Für Medienberichte hatten die drei Mädchen noch vor einiger Zeit mit zwei weiteren Mitstreiterinnen bereitwillig das Silberkreuz für die Kameras gezückt. Mittlerweile ist von den Schwestern Christina und Melanie Massih aber nichts mehr zu sehen.

„Sexuell übertragbare Dämonen“

Ihr Betätigungsfeld sehen die Exorzistinnen recht weit: Zwar würde Gott nicht erlauben, dass ein Dämon einfach so in eine Person fährt, besonders schwer haben sie es aber offenbar nicht: „Wenn jemand sündigt oder etwas anderes macht oder wenn jemandem etwas angetan wird“ ist es schon so weit. So glauben die drei gottesfürchtigen und sittsamen Frauen auch an „sexuell übertragbare Dämonen“. Sobald man sich die Frage stelle, ob man vielleicht besessen sei, sei das schon Indiz dafür, heißt es auf ihrer Website.

Und jedes Land habe ganz bestimmte Arten von Dämonen, gibt Tess gegenüber der BBC zu Protokoll. Anlässlich eines Besuchs in Großbritannien haben sie dort auch schon eine Quelle des Bösen ausgemacht: Harry Potter. Die Verwünschungen in den Büchern von Joanne K. Rowling würden sich ins richtige Leben fortsetzen. Großbritannien sei damit eine Brutstätte der Hexerei. Offenbar gelten auch Schulen als solche: Alle drei jungen Frauen wurden von ihren Eltern zu Hause unterrichtet.

„Behandlung“ von psychisch Kranken

Damit, dass die drei gerade einmal großjährig sind und schon exorzieren, hat Bob Larson kein Problem: Heute glaube man, es geht in Ordnung, wenn man Teenager sich betrinken und Sex haben lässt, aber wenn sie moralische Dinge für Gott tun, sollte man ihnen das nicht beibringen?

Bob Larson exorziert für eine Filmszene

AP/Kevin Miller XI Productions Inc.

Larson bei der „Arbeit“, gefilmt für die im Sommer erschienene kritische Dokumentation „Hellbound?“

Ganz ungefährlich ist die Sache aber nicht: Der Exorzist selbst gibt zwar an, dass seine Klienten vor dem Exorzismus entsprechende Krankheiten angeben müssen. Es sei wichtig, dass diese Menschen dann medizinische Hilfe erhalten. Kritiker werfen Larson aber vor, auch Menschen zu behandeln, die ganz offensichtlich psychische Krankheiten und Persönlichkeitsstörungen haben. Dass er in einem auf Video dokumentierten Ritual einen Mann per Exorzismus von dessen Homosexualität „geheilt“ haben will, macht die Machenschaften Larsons ebenfalls deutlich.

Für alles wird kassiert

Rund die Hälfte aller Menschen sei von Dämonen besessen, behauptet Larson. Damit gibt es viel für ihn zu tun – und viel zu verdienen. Der Hokuspokus dient wohl vor allem der Geschäftemacherei: Ein Großteil der Shows besteht aus Betteln um Spenden, ebenso wie jeder veröffentlichte Text. Auch für jeden Exorzismus verlangt er eine „Spende“ von ein paar Hundert Dollar.

Dazu kommen die Einnahmen mit Büchern und DVDs. Für seine Exorzismusausbildung sind gleich ein paar Tausend Dollar fällig, und auch seine mehrtägigen Seminare sind nicht ganz billig. Immerhin: Für bereits 9,95 Dollar kann man online einen Besessenheitstest ausfüllen. Gegenüber der BBC verweist Larson darauf, dass er bei weitem nicht die Millionenumsätze der US-Megachurches mit ihren Fernsehshows und Massenmessen erreicht. Daraus lässt sich vor allem eines herauslesen: sein Bedauern, es trotz Jahrzehnten im Geschäft noch nicht so weit gebracht zu haben.

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