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Gier, Macht und Seitensprünge

Es war ein kämpferischer Auftritt, den der wegen Korruption angeklagte frühere chinesische Politstar Bo Xilai bei seinem Auftritt im Sommer vor Gericht hingelegt hat. Das Regime plante ursprünglich einen kurzen Prozess. Doch Bo hielt sich nicht daran und schlug die Öffentlichkeit fünf Tage lang mit Geschichten über Gier, Sex und Segway-Roller in seinen Bann.

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Eigentlich hätte das von Justizexperten als Schauprozess bewertete Verfahren, bei dem nun das mit Spannung erwartete Urteil gefällt wurde, nach nur zwei Tagen Ende August enden sollen, doch schließlich wurden die Schlussplädoyers erst Tage später gehalten.

„Werde Fußstapfen meines Vaters folgen“

Wenige Tage vor der Urteilsverkündung soll sich Bo Xilai mit einem Brief an seine Familie überzeugt gezeigt haben, dass sein Name „eines Tages“ reingewaschen werde, so die „South China Morning Post“. „Ich werde ruhig im Gefängnis warten. Mein Vater ist mehrmals in Haft gekommen. Ich werde seinen Fußstapfen folgen“, zitierte die Hongkonger Zeitung weiter aus dem kolportierten Schreiben.

Sein Vater Bo Yibo war Revolutionsführer und gehörte später zu den „Acht Unsterblichen“ der Kommunistischen Partei. Er wurde zweimal von den Nationalisten in Haft genommen, bevor die Kommunisten 1949 die Macht übernahmen. In der Kulturrevolution unter Mao Zedong verbrachte Bo Yibo mehr als zehn Jahre in Haft. Ende der 70er Jahre nach dem Tod Maos stieg er aber wieder in den engsten Führungszirkel um den späteren Reformarchitekten Deng Xiaoping auf.

50 Jahre alte Unterhosen

Der Prozess gegen Bo Xilai wurde von der Öffentlichkeit gebannt mitverfolgt. Das Gericht im ostchinesischen Jinan veröffentlichte ungewohnt offen Zitate über das chinesische Soziale Netzwerk Weibo. Als Prozessbeobachter waren jedoch nur Journalisten von Staatsmedien zugelassen, weswegen eine unabhängige Überprüfung nicht möglich war. Dem Transkript zufolge durfte Bo aber auch über seine Unterhosen referieren.

Um Vorwürfe zu kontern, er und seine Familie hätten dank Beziehungen zu reichen Geschäftsleuten ein Luxusleben geführt, sagte Bo: „Die lange Unterhose, die ich jetzt trage, hat meine Mutter mir in den 1960er Jahren gekauft.“ Er habe „überhaupt kein Interesse an Kleidung“, versicherte der frühere regionale KP-Chef laut Mitteilungen des Gerichts im Internet. „Ich sage Ihnen: Das Sakko, das ich heute trage, und alle Anzüge in meinem Kasten wurden von einem örtlichen Unternehmen im Bezirk Xinjin in Dalian hergestellt“, führte Bo weiter aus.

Segway-Roller, Luxusreisen, Villa

Doch das sind nicht die einzigen Details über seine Familie, die im Laufe des Prozesses ans Tageslicht gelangten. Auch ein Segway-Roller, den sein Sohn Bo Guagua von dem Geschäftsmann und Präsidenten der Dalian Shide Group, Xi Ming, geschenkt bekommen haben soll, stand im Zentrum der Ermittlungen. Als ihm das Gericht Bilder von dem Fahrzeug zeigte, antwortete Bo: „Ich habe ihn gesehen. Aber ich hatte so viele Dinge, um die ich mich kümmern musste. Wie sollte ich mich da noch um so ein Spielzeug scheren?“

Journalisten blicken auf einen Fernseher, der die aufgezeichnete Aussage von Bo Xilais Frau zeigt

AP/Ng Han Guan

Gu Kailai belastete in einer Videoaussage ihren Mann schwer

Doch die Zuwendungen von Xi sollen nicht bei dem Segway-Roller geendet haben. So soll er Bo Guagua Flüge in die USA finanziert haben, 2006 habe er ihn nach Deutschland zur Fußball-WM eingeladen und Reisen nach Venedig, Argentinien, Kuba, Paris und Afrika bezahlt. Auch 40 Freunde von der US-Universität Harvard soll Xi nach China eingeladen haben und ihnen vom Flug über Hotelzimmer alles bezahlt haben. Auch soll Xi Bo Xilais Frau Gu Kailai Geld für eine Villa in Frankreich gegeben haben.

Von Geldflüssen nichts gewusst?

Laut Protokoll äußerte sich der 64-Jährige „beschämt“, weil er Geldflüssen auf das Bankkonto seiner Ehefrau nicht nachgegangen sei. „Ich war zu nachlässig, denn das waren Staatsgelder“, wurde Bo zitiert. Allerdings habe er die fraglichen fünf Millionen Yuan (etwa 610.000 Euro) nicht persönlich veruntreut. Ein Zeuge hatte dagegen nach eigener Aussage mit angehört, wie Bo seine Frau Gu telefonisch anwies, Geld für ein staatliches Bauprojekt anzunehmen. „Das würde nicht einmal der dümmste Empfänger von Bestechungsgeld tun“, entgegnete Bo laut Protokoll.

Späte Rache für Seitensprung?

Seine Frau, die für den Mord an dem britischen Geschäftsmann Neil Heywood, eine lebenslange Haftstrafe verbüßt und mit ihrer Tat erst die Korruptionsvorwürfe ins Rollen gebracht hatte, wurde während der Prozesstage zur tragischen Figur. Bo bezeichnete sie zunächst als „geistesgestörte Lügnerin“, die den Mord in einem Machtrausch begangen haben soll. Auf der anderen Seite gab Bo zu, sie betrogen zu haben, woraufhin sie mit dem gemeinsamen Sohn ins Ausland ging. Sie sei „eine zerbrechliche Person“, wurde Bo zitiert.

Doch Gu soll ausgerechnet in Bos ehemaliger rechter Hand, dem Polizeichef Wang Lijun, einen Unterstützer gefunden haben. Wang warf seinem ehemaligen Chef vor, den Mord vertuscht zu haben. Wang war Anfang 2012 in ein US-Konsulat geflüchtet und hatte dort ausgepackt. Im vergangenem Jahr war er wegen Korruption, Fahnenflucht und Amtsmissbrauchs zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Bo bestritt die Anschuldigungen vehement. Hingegen deutete er eine Affäre zwischen Wang und seiner Frau an.

„Die beiden waren sehr eng“, sagte Bo laut Prozessprotokollen. Wang selbst konnte vor Gericht nicht aussagen. Er hatte wenige Stunden vor seiner Aussage einen Schlaganfall erlitten und wurde im Rollstuhl in das Gerichtsgebäude geführt. Auch die Richter wirkten immer wieder überfordert und mussten zeitweise den Prozess unterbrechen, nachdem es Bo, der als sein eigener Anwalt auftrat, immer wieder gelungen war, die Zeugen in Widersprüche zu verwickeln.

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