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Zwischen den Saisonen gefangen

Die Modewelt lebt ihren eigenen Rhythmus, dazu gehört auch, dass Sommermode im Jänner und Wintermode im August in die Geschäfte kommt. Wer sich da nicht rechtzeitig mit den neusten Trendstücken eingedeckt hat, schaut durch die Finger - oder muss auf Zwischenkollektionen ausweichen. Das ist um diese Jahreszeit aber nicht besonders tragisch, denn in den Edelboutiquen ist bereits seit Mai Herbst.

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Jahreszeiten werden von der Modebranche traditionell ignoriert. So werden im Jänner die Herbst/Winter-Entwürfe für das nächste Jahr präsentiert, die dann im August in den Designerboutiquen eintreffen. Doch noch bevor in unseren Breiten der Bodenfrost einsetzt, hängen an den letzten Stücken der Winterkollektionen schon die Abverkaufsschilder. Wer sich abseits des Modezyklus mit edler Kleidung eindecken will, muss sich mit Zwischenkollektionen begnügen.

Acht Monate lang Herbst

Im Gegensatz zu den zwei Hauptlinien Spring/Summer und Fall/Winter, die nur acht kurze Wochen in den Boutiquen hängen, füllen die Zwischenkollektionen die Regale oft monatelang. Im Mai werden die Pre-Fall-Kollektionen ausgeliefert und bleiben bis zum Eintreffen der neuen Sommermode im Jänner oder Februar in den Geschäften. Damit ist diese Kollektion die mit Abstand langlebigste. Im November ersetzt die Resort-Kollektion die klassische Fall/Winter-Ware und bleibt meist bis März in den Geschäften.

Model Cara Delevingne mit Mode von Chanel auf einer Fashionshow in Singapur

Reuters/Edgar Su

Chanel präsentierte seine Resort-Kollektion 2014 in Singapur

Im Gegensatz zu den mit viel Pomp inszenierten Hauptkollektionen, die seitenweise die Modemagazine füllen, dabei aber oft die Grenzen des Tragbaren überschreiten, fallen die Zwischenkollektionen deutlich bescheidener aus. Pre-Fall-Mode, die mitunter bis zu acht Monate in den Shops hängt, ist alltagstauglicher und rettet sich mit einem Mix aus Klassikern und zeitlosen Stücken über drei Saisonen. „Dazu gehört alles von der Sommerhochzeit über den Strandsweater bis hin zu Mode für Städte wie San Francisco, wo es oft kalt ist“, erklärt Designer Michael Kors in der „Vogue“ seine Pre-Fall-Kollektion.

Vom Stiefkind zum Superstar

Die zweite Zwischenkollektion, die meist etwas weniger lang in den Läden hängt, aber sich ebenfalls zunehmender Beliebtheit erfreut, ist Resort (oder früher Cruise). Sie wandte sich ursprünglich an betuchtes Klientel, das im November das neblige Paris in Richtung Karibik verlässt und noch rasch ein paar leichte Blusen und Röcke braucht.

Bei den Modejournalisten fristeten diese Kollektionen lange ein Stiefkind-Dasein. „Die Kleider, die am häufigsten von den Menschen getragen werden, sind die Kleider, die von den Medien am wenigsten kommentiert werden“, schreibt Modeexpertin und Journalistin Suzy Menkes in ihrem Blog für die „New York Times“ („NYT“). Doch mittlerweile haben auch die großen Modehäuser das Potenzial der Zwischenkollektionen erkannt.

Karl Lagerfeld lud für seine Chanel-Resort-Show im letzten Jahr ins Schloss Versaille, heuer präsentierte er seine „Urlaubskollektion“ in Singapur und Dior-Stardesigner Raf Simons zeigte seine Resort-Mode während der Grand-Prix-Woche in Monaco. „Die Belastung für das Budget und die Designer ist enorm“, erklärt Menkes. Und nur die großen Häuser könnten sich neben den zwei Hauptlinien und zwei Haute-Couture-Shows auch noch Pre-Fall und Resort leisten.

Designer im „diamantbesetzten Hamsterrad“

Zusammen mit den Männerlinien und Promotionshows in Ländern mit besonders kaufkräftigen Kunden wie Russland und China, komme ein Modehaus auf zehn große Laufstegevents im Jahr. „Wenn man die Ferienzeit abzieht, bedeutet das eine Show fast jeden Monat“, so Menkes. Bei 138 Fashion Weeks weltweit im Jahr und bis zu 264 Shows in fünf Tagen schreibt Menkes nicht umsonst von einer „Modetretmühle“. Modeschöpfer und Unternehmer Hussein Chalayan bezeichnete die Modebranche einmal als „diamantbesetztes Hamsterrad“, das sich immer schneller und schneller drehe, bis „einer umfällt“.

Wie groß die Belastung für die Designer mittlerweile ist, zeigt sich meist dann, wenn sie dem Druck nicht mehr standhalten. Nicht bei allen endet es so tragisch wie bei Alexander McQueen, der sich 2010 erhängte. Christophe Decarni, Chefdesigner von Balmain, konnte wegen eines akuten Burn-outs 2011 an seiner eigenen Show nicht teilnehmen, und Marc Jacobs musste 2007 nach der Paris Fashion Week in eine Rehab-Klinik eingewiesen werden.

Das Geld liegt zwischen den Saisonen

Nicht nur Designer bringt die Suche nach immer Neuem manchmal an den Rand des Wahnsinns, auch Modejournalisten fällt es zunehmend schwerer, die vielen Modelinien einzuordnen, vor allem wenn Orientierungspunkte wie Jahreszeiten nicht mehr existierten. Im Hochsommer hingen dicke Wollmäntel in den Geschäften, und im November, wenn Mützen und Schals für viele Konsumenten erst richtig interessant würden, seien sie bereits wieder durch die frühlingshaft leichte Resort-Kollektion ersetzt worden, beschwert sich Menkel in ihrem „NYT“-Blog.

Ein Model mit Mode von Dior auf einer Fashionshow in Monaco

Reuters/Jean-Pierre Amet

Bedeckt oder luftig: Dior mit seiner Interpretation der Übergangsmode

Doch die Zwischenkollektionen bringen den Modehäusern zu viel Geld, um darauf verzichten zu können. Die neuen Resort-Kollektionen, die Anfang Dezember in New York präsentiert werden, würden bis zu Dreiviertel des jährlichen Umsatzes der großen Modehäuser ausmachen, verweist Menkes auf Getuschel in der Modeszene. Und auch die „NYT“-Modekritikerin Cathy Horyn bezeichnete die Zwischenkollektionen einmal als die Mode, die „die Miete reinbringt“.

Das bestätigt auch Natalie Kingham, Modechefin von Matchesfashion.com, einem Onlineshop für Luxusmode, gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ („SZ“). „Unsere globalen Kunden haben kein Interesse mehr am traditionellen Fashion-Zyklus“, erklärt Kingham. „Sie wollen jetzt kaufen und jetzt tragen.“ Deswegen seien Pre-Fall- und Resort-Kollektionen so wichtig geworden.

„Erster sein“ als Kaufanreiz

Auch Menkes sieht den wachsenden Einfluss von Onlinestores als treibende Kraft hinter der Flut an Kollektionen. „Wenn man einen Stoff nicht berühren oder ein Outfit nicht anziehen kann, bleibt als einziges Erlebnis die Aufregung, beim Kauf schneller als alle anderen gewesen zu sein“, analysiert Menkes. Burberry hat bereits darauf reagiert und bietet seine Laufstegshows als Livestream im Internet an. Über eine App können Kundinnen die gezeigten Stücke sofort bestellen und bekommen sie geliefert noch bevor diese offiziell in den Geschäften zu haben sind.

Aber auch Modeketten wie H&M, Zara und J.Crew setzen etablierte Modehäuser zunehmend unter Druck. Sie schauen sich die Schauen von Luis Vuitton, Dior oder Oscar de la Renta genau an und bringen den Look wesentlich schneller in die Läden. Dadurch steigt die Gefahr, dass man sich an manchen Stücken bereits sattgesehen hat, bevor sie überhaupt in den Designerläden angekommen sind.

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